Ketten & Ketchup #1
44 DIN-A-5-Seiten; €2.-
alex_gehrau@gmx.de
Ballo und Alex wagen einen Fanzine-Neustart Im Oldschool-Cut'n-Paste-Style. Erste Versuch wurden mit dem TERMlNator, dem Veranstaltungsblatt vom Juz Dampfmühle Verden - unternommen werden,
offensichtlich sind die beiden mit der ganzen Vereinsarbeit und in der Konzertgruppe noch nicht ausgelastet. Der Fanzinetitel ist einem BLUT&EISEN-Song entnommen und spiegelt die Sichtweise
der Schreiberlinge wider.
Latex' Ausführungen im Vorwort über das Thema "Aggressive Verhaltensauffälligkeiten" (warste bei Dr. Kutscher, Latex?) hätten ausführlich im Heft platziert werden können, da
Latex schon richtig erkennt, dass das Thema explosiv ist. Ballo definiert das K&K als ein "Gesamtwerk aus Gedenken, Vorlieben und Kritik", vermisst den "Kampfgeist, das Miteinander" und
kritisiert die Sesselfurz-Revoluzzer, die Ihren Arsch nicht hochkriegen, aber über alles und jeden ablästern. Ballo möchte das K&K dafür nutzen, um nicht "jeden Scheiß hinzuehmen und mit den
Achseln zu zucken“. Tatsächlich kochen er und Latex auch nur mit heißem Wasser und geben sich im weiteren Verlauf weniger hasserfüllt oder sarkastisch/zynisch wie es sich aus den Vorwörtern
ableiten ließe.
Es folgen die übliche Standards: Konzertberichte, die eher das eigene Ego prägen. So erfahren wir von Latex, wie er bei einem Konzertbesuch in Osnabrück Falafel isst, ein Kräutertütchen dreht und
HAMMERHEAD bestaunt. Auch der Kurztrip von Latex nach Berlin Ist eher eine Randnotiz im persönlichen Tagebuch,
denn unterhaltsam. Zwischen Asia-Bratnudeln und Wodkapulle habe ich Anteil daran, wie Latex im Zug einpennt und bei Joe um elf Uhr in den Tiefschlaf sinkt. Angeregt von Schlagzeilen wie "Die
Polizei soll bekommen, was sie verdient“ gibt es eine entsprechende Collage und der in Serie produzierte Wasserwerfer der Bundes- und Bereitschaftspolizei wird vorgestellt. Wirklich gute Fragen
und Antworten bieten die Gesprächspartner von OI POLLOI, VLADIMIR HARKONNEN und ANTIGEN (da zahlt sich die Funktion eines Konzertveranstalters
aus). Die bei den Anti-Deutschen umstrittene Band OI POLLOI zieht Stellung zu Antisemitismus, Patriotismus, Nationalismus, entlarvt die Anti-Deutschen als Spalter der Antifa-Szene und begründet
die These mit widersprüchlichen Ansichten und Aussagen. Auch der Einblick in die Lobuschstraße in Hamburg liefert gute Ergebnisse über den Häuserkampf in den 80er Jahren, die
Vereinsgründung und die Nutzung mit Konzerten, Labelarbeit und die Hamburger Bauwagen-Szene. Nachdem Latex und Ballo die Kochlöffel schwingen und vegan kochen, kocht sich Ballo über die Grauzone
aus und schildert eigene Erfahrungen und Erlebnisse mit sogenannten Punks und Punkbands, die BÖHSE ONKELZ covern, Antifas den Strick wünschen oder konservative Werte vermitteln, um die oberste
Heeresleitung nicht zu diskreditieren.
Gesamteindruck: Ein Fanzine-Neustart mit Höhen und Tiefen, guten Ideen und Ansätzen. Gefallen haben mir die kritischen Anmerkungen von Ballo. Da hat er einen Vorsprung vor
Jungspund Latex, aufgrund seines Alters und der langjährigen Erfahrung als Musiker und Veranstalter. Latex wirkt ein wenig übermotiviert und -dreht‚ bekommt aber den Dreh und landet rechtzeitig
wieder auf den Teppich und glänzt bei den Interviews. Wenn Günter Netzer und Gerd Delling ihre Fernseh-Ehe aufgeben, hat die Fanzine-Landschaft mit Latex und Ballo vielleicht ein neues,
streitbares Traumduo gefunden. Harmonisch und emotional...das sollen ruhig die Emos machen. Bei K&K geht s blutig zu, die verbalen Messer sind gewetzt...vielleicht rechtfertigt das den
überhöhten Heftpreis.