LOTTA #48
64 DIN A 4 Seiten; €3.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
http://projekte.free.de/lotta
In der vorliegenden Ausgabe beschäftigt sich das Redaktions- und AutorInnenkollektiv mit den nationalistischen “Grauen
Wölfen”, die im LOTTA-Einzugsgebiet NRW und Hessen besonders stark aktiv sind und über starke Strukturen verfügen. LOTTA untersucht die extreme rechte Erscheinungsform in türkischstämmigen
Communities, die Organisation, die Einflussnahme auf den “Kurden”-Konflikt, analysiert die nationalistische Identitätspolitik und den zögerlichen Umgang der antifaschistischen Linken mit der
extrem rechten Erscheinungsform.
Emre Arslan beschäftigt sich mit den Anfängen des türkischen Ultranationalismus und die ideologische politische Fortsetzung in extrem rechte Parteien wie die „Partei der Nationalen Bewegung
(MHP)“. Emre stellt den religiösen Aspekt hervor, den islamistischen Einfluss auf die Extreme Rechte, stellt den historischen Zusammenhang zwischen Nation und Weltanschauung im Kontext des
Osmanischen Reiches und die damit verbundene Annahme einer Vormachtstellung (“Herrschernation”). Gleichzeitig werden Symbolik, Synthese und das Konzept des Türkentums im Infokasten erläutert.
Durch Kultur- und Sportangebote für Jugendliche und die Kandidatur unverfänglicher Tarnlisten zu Ausländerbeiräten verankern sich die „Grauen Wölfe“ innerhalb der türkischen MigrantInnen in
Deutschland. Dazu unterwandern sie auch deutsche Parteien, die wiederum im Buhlen um türkische Stimmen beide Augen vor möglichen Verbindungen ihrer türkischen Mitglieder zu faschistischen
Organisationen verschließen. 1995 hatte der historische MHP-Führer und Hitler-Verehrer Alparslan Türkes seine Anhänger in Deutschland bei der Jahresversammlung der „Türkischen Föderation“ zur
aktiven Politik in CDU und CSU aufgerufen. Der Schwerpunkt dieser Unterwanderung als politisches Konzept basiert auf die Betonung einer eigenen türkischen Identität und der Mordhetze gegen
vermutete »Feinde des Türkentums« nach Innen (Eigene Organisationen) und die Darstellung nach Außen als Demokraten und sogar Antirassisten. Den Aspekt der Mobilisierung vertieft Kemal Bozay, der
türkische-nationalistische Bewegungen beschreibt und die kurze Bündnisarbeit zwischen Graue Wölfe und NPD herleitet. Ähnlich wie die deutsche extreme Rechte, nutzt auch die türkische extreme
Rechte Musik als Transportmittel und entfaltet ihre nationalistische Ideologie in Subkulturen wie Hip Hop und Rapmusik (“Bozkurt Rap”). Britta Kremers und Pia Gomez setzen sich mit extrem rechten
Erscheinungsformen in Zugewanderten-Communities auseinander und beschreibt gleichzeitig das Dilemma der antifaschistischen Linken im Umgang mit türkischem Extremismus, der eine
“Handlungsunfähigkeit” bescheinigt wird, solange eine Auseinandersetzung mit antiemanzipatorischen, antidemokratischen, antisemitischen Wertevorstellungen in migrantischen Denkmustern nicht
stattfindet. Fehlende Handlungskonzepte ist auch Inhalt des Interviews mit Aylin Ay, die in der Antira-Bewegung aktiv ist und den Unterschied zur weißen und migrantische Form von Rassismus
erläutert und konsterniert, bevor es eine Zusammenarbeit zwischen türkisch-deutschen und weißen Antifas geben wird, eine Selbstreflexion stattfinden sollte.
Gesamteindruck: Laut VS gibt es in NRW 70 Vereine der nationalistischen Bewegung mit mehr als 2000 Mitgliedern. Beinahe in jeder größeren Stadt gibt es Vereinsheime der Grauen
Wölfe. Die Ideologie der türkischen Rechten ist eine Mischung aus übersteigertem Nationalismus, Führer-Kult und der Überzeugung, dass die eigene Rasse überlegen ist. Selbst bei den Feindbildern
gibt es Gemeinsamkeiten mit Neonazis: Deutsche und türkische Rechtsradikale eint der Hass auf Juden und Homosexuelle. Ihre Zielgruppe: frustrierte Jugendliche mit Integrations-Schwierigkeiten,
die über Vereine und Feste rekrutiert werden. Mitgliedern der Grauen Wölfe gelingt es immer wieder, sich in etablierte Parteien einzuschleichen und zu unterwandern. Laut einem Bericht der „Welt
am Sonntag“ sollen fast alle deutschen Integrationspolitiker mehr oder weniger ahnungslos Kontakt zu Türkeistämmigen gepflegt haben, die der Verfassungsschutz als Islamisten oder
Radikalnationalisten einstuft. Eine antifaschistisches Handlungskonzept ist deswegen nicht möglich, weil sich viel Antifas auf ideologische Unterschiede wie Antiimperialisten, Antideutsche
konzentrieren und zerstritten sind, ein Konsens fehlt. Hinzu kommt, dass die antifaschistische Linke aus weißen Deutschen besteht und bei anhaltender Kritik an den Grauen Wölfe dem
Rassismusvorwurf ausgesetzt ist. Insofern ist dieser Schwerpunkt ein sensibles Thema, das vermehrt und verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rücken sollte und es nicht allein den großen Parteien
wie die CDU-Landtagsfraktion in NRW zu überlassen, Maßnahmen zu fordern.
Außerdem in dieser Ausgabe: Antifeminismus in Bewegung, Flügelstreit in der Deutschen Burschenschaft, Antiziganismus in Nord – Tschechien, Interview: Antifa-Camp Dortmund, Aufmarsch-, Rechtsrock-
und Parteien-Splitter.
ZDF-Reportage über “Graue Wölfe”, ihre Feindbilder und Ideologie: