PUNKROCK #16
100 DIN-A-5-Seiten; €3.-
PUNKROCK! Fanzine, Postfach 100523, 68005 Mannheim www.punkrock-fanzine.de
Bocky ist begeistert von der Genialität des menschlichen Körpers und sinniert über fremd- und selbst-verletzendes Verhalten und verspricht, sorgsamer mit sich umzugehen. Martin feiert Tony Sly
und fragt sich, was nach seinem Ableben übrig bleibt (Was soll das schon sein?).
Neuzugang Diana hat ihren Traumjob im Ruhrgebiet nicht gefunden, dafür "Spitzenfreunde" und einen Punker, den sie knutschen kann. Im Streichelzoo der Gefühle und Eitelkeiten werden THE CASUALTIES
in Szene gesetzt. Die Berufspunker und Rockstars erzählen über ihre Musik und dem Glück, davon leben zu können. Diana begleitet KOTZREIZ, die ihr die schönsten Plätze von Berlin zeigen. Der
KOTZREIZ-Reiseführer liefert Orte der Begegnungen, Umarmungen und der subkulturellen Erlebniswelt. Kadda krallt sich Frau Potz, die sich und die Arbeitsweise erklären und genervt sind von
ESCAPADO/TURBOSTAAT Vergleiche. Warum mit Victoria van Violence ein (Punk)-Model im Heft Einzug hält und damit die bebilderte Fleischbeschauung unterstützt wird, kann nur mit sex sells erklärt
werden. Die im Layout verwendeten farbigen Fotos verstärken diesen Eindruck und selbst Bocky widerspricht sich in seiner Erklärung, einerseits selbstkritisch einzugestehen, ihr eine Plattform zu
geben und somit Gefahr zu laufen, Menschen auf das Äußere zu reduzieren und gleichzeitig diesen Artikel damit zu rechtfertigen, da Victoria ja eher "zufällig" ins Modelgeschäft reingerutscht sei.
Die Kritik aber sollte sich eindeutig auf das Vermarkten eines Schönheitsideals konzentrieren. Je näher mensch diesem kommt, umso besser für den Marktwert, sowohl „beruflich" wie auch im
„Privaten“. Denn auch im Modelgeschäft ist es wichtig, sich „gut zu verkaufen“, also die äußeren Vorzüge, in den Vordergrund zu stellen. Es ist wichtig, Menschen nicht nach den Äußeren zu
beurteilen, sie darüber definieren, sich über Unterdrückungsverhältnisse bewusst zu werden und damit auch eigenes Verhalten, Positionen und eventuelle Privilegien kritisch zu hinterfragen. Die
Bemerkung von Oliver, dass „Victoria nicht nur bezaubernd aussehen kann, sondern auch einiges im Hirnkasten hat“ (sic) konstruiert das sexistische Rollenbild, das gesellschaftliche Normen und
Stereotype reproduziert und normierte Schönheitsideale mit Intelligenz verknüpft und somit Mechanismen zur Diskriminierung herleitet: Menschen erhalten auf Grund körperlicher Merkmale
unterschiedlichen Status und/oder ihnen werden mit Werturteilen versehene Eigenschaften zugeschrieben.
Ein sehr wichtiger Artikel ist das „Deutschrock-Special" von Kadda, der die wirtschaftlichen Aspekte von Labels, Bands und „Szeneblätter“ im Zusammenhang mit der strategischen Ausrichtung,
völkischen Nationalismus und das rechte Milieu zu öffnen, um das bürgerliche Spektrum zu erreichen und rechte Ideologien in die Subkultur zu transportieren. Frei.Wild verkauft und etabliert
Nationalismus als hippe Protestkultur. BANDWORM, ROOKIES&KINGS‚ G.O.N.D.-Festival, PRESSURE Magazine, ENORM, DAS ROCKT als Plattform und Organ für die Deutschrock-Szene, die Kadda als rechte
Erlebniswelt enttarnt. Merkwürdig in diesem Zusammenhang ist, dass das PUNKROCK! nun Diana Ringelsiep als Mitarbeiterin engagiert hat, die noch zuvor von 01/2010 bis 07/2012 als Redakteurin für
das Pressure gearbeitet hat, ihre Tätigkeit aber in keinster Weise reflektiert oder erwähnt wird.
The BOTTROPS haben kein gutes Gefühl für die nächsten Jahre und wollen trotzdem "täglich mehr". LOVE A haben mehr als nur 20 Leute im Publikum verdient und die kontrovers diskutierte polnische
Band AUSCHWITZ RATS selektieren Punks in Polen in Nazis oder Kommunisten.
Gesamteindruck: Layouter Matze übertriebt mitunter bei der Gestaltung, der Fokus ist eher auf große Bilder und Schriftzüge im Titel gerichtet, wobei der Inhalt auch aufgrund der
Schriftfarbe in den Hintergrund gerät. Die sexualisierte Form von Models im Punkfanzine finde ich störend und unreflektiert, da dadurch Schönheitswahn und -ideal propagiert werden und damit
Diskriminierung und Abwertung einhergehen. Der hier angewandte Mechanismus kennzeichnet "schöne" Menschen mit Intelligenz und standardisiert das Rollengeschlecht, konstruiert Körperlichkeit. Die
Widersprüche überwiegen und hinterlassen einen faden Beigeschmack.