AIB #97
60 DIN A 4 Seiten; €3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Europas Außengrenzen verfestigen sich. Es gibt immer mehr Opfer. Wenn sich Menschen durch das engmaschige Abwehrnetz
durchschlagen, weht ihnen eine repressive, rassistische Stimmung entgegen wie das AIB in ihrer Ausgabe #95 mit den Auswirkungen der Pogrom in Rostock-Lichtenhagen auf die
gesellschaftliche-politische Ebene in Deutschland bereits ausführte. Nun stehen die Flüchtlinge erneut im Mittelpunkt einer reaktionären Politik, die von den Medien geschürt und von
Politiker_innen gewollt ist. CDU und CSU forcierten ihre Forderungen nach Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und konnten schließlich im Dezember mit SPD und FDP eine Einigung über die
Einführung der Drittstaatenregelung im Grundgesetz erzielen. Autor Bernard Schmidt erklärt das “Schengen-Informationssystem” und diverse Widerstände, Widerstandsbewegungen gegen die Festung EU
wie etwa jene der “Sans Papiers”, die für eine kollektive Legalisierung der in Frankreich lebender Einwander_innen kämpfe und sich immer besser auch international vernetzen. Christian Jakob
schildert Flüchtlingsproteste an einem Fallbeispiel, in dem Firoz Safi Protestformen erklärt und die Fremdbestimmung, Abhängigkeit und staatliche Kontrollen kritisiert. Warum das AIB-Kollektiv
nochmals die Rolle der Antifaschist_innen zu den Pogromen und die Konsequenzen hieraus aus den vorangegangen Ausgaben aufgreift, kann ich nicht nachvollziehen, bietet der Schwerpunkt doch
genügend Möglichkeiten und Ansätze, Projekte vorzustellen (Flüchtlingsräte, No Border, Pro Asyl etc.). Anstelle dessen wird das deutsche Ausländerrecht zerpflückt. Rechtsanwalt Volker Gerloff
geht ins Detail und fordert die Abschaffung der rassistischen Sondergesetze und konsterniert ein Versagen der Demokratie und dem Rechtsstaat. Ein anderer Blick auf das Problem wie mit
Flüchtlingen umgegangen wird benennt Susan im Artikel “Rassismus” und sieht die Ursprünge der gesellschaftlichen Ablehnung in der Ideologie des Rassismus, die körperliche (Rassen-)Unterschiede
macht und strukturelle wie diskursive Schnittmengen aufweisen. Susan erachtet es als falsch, anzunehmen, dass Menschen nach Rassen unterteilt werden und sieht diesen Aspekt des Rassismus als
historisch gewachsen und im dynamischen Prozess.
Es folgen Berichte zu NS-Szene (Klu Klux Klan Deutschland, Hammerskins, rechte Strukturen im Umfeld des Eintracht Braunschweig). Das Interview mit den Herausgeber_innen des Buches »FANTIFA –
Feministische Perspektiven antifaschistischer Politiken« stellt antisexistische Perspektiven in der Antifa auf den Prüfstand und möchte eine antisexistische Praxis entwickeln und benennt die sich
verändernden Verhältnisse mit dem Einzug queerer Theorien in feministische Diskussionen und die Festschreibung von Geschlechtermerkmalen als Diskussionsgrundlage, die Organisierungsansätzen
ausdifferenzieren.
Gesamteindruck: Schade, das Schwerpunktthema zur Asylpolitik und die Auswirkungen auf Flüchtlinge, Migrant_innen ist nicht ausreichend präsentiert. Da hätte ich mir Kampagnen
gewünscht, die ihren Kampf um ein Bleiberecht bzw. Menschenrecht vorstellen und interviewt werden. Gerade die aktuell anhaltende Diskussion und die mediale Präsenz zum Thema “Armutswanderung”
bietet genügend brisanten Stoff und Blickwinkel auf die Rolle der Politik, Sozialverbände und der extremen Rechte. Auch das Netzwerk “No border” hätte ins Konzept gepasst, sowie Pro
Asyl-Kampagnen. 12 Seiten zum Schwerpunkt sind definitiv zu wenig und werden dem wichtigen Thema nicht gerecht.