Johnny Mauser

Photo by: Till Gläser
Photo by: Till Gläser

Der Katze entkommen – Eine Maus auf der Flucht?


Konnte die Katze gar besiegt werden? Johnny Mauser rappt auf seinem neuen Album über den Druck und die Zwänge des Alltäglichen und zeigt wie ein Künstler eine erfolgreiche Flucht antritt. Doch was ist aus dem augenzwinkernden Zeckenrapper geworden? Müssen wir uns Sorgen machen? Keinesfalls. Hedonismus, eine „Halt Dein Mund“-Attitüde und das Zwinkern sind nicht verschwunden.

Die Maus kann dabei den Vorstellungen, wie man ein Leben zu führen hat, ebenso entkommen wie der deutschen Behördenmaschinerie, die ihm in regelmäßigen Abständen Steine in den Weg legt. Diese Steine werden auch auf diese Platte wieder aufgehoben. Johnny Mauser hat bereits drei Alben releast, hat eine aufstrebende Clique mit „Neonschwarz“ im Rücken und wird gepusht durch seine Zeckenrap-Family „Tick Tick Boom“. Mit „Der Katze entkommen“ geht es zwei Mauseschritte nach vorne.

Johnny, du rappst, dass du manchmal an dir zweifelst und dein hartes MC lediglich Image ist. Wer nimmt denn auch schon die maßlosen übertriebenen selbstverliebten Rapper ernst?
Also, erstens habe ich auch mal Battle Rap gemacht und hatte vielleicht vor zehn Jahren so ein Selbstbild, zumindest ein wenig. Auf meinen bisherigen Scheiben klang ich wohl auch noch selbstbewusster. Es war mir jetzt einfach mal wichtig, ein bisschen ehrlicher zu sein und dieses „Stärke-Ding“ zu hinterfragen. Tja, und da Kollegah und Konsorten ganz weit oben in den Charts stehe, glaube ich, dass es viele Kids gibt, die denen da auch einiges abkaufen (im wahrsten Sinne des Wortes).

Und warum gibt es so viele narzisstische Tendenzen in der Medienwelt? Geht es nur um Ruhm und Anerkennung?
Sicherlich sind das große Faktoren und wenn man es dann „geschafft hat“, ist man plötzlich doch gar nicht so glücklich. Obwohl ich das bei mir ja auch feststellen kann, dass es toll ist, Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erfahren, wenn auch in einem kleineren Rahmen.

Gerade in der Hip Hop-Kultur erscheint es mir, dass die Einmaligkeit des Einzelnen durch diesen Narzissmus (“Ich bin der geilste!”) verloren geht und dem gegenüber die Akzeptanz in der Gruppe den Glauben fördert, dieses Verhalten sei normal und mensch müsse immer andere übertönen…
In dem Sinne steht HipHop der Gesellschaft da ja in nichts nach. Auch die Bürger*innen möchten zeigen, wer das schickste Auto vor der Garage stehen hat, die Deutschen möchten andere auf dem Weltmarkt ausstechen, in der Schule herrscht eine Konkurrenz um gute Noten und in der Bundesrepublik kämpfen die Menschen untereinander um die Arbeitsplätze. Ich halte dieses Durchsetzungsdenken für grundlegens, sowohl was die kapitalistische Gesellschaft als auch die HipHop-Szene angeht. Zum Glück gibt es immer wieder auch andere Tendenzen.

Wir flüchten immer mehr in Schein-Kontakten und erleben Cyber-Mobbing als kollektiven Angriff auf Einzelne, die sich nicht wehren können. Macht dir das Angst?
Angst macht es mir vor allem, dass die Menschen sich daran so schnell gewöhnen und in ganz anderen Mustern denken. Ich glaube, das betrifft uns fast alle. Auf der anderen Seite bietet das Internet – auch für Musiker*innen – unglaublich viele Chancen. Mit Cyber-Mobbing habe ich mich nicht besonders beschäftigt, aber es stimmt schon, die Internet-Community verzeiht keine Fehler.

“Deine Welt ist ein Knast…wie in Alcatraz!” Wo fühlst du dich persönlich eingeengt und wodurch erlangst du persönliche Freiheit?
Ich spüre in dieser Gesellschaft eine Erwartungshaltung, wie man zu funktionieren hat. Es wird von mir als angeblich leistungsbereitem Menschen gefordert, dass ich meine Arbeitskraft verkaufe und das Maximum aus mir (auch für den Staat) raushole. Das stresst. Wenn ich einen anderen Weg gehen möchte, wird mir dieser sehr schwer gemacht. Alle Menschen, die alternative Lebensformen bevorzugen, werden erstmal schief angeguckt Wenn ich dann noch den Weg des Gesetzes minimal verlasse, drohen wir Strafen und Repression. Es geht uns in diesem Land verglichen mit anderen Staaten sehr gut. Trotzdem gibt es eine Menge Zwänge. Freiheit erlange ich vor allem im Austausch mit anderen, die sich trauen, aus dem goldenen Käfig auszubrechen oder „der Katze zu entkommen“.

Lass uns beim Thema Knast bleiben. Das Thema Knast ist seit einigen Jahren in der bundesdeutschen radikalen Linken ein marginales Thema. Es geht in den Forderungen mehr um die Freilassung von “XYZ” als um eine generelle Knastkritik. Bist du an einer Perspektive für eine bessere Gesellschaft ohne Knäste interessiert oder hältst du Knast als Notwendigkeit?
Nein, ich halte Knäste nicht für notwendig. Allerdings muss die Transformation der Gesellschaft in meinen Augen parallel laufen. Bewusstsein, Bildung, praktische Solidarität, soziale Kämpfe usw. müssen sich entwickeln und gelebt werden. In dem Zuge sollten dann auch Knäste hinterfragt werden.

Wie benutzt du den Rap, deine Sprache als Werkzeug, um diese Perspektiven zu entwickeln?
Ich habe das Glück, von ein paar Menschen gehört zu werden. Ich habe erst HipHop Musik gemacht, habe damit aufgehört und wurde politisch aktiv. Dann griff ich wieder zum Mic und konnte feststellen, mit dem Medium Musik eine ganze Menge zu erreichen. Mittlerweile nehme ich aber Abstand von dem Gedanken, meine Mucke wäre ein reines Transportmittel um politische Inhalt zu vermitteln. Klar, macht das einen großen Teil aus, aber ich entwickle mich künstlerisch auch weiter und versuche Lieder zu schreiben, die man nicht auf einem Flugblatt abdrucken könnte.

Immer wieder wird auf die Unverzichtbarkeit einer abschreckenden Wirkung von Strafen hingewiesen: Ohne Sanktionen und deren abschreckende Wirkung funktioniere ein soziales Zusammenleben „leider“ nicht. Welche staatliche Strafen haben dich bislang sanktioniert? Gibt es „rechtliche Spielregeln“, die du auf keinen Fall befolgen kannst?
Es gibt sicherlich eine Menge rechtlicher Spielregeln, mit denen ich mich nicht anfreunden mag. Das sollte ich jetzt hier vielleicht lieber nicht ausweiten. Ich wurde auf Musikebene durch eine Indizierung sanktioniert. Als Privatperson musste ich leider auch schon ein paar Mal Anwält*innen zu Rate ziehen. Das bleibt wohl bei einer kritischen Haltung gegenüber einer wie auch immer definierten Obrigkeit nicht aus.

In regelmäßigen Abständen ist hierzulande Kriminalität ein Thema – ebenso regelmäßig wird darüber diskutiert, wie Kriminalität denn am besten zu verhindern sei. Warum brauchen wir (härtere) Strafen oder staatliche Gewalt zum Schutz?
Brauchen wir nicht. So wird „Kriminalität“ nicht verhindert.

Wem nützt die Kriminalisierungs-und Strafenpolitik eigentlich?
Die gesellschaftliche Grundordnung basiert in gewisser Weise auf dieser Politik. So fällt es leichter, Ungleichgewichte aufrecht zu erhalten. Der Kapitalismus hat sich als ein System erwiesen, in dem global betrachtet, nur sehr wenige profitieren, also nützt diese Politik auch nur verhältnismäßig wenigen.

Johnny, warum hast du dich dem TickTickBoom-Kollektiv angeschlossen. Was hat das für Auswirkungen auf dich und die Arbeit?
Ausgangslage sind vor allem die Freundschaften, die sich im Laufe der letzten Jahre in diesem Kreis gebildet haben. Ich freue mich jedes Wochenende wieder unglaublich, wenn ich meine Rap-Mitmenschen aus Bremen, Berlin und Nürnberg treffe. Wir alle haben uns in letzter Zeit musikalisch weiterentwickelt, so dass wir qualitativ „hochwertige“ HipHop Mucke machen können und gemeinsam fraglichen Tendenzen im Rapgame wie Heterosexismus oder Nationalismus etwas entgegensetzen können. Wir supporten uns gegenseitig und beeinflussen uns bestimmt auch irgendwo. Fühlt sich wie ne Familie an, diggie!

TickTickBoom ist ein Zusammenschluss aus Sänger*innen, DJ*anes, Beatproduzent*innen, Veranstalter*innen, Grafiker*innen und Rapper*innen, die linken Hip Hop machen und feiern. An welchen konkreten Projekten hast du dich beteiligt, die im Zusammenhang mit dem Kollektiv stehen?
Ich habe schon einige Features mit Refpolk und Phurioso gemacht. Kobito ist auf der aktuellen Neonschwarz-Single mit einem Song auf der „B-seite“ drauf. Als Tick Tick Boom planen wir was Großes und deshalb wird es in nächster Zeit zu noch mehr Zusammenarbeit kommen, worauf ich mich richtig freue!

Du hast auf dem aktuellen Album “Der Katze entkommen” u.a. mit SpionY und Refpolk aus dem Kollektiv zusammen gearbeitet. Bei den Beats hast du jede Menge Unterstützung. Hast du für die Entstehung der Songs die Beats im Kopf oder lässt du den Kollegen freie Hand in der Umsetzung?

Ich höre mir die Beats der Produzenten durch und habe viele Textideen. Wenn dann ein Beat passt, picke ich den. Generell ist es gerade recht angenehm, immer mehr Leute kennen zu lernen, die produzieren. Früher habe ich meine Beats noch selbst gemacht, dazu komme ich zeitlich leider nicht mehr.


Was unterscheidet denn die Arbeitsweise zum aktuellen Album zu den bisherigen Werken? Was hast du anders gemacht und wo holst du deine Inspiration für deinen kreativen Prozess?

Es gibt mehr introvertierte Songs. Einige haben gesagt, die Platte klinge erwachsener. Auf der einen Seite ist das schön, da Reife und Entwicklung ja gut sind, auf der anderen Seite möchte ich ja dieser „Peter Pan“ bleiben…

Soundmäßig ist die Platte sehr viel runder geworden und eine Stimmung zieht sich jetzt wie ein roter Faden durch, denke ich. Daran waren die guten Ohren vom Chaos Compressor Club beteiligt. Insgesamt stecke ich gerade einfach deutlich mehr Zeit in die Musik. Neben dem Album bin ich ja bei Neonschwarz aktiv und habe mit dem „Trouble Orchestra“ ein Livebandprojekt gestartet. Zur Zeit sind 24 Stunden einfach zu wenig…Leider.


Wie und wo chillst du am Liebsten?

An der Elbe. Leider sind in Hamburg immer so viele Menschen unterwegs, aber es gibt für mich nichts Entspannenderes als auf’s Wasser zu gucken. Du fühlst dich in der linken Subkultur verortet, trittst in AZ’s und linken Freiräumen auf. Limitierst du dich damit nicht selbst und schneiderst korrekten politischen Rap für eine spezielle Klientel? Reicht dir das? Willst du nicht mehr erreichen? Ich will sowohl in den AZ’s bleiben als auch aus diesem Zeckenkontext rauskommen. Nicht weil es mir nicht gefällt, sondern um neue Menschen mit der Musik zu erreichen. Oftmals sind natürlich Festivals und Gigs abseits der AZ’s auch rofessioneller und größer. Nichtsdestoweniger bleiben die AZ’s gefühlt meine „Homebase“.

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