Felix Hnat ist Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich (VGÖ). Felix hat desöfteren seinen Protest gegen Läden, die Pelze verkaufen, öffentlich gemacht und auf die Straße getragen. Er hat auch einen Brief an „Kleider Bauer“ geschrieben und die Firma aufgefordert, aus dem unethischen Pelztiergeschäft auszusteigen. Hnat ist überzeugt davon, durch Aktionismus das größte Aufmerksamkeitspotenzial zu erreichen. Mitten im Winter demonstrierte er nackt vor der Botschaft der Volksrepublik China für ein Verbot der dortigen Pelzindustrie. Er stört Modeschauen mit dem Schlachtruf „Pelz ist Mord“ und ist mit vielen Polizisten so gut bekannt, dass er oft beinahe verständnisvoll behandelt wird. Im Tierschutzprozess wurde Hnat von der SOKO gemeinsam als „Kopf der kriminellen Organisation“ eingestuft.
Bei dem Polizei-Einsatz in Österreich 2008, bei dem der Mafia-Paragraf 278a gegen Tierschützer in Anwendung gebracht wurde,
lautete der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Organisation, was ausreichte, um zehn der Aktivisten ins Gefängnis zu bringen. Zwei Jahre Überwachung, drei Monate Untersuchungshaft und die
Beschlagnahmung von Materialien durch die Einsatzkommandos erbrachten nicht die erhofften Beweise. Weil den ermittelnden Behörden immer noch der wesentliche Anfangsverdacht fehlte, lauschten
Spezialeinheiten wochenlang penibel bis in die Schlafzimmer der Angeklagten. Verdeckte Ermittler nahmen an hunderten Veranstaltungen teil, ehemalige Tierschützer_innen wurden von der SOKO zu
Vertrauenspersonen umgepolt. Neben dem Verteilen von Flyern und der Behinderung von Tiertransporten gaben sie heimlich Aufzeichnungen an den Verfassungsschutz weiter.
Fazit: Fünf Millionen Euro Ermittlungskosten, aber keine schlagkräftigen Beweise. Nach 3 Jahren Strafverfolgung kam es zum Freispruch in allen Anklagepunkten.
Felix, was war für dich ein nachhaltig einschneidendes Erlebnis, vegan zu leben?
Als ich 18 Jahre alt war, haben mein Bruder und ich im Fernsehen einen Bericht über Tierhaltung und Tierverbrennungen im Rahmen der BSE-Krise gesehen. Daraufhin haben wir uns nicht mehr wohl
dabei gefühlt, Tiere zu essen und begannen, vegetarisch zu leben.
Eines Samstags war mein Onkel Gunther (Biobauer aus dem Lungau, züchtet Schafe, isst sehr wenig Fleisch) zu Besuch, und als ich ihm erzählte, dass ich nun Vegetarier sei, entgegnete er ganz
trocken: „Ohne Fleisch keine Milch.“ Dann erklärte er mir, dass die Milch- und die Fleischwirtschaft untrennbar miteinander verbunden sind, weil eine Kuh ohne Geburt keine Milch gibt. Das
geborene Kalb wird zu Kalbfleisch verarbeitet, da es sonst keinen Gewinn bringt. Deshalb verkaufen alle Milchbauern ihre Tiere an den Schlachthof, viele im Kindesalter.
Was ist für dich Veganismus und was ist die Logik dahinter?
Ich kann nicht für alle Veganer_innen sprechen, da gibt es viele individuelle Sichtweisen. Ich persönlich fühle mich nicht wohl dabei, mit meinem Geld Produkte zu kaufen, bei deren Herstellung
Tiere getötet, ausgebeutet oder verwendet wurden. Ich frage mich immer: Was würde die Kuh wählen? Deshalb kaufe ich sie nicht.
Ich versuche das Lebewesen hinter dem Produkt zu sehen.
Was war der Grund und die Motivation, Aspekte des Veganismus öffentlich zu machen und in der VGÖ zu bündeln?
Die VGÖ gibt es ja schon länger als ich vegan lebe oder aktiv bin. Die Motivation der Gründer_innen (und auch von uns jetzt) ist es, Alternativen aufzuzeigen.
Wir arbeiten mit Events wie Musikfestivals, Bällen, Messen und Infotischen, um Menschen zu informieren und zu zeigen, dass es Spaß macht, pflanzliche Produkte auszuprobieren – und schmeckt!
Außerdem helfen wir bei der Produkttransparenz, da wir bei einige Supermärkte unabhängig kontrollieren, ob die Zutaten eines Produktes vegan sind. So ist es auch für die_den Konsument_in auf den
ersten Blick erkennbar.
Wir bieten gratis Rezepte, Restaurantlisten, Infos über Gesundheit, um das vegane Leben zu erleichtern.
Es ist möglich, ein gratis Probeexemplar unseres Magazins zu bestellen: www.vegan.at/gratis
Ist das hauptsächliche Anliegen der VGÖ vegane Aufklärung zu betreiben? Bildung steht sehr im Vordergrund, deine (Vortrags-)Arbeit zielt darauf ab, Menschen zu finden, die den Veganismus
fördern und sich vernetzen möchten.
Wir wollen beides: Informieren und vernetzen. Gesellschaftlicher Wandel ist sehr komplex und passiert auf vielen Ebenen. In der kulturellen Szene, auf Konzerten, in Schulen, in Firmenzentralen
oder im Parlament. Wir versuchen dort zu helfen, wo wir können.
Ist für dich persönlich der politische Aspekt und Aktionismus trotzdem bedeutsamer als der gesundheitliche Aspekt im Veganismus?
Für mich persönlich ist der ethische Aspekt zentral und ausschlaggebend. Auch der Klimaschutz – immerhin werden laut UNO 18 % der Treibhausgase durch die Viehzucht verursacht.
Viele unsere Mitglieder sehen das aber auch anders. Laut Umfragen ist der Gesundheitsaspekt sehr wichtig. Auch der Erfolg von Büchern wie Peace Food (1) beweist das. Deshalb
zeigen wir gesundheitliche Vorteile einer pflanzlichen Ernährung auf und versuchen unsere Mitglieder ehrlich zu informieren.
Veganismus als bloßer Lifestyle gilt in Teilen der Gesellschaft mittlerweile als chic oder rückt immer dann ins öffentliche Bewusstsein, wenn Lebensmittelskandale die Schlagzeilen
bestimmen. Veganismus als Boykott. Bleiben dann nicht sozio-politisch wichtige Aspekte auf der Strecke?
Hmm … interessante Frage.
Ich denke, dass der Trend nicht dazu führt, dass früher ethisch motivierte Veganer_innen jetzt aufhören, ethisch motiviert zu sein.
Es heißt, dass maximal 25 % der Bevölkerung in ihrem Konsumverhalten ethische Aspekte miteinbezieht, egal ob bei Bio, Ökostrom oder was auch immer.
Die anderen 75 % schwimmen mit der Masse, kaufen das, was billiger ist, oder ihre Nachbarn verwenden.
Insofern ist das für mich keine Entweder-Oder-Frage. Eher ist der Trend eine Folge davon, dass sich die Argumente bei vielen durchgesetzt haben.
Die politische Arbeit steht unmittelbar in Zusammenhang, Tierrechte einzufordern. „Außerparlamentarischer politischer Aktivismus ruft sofort die Ordnungshüter_innen auf den Plan,
besonders, wenn er erfolgreich ist.“ Die staatliche Repression, brutale Gewaltanwendung hast du mehrfach am eigenen Leib erfahren. Warum stehen öffentliche Tierrechtsaktionen in Österreich so
stark unter staatlicher Repression?
Ja, das war auch eine Lebenserfahrung, die ich hatte. Ich war im Jahre 2008 für 3,5 Monate in U-Haft, wurde dann mit 13 anderen gemeinsam angeklagt, hatte einen Prozess mit 80.000 Aktenseiten,
der über ein Jahr dauerte und jetzt noch immer ein Berufungsverfahren. Das ganze hat sehr viel Energie gekostet und ich habe jetzt geschätzte 750.000 € Schulden.
Die Antwort ist ganz einfach – das zeigt z.B. auch der preisgekrönte Film (2).Die ÖVP ist die Partei der Bauern und Jäger, und solange sie die Macht hat, werden Tierrechtsaktive
in Österreich verfolgt werden.
Im Mai 2008 gipfelte die vermutlich jahrelange Überwachung in einer Verhaftungswelle, die auch dich betraf. Die Tageszeitung „DER STANDARD“ sprach davon, dass von Seiten der Pelz- und
Kürschnerindustrie bzw. des Handels massiv Druck auf die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ausgeübt wurde, gegen die Tierschutzaktivist_innenszene vorzugehen, da sich deren politische Arbeit
geschäftsschädigend auswirke. Ist es dir heute ein persönliches Anliegen, den juristischen Skandal aufzudecken?
Eigentlich ist der Skandal ja schon aufgedeckt, aber es gibt ja das berühmte kollektive Kurzzeitgedächtnis. Aus Akten, die der grüne Abgeordnete Peter Pilz veröffentlicht hat, geht hervor, dass
die SOKO gegründet wurde, um auch legale Demos zu bekämpfen. Der Besitzer von Kleider Bauer Peter Graf hat beim damaligen Innenminister Platter (ÖVP) angerufen, einen Tag später gab es ein
Treffen zwischen Kleider Bauer und der Spitze der Wiener Polizei und am Tag 3 wurde die SOKO gegründet. Österreich ist ein kleines Land und Kontakte zählen hier viel.
Welche gesundheitlichen Folgeschäden sind nach dem Prozess geblieben?
Ich bin seither in Psychotherapie und habe mein Vertrauen in die Justiz (und noch schlimmer Polizei) endgültig verloren. Andere hat es noch schlimmer getroffen: Der Vater eines Mitangeklagten hat
Selbstmord begannen.
Eigentlich seist du ein sensibler Mensch. Die U-Haft hat dich traumatisiert. Wer und was hat dir dennoch geholfen, diese schwierige und bedrohliche Phase zu bestehen?
Die Solidarität im In- und Ausland und die vielen Menschen, denen es nicht egal war, haben mir unheimlich geholfen. Auch NGOs wie Amnesty oder Greenpeace, die Grünen und die KPÖ oder namhafte
ProfessorInnen haben nicht weggeschaut. Sonst hätten wir alle während des Prozesses schlapp gemacht.
An dieser Stelle nochmal vielen vielen Dank an alle, die das ganze mitverfolgt haben.
Bist du eingeschüchtert, deine „außerparlamentarischer politische Arbeit“ so fortzuführen wie vor der Inhaftierung und dem Prozess? Bist du vorsichtiger geworden oder konzentrierst du
dich auf Bildungsarbeit?
Ich bin aktiv seit 2001, war in meinen jungen Jahren sehr viel auf Demos, unter anderem für den VGT(3).
Zufälligerweise habe ich schon vor der Beginn der Ermittlungen meine Aktivitäten auf das Büro und Bildungstätigkeiten verlegt. Das war der Polizei aber egal.
Insgesamt war es eine harte Zeit, aber ich bin motivierter als je zuvor. Von den 13 Angeklagten sind 2 nicht mehr aktiv, einer hat einen Nervenzusammenbruch bekommen, von dem er sich bis heute
nicht erholt hat, aber sonst tun wir alle weiter – mit voller Kraft.
Übrig bleibt der Gummiparagraph 278a, der für Mafia- und Menschenhändlerorganisationen gedacht war. Damit kann jedeR Bürger_in, der/die sich politisch engagiert, unschuldig angeklagt
werden! Dieser Paragraph leistet durch die Legitimierung umfassender Überwachungsmaßnahmen trotz dünnster Verdachtslage der Kriminalisierung politischer Bewegungen enormen Vorschub. Ist es für
dich als persönlich betroffener ein primäres Anliegen, eine Abschaffung zu fordern?
Ja, auf alle Fälle! Der Fehler liegt leider im System.
Der Sektionschef des Ministeriums hat verlautbart, dass der Paragraf geändert werden soll, sodass er auf nichtstaatliche Organisationen (NGOs) nicht mehr anwendbar ist. Es gibt allerdings
Gerüchte, dass die ÖVP sich doch gegen eine Änderung stellen will. Für „die Mächtigen“ ist es natürlich praktisch, einen Paragrafen zu haben, der es der Polizei erleichtert, gegen unliebsame
„Gegner“ vorzugehen.
Im Moment heißt es sinngemäß, dass man durch legale Handlungen Teil einer kriminellen Organisation sein kann, wenn die Handlungen darauf abzielen, die Gesellschaft zu ändern. Das wollen alle
NGOs. Verbrecher_innen wollen sich hingegen bereichern.
„Fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung leben vegetarisch, in Wien beträgt der Anteil bis zu sieben Prozent. Maximal zehn Prozent davon leben vegan, es gibt also etwa 40.000
Veganer und Veganerinnen in Österreich“, zitiert dich die Wiener Zeitung(4). Welche positive Entwicklung hinsichtlich der industriellen und gastronomischen Angebote erkennst du in Wien? Ist Vegan
leben keine strenge Herausforderung mehr?
Ich denke wir haben hier zu wenig Platz um das alles aufzuzählen.
Vor 10 Jahren gab es in größeren Supermärkten weißen Tofu und Sojamilch für 2,50 €. Heute gibt es in jedem Dorfsupermarkt eine riesengroße Auswahl an Aufstrichen, Fleischersatzprodukten,
Fertiggerichten und Supermilch in Bioqualität für unter 1 €.
Wir hatten letztes Jahr die erste vegane Messe in Österreich, Andrang von Medien und Firmen war enorm.
Die Anzahl der vegetarischen und veganen Restaurants wird ständig größer (5). Mit dem Al-Alapanka Ma, dem Tian und dem Chez Nico sind auch drei davon im Gault Milau
erwähnt!
Am 23.02. haben wir den 1. Wiener Vegan-Ball mit Meisterkoch Christian Petz gefeiert.
Inzwischen ist bekannt, was vegan bedeutet, vor 10 Jahren wurde mensch noch als VegetarierIn schief angeschaut.
Anmerkungen:
(1) http://www.peacefood.org
(2) www.derprozess.com
(3) www.vgt.at
(4) Quelle: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtleben/487939_Veganismus-sorgt-fuer-neue-Geschaeftsideen-in-Wien.html
(5) www.vegan.at/restaurants