Seit über zehn Jahren kämpft ein Haufen engagierter Leute in Nürnberg für ein Autonomes Zentrum. Die Hürden waren hoch und viele, doch letztlich ist es ihnen gelungen, eine alte KFZ-Werkstatt anzumieten und umzubauen. Doch durch neue Auflagen verhindert die Stadt die Eröffnung des Zentrums, was die Kosten weiter in die Höhe treibt.
Um allen Menschen, die sich in und um das Projekt 31 engagieren gerecht zu werden haben drei Aktivist_innen aus dem Projekt, stellvertretend für alle anderen, sich unseren Fragen gestellt. Da wären der Sebi, Tüftler und Bastler mit einer lebendigen Deutschpunkvergangenheit. Die Motte, schon vorher in vielen anderen selbstverwalteten Projekten am Start gewesen, mit verdammt viel Erfahrung und Hasch, der misantrophische Anarcho. Aber jetzt zu den Fragen.
Ihr setzt euch für ein autonomes Zentrum in Nürnberg ein. Wie ist aktuell bei euch der Stand der Dinge?
Sebi: Wir haben jetzt seit über einem Jahr unser AZ und arbeiten daran, es eröffnen zu können. Früher war das zukünftige AZ eine KFZ-Werkstatt und muss nun umdeklariert werden,
weil ein solches Zentrum nicht in einer KfZ-Werkstatt untergebracht sein darf, laut der Stadt Nürnberg.
Motte: Damit das was mit der Umdeklarierung wird, müssen wir momentan Gutachten für Brandschutz und Schallschutz einholen. Wenn das passiert ist, können wir dann, gemäß der
sich daraus ergebenden Auflagen, umbauen.
Hasch: Das alles zieht sich nun schon ewig hin, da jede Behörde ihren Senf dazugeben muss und dieser ganze Bürokratiemüll ewig dauert. Hinzu kommt aktuell noch, dass wir um
unsere geplanten Öffnungszeiten streiten müssen.
Wieso findet ihr es wichtig, dass es in Nürnberg ein autonomes Zentrum geben soll, schließlich ist einiges an Strukturen mit der Desi, dem Kunstverein etc. schon gegeben?
Motte: Kann es denn je genug oder gar zu viele Freiräume geben? Uns ist es vor allem ein großes Anliegen gewesen, dass die Location zentral gelegen und aus fast allen Stadtteilen
relativ easy erreichbar ist. Die Gewichtung zwischen Subkultur und Politik spielt auch eine Rolle. Wir wollen beides vereinen und hier fest verankern. Das alles in Selbstverwaltung bzw.
Selbstverantwortung ohne Gewinnmaximierungsprinzip. Einen so gearteten Ort mit täglichem Betrieb gibt es in Nürnberg seit 15 Jahren nicht mehr.
Sebi: Das sehe ich genauso, mir liegt der KV zu weit weg, und ich möchte meine Freizeit selbst organisieren.
Hasch: Mir ist noch wichtig, dass in dem neu gewonnenen Raum Platz für Initiativen und Politgruppen entsteht. Wünschenswert wäre es, dass von hier -als Treffpunkt ausgehend-
Menschen sich vernetzen und eigene Initiativen auf die Beine stellen.
Euren Verein gibt es nun schon zehn Jahre. Sind es immer noch die selben Leute und die selben Ideen die euch umtreiben oder was hat sich geändert?
Sebi: Ja und Nein. Natürlich gibt es noch eine handvoll Leute, die seit zehn Jahren aktiv sind, aber seit es ein Objekt gibt, kommen auch viele neue Leute und supporten das
Zentrum.
Hasch: Zehn Jahre sind schon eine lange Zeit, da sind klar einige weggebrochen, andere dazu gekommen. Da wir nie stehen bleiben wollten, haben sich auch unsere Ideen und Aktionen
mit der Zeit und den Aktivist_innen verändert. Wir sind älter und schlauer geworden, haben aber nicht resigniert. „Erwachsen“ sind unsere Vorstellungen geworden, was Besetzungen in
Bayern/Nürnberg angeht. Dass dies momentan nicht der Weg ist, der zu einem dauerhaften selbstverwalteten Freiraum führt (die letzte Hausbesetzung in Nürnberg 2000 hielt ganze vier Stunden).
Klar mussten Abstriche gemacht werden, aber so nah wie heute waren wir seit 15 Jahren in Nürnberg nicht an einem selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrum.
Motte: Ergänzend würde ich da noch erwähnen, dass alle Menschen in Nürnberg, die sich seit Jahren für diesen Ort einsetzten, dabei die verschiedensten Konzepte und
Herangehensweisen ausprobiert haben. Seien es nun Scheinbesetzungen, Verhandlungen mit der Stadt, Öffentlichkeitsarbeit mittels Kundgebungen, dezentralen Aktionstagen, bis jetzt hin zur
eigenmächtigen Anmietung eines Gebäudes. Die Idee und der Wunsch nach alltäglicher Selbstverwaltung sind in den Jahren aber immer mehr gewachsen.
Ihr habt nun endlich eine passende Räumlichkeit gefunden. Vorher hattet ihr versucht mit der Stadt zu kooperieren. Wieso hat das nicht geklappt und wie steht die Stadt euch nun
gegenüber?
Motte: Während die Stadt uns in der Vergangenheit mit Vorliebe Steine in den Weg gelegt hat und uns teilweise auch unverhohlen angelogen hat bzw. durch leere Lippenbekenntnisse
glänzten, sind uns zumindest heute gewisse Parteien des Stadtrates und des Jugendhilfeausschusses wohlgesonnen. Da staunt mensch nicht schlecht zu hören, dass in stadtinternen Diskussionen einige
Vertreter_innen der Stadt unser Projekt als „politisch gewollt“ bezeichnen. Scary.
Sebi: Trotzdem haben wir bisher keine finanzielle Unterstützung seitens der Stadt gesehen. Labern können sie viel, so lang unser Bauantrag auf irgendeinem Schreibtisch
vergammelt, ist uns auch nicht geholfen.
Hasch: Um noch mal was zu dem passend Objekt zu sagen. In der Vergangenheit hatten wir der Stadt größere und geeignetere städtische Objekte vorgeschlagen. Diese stehen seit
Jahren leer, wurden aber unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Damit sich überhaupt was bewegt, haben wir selbstständig unsere kuschelige KFZ-Werkstatt angemietet.
Wie kommt ihr mit der Finanzierung hin? Wie soll sich das Zentrum in Zukunft tragen?
Motte: Dieses Scheiß Geld! Zur Zeit sieht es eher madig aus. Dank Baustopp und einer Nutzungsuntersagung für die Räume müssen wir gerade Geld für Miete und Nebenkosten mittels
kreativen und breitangelegten Spendensammeln aufbauen. Außerdem kosten die geforderten Gutachten und Umbaumaßnahmen nochmals tausende von Euros.
Sebi: In der kurzen Phase vor dem Baustopp, in der wir eine „offene Baustelle“ waren, haben wir gemerkt, dass sich das Projekt 31 durch Getränkeeinahnen, Voküs und diverse andere
Veranstaltungen größtenteils finanzieren lässt. Zeitgleich sind wir aber auf Fördermitgliedschaften angewiesen. Falls ihr Interesse an einer Fördermitgliedschaft habt, könnt ihr euch auf unserer
Homepage informieren, in diesem Sinne: support your Freiraum far far away!
Gibt es konkrete Projekte die in eurem Zentrum beheimatet sein sollen?
Sebi: Abgesehen von Kneipenprogramm und zwei Voküs die Woche trifft sich in der Woche eine Bikercrew, die sich für eine Fahrradrampenhalle engagiert. Auch die FAU
(Freie Arbeiter_innen Union) hat bei uns endlich ein Zuhause gefunden. Des weiteren haben wir einen Umsonstladen, in dem es auch wöchentlich Nahrungsmittelspenden zu ergattern gibt. Was nicht
fehlen darf ist die Kreativwerkstatt mit großem Holzlager und allen Farben des Regenbogens.
Motte: Mit Authentica trifft sich in unseren Räumen auch eine queer-feministische Gruppe. Ein Themenfeld, das in Nürnberg bisher absolut nicht ausreichend bearbeitet wurde.
Außerdem ist natürlich Platz für Fahrradwerkstatt, Bibliothek, Jamsessions, Tanzgruppen (Breaker_innen) und Sportgruppen.
Hasch: Nicht zu vergessen ist der Außenbereich, in dem ein kleiner Selbstversorgungsgarten geplant ist. Und zu guter Letzt natürlich die AG-Antifaschismus und die Programm-AG,
die bereits jetzt als Teil des Projekts schon in anderen Locations mit kulturellen Projekten am Start sind.
Prinzipiell haben wir etliche Pläne, doch es ist immer genügend Raum für neue Ideen vorhanden.
Wie seit ihr intern organisiert? Wer darf bei euch mitmachen und wie werden Entscheidungen getroffen?
Hasch: Jede_r, die/der Bock hat kann sich am Projekt 31 beteiligen.
Es gibt verschiedenste Arbeitsgruppen (Finanzen und Vereinsgedöns, Presse und Öffentlichkeit, Bau und Instandhaltung, Antifa, Vokü, Gestaltung und Veranstaltung). Diese planen und gestalten den
Alltag im Haus.
Zur Koordination des Ganzen gibt es momentan einmal im Monat ein Gesamtplenum. Prinzipiell werden all unsere Entscheidungen im Konsens getroffen…
Sebi: … was manchmal sehr langwierig und mühselig sein kann wie zum Beispiel bei so wichtigen Entscheidungen wie den Namen unseres AZs. Grundsätzlich sind alle Menschen bei uns
willkommen. Meist sind es aber doch Jugendliche im Alter von 16 – 34 Jahren, die sich im Projekt engagieren. Es kam aber im Sommer auch schon vor, dass sich Menschen aus dem nahe gelegen Blinden
Zentrum zu uns in den Hof gesellt haben, zum Stricken und gemeinsamen Kochen.
Ihr möchtet einen neuen Freiraum schaffen. Was genau ist für euch ein Freiraum? Was sollte hier gegeben und möglich sein?
Sebi: Freiraum ist für mich das Ausleben von Selbstverwirklichung, aber auch Schutzraum vor der ganzen Scheiße, die da draußen in der Welt passiert.
Hasch: Einen Freiraum, der diesen Namen verdient zu schaffen, wäre wohl ein unrealistisches Ziel. Es gibt für mich keinen außerhalb des Kapitalismus und unserer Gesellschaft.
Unser Ziel sollte es sein, einen Raum zu schaffen, in dem so viele Menschen wie möglich sich wohl fühlen und mit so wenig Zwängen bzw. der alltäglichen Scheiße, halt diesem ganzen Wahnsinn
konfrontiert sind und sich stattdessen hier ausprobieren und selbst erleben können, dass auch andere Formen des Zusammenlebens möglich sind. Natürlich wäre es super, wenn sie sich dadurch selbst
emanzipieren können und wir mit unserem Beispiel ein Stück weit dem Rest der Gesellschaft zeigen, dass ein anders Leben möglich ist.
Motte: Klar kann ein „Freiraum“ in der heutigen Gesellschaft nie ganz frei sein, wir sind ja auch Teil davon und zahlen zum Beispiel Miete. Dennoch ist es unser Anliegen einen
Raum zu bieten, der so weit wie möglich frei ist von Sexismus, Rassismus, Homophobie, Nationalismus, Faschismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Speziezismus, Altersdiskriminierung, Lookism,
Transphobie und der ganzen anderen Scheiße. Freiraum bedeutet auch solidarisch miteinander zu sein und der um sich greifenden Vereinzelung entgegen zu wirken.
Wie wollt ihr die Verknüpfung von Gesellschaftskritik mit eurer Arbeit/ eurem Zentrum unterstützen können?
Motte: Alle Menschen haben die eben genannten Unterdrückungsmechanismen von Kindesbeinen an eingeimpft bekommen und diese gilt es eben gemeinsam abzubauen und für so etwas
sensibilisiert zu werden.
Wir wollen einen Raum bieten, jedwede Herrschaftsform zu hinterfragen und in einem solidarischen Alltag Alternativen zur jetzigen Gesellschaft zu entwickeln.
Hasch: Wir haben nicht geplant, uns in unseren ach so kuscheligen Freiraum zurück zu ziehen. Vielmehr müssen wir auch aktiv nach außen treten, wenn sich in Zukunft wirklich etwas
ändern soll und wir der Erfüllung unsere Ziele näher kommen möchten.
Sebi: Sobald wir endlich offen haben und der Bürokratischeiß aus dem Weg ist, versuchen wir alle emanzipatorischen Projekte in Nürnberg und darüber hinaus nach unseren
Möglichkeiten zu unterstützen und eigene Aktionen durch zu führen.
Ist euch noch etwas wichtig?
Sebi: Die Eröffnung des Projekts 31 kann natürlich nur der Anfang sein. Wir wollen noch mehr selbstbestimmte Freizeitgestaltung und Lebensformen hier in Nürnberg und Umgebung,
denkbar ist dabei ein Wagenplatz, große Wohnprojekte und ein soziales Zentrum.
Motte: Ja genau, aber erst mal müssen wir die jetzige Situation gemeinsam meistern. Daher, falls ihr die Möglichkeit habt, Soli-Shows zu machen oder anderweitig Gelder auf zu
treiben, tut das bitte, oder schaut einfach mal bei uns vorbei, um euch selbst ein Bild von unserem Haus zu machen.
Hasch: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, schafft ein, zwei, unendlich viele Autonome Zentren…
© Regula
Mehr Infos zum Projekt findet ihr unter: http://alternativekultur.wordpress.com/