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Projekt Schuldenberg

Das "Projekt Schuldenberg" ist 1993 (eröffnet im Januar 1994) als Freiraum für linke politische und kulturelle Aktivitäten bzw. Initiativen entstanden.
Zu den Gründungsinitiativen zählten maßgeblich Antifa-Gruppen aus der Region und die “unabhängige Frauengruppe Plauen”.
Aktuell bietet das Projekt Schuldenberg die verschiedensten Möglichkeiten sich einzubringen, vom sozialen Wohnen, über dem Treffen in der gemütlichen Kellerkneipe, den Reparaturarbeiten in und um die Werkstatt, den Proberäumen, in denen zur zeit 4 Bands proben, und natürlich das große “Wohnzimmer” als Veranstaltungsraum.

Infoladen
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Ist das Projekt Schuldenberg ein eingetragener Verein oder die Namensfindung für ein Wohnprojekt in Plauen?
Kristian: Der Name „Projekt Schuldenberg“ ist eigentlich nur ein Spitzname, dahinter steht der „Querdenker e.V.“ als Trägerverein. Dieser ist wiederum erst durch die Insolvenz des „Eine Welt e.V.“ im Jahr 2000 entstanden. Die Bezeichnung Projekt Schuldenberg rührt von der Geschichte und Entstehung des Hauses. Für den Kauf 1992/93 wurden Kredite benötigt, die sich auf einer Gesamtsumme von 236000 DM beliefen. Für diese Kredite mussten Privatpersonen Bürgschaften aufnehmen. Ich denke mal aus Selbstironie kam dann die Idee mit dem Namen.

 Das Haus gibt es ja seit 1993 und wurde über Kredite finanziert und legal erworben. Es gab also keine Hausbesetzung. Die politische Arbeit stand anfänglich im Vordergrund. Gab es überhaupt Öffentlichkeitsarbeit, wie wurde die praktisch umgesetzt und welche Repressionen fanden von Außen statt?
Kristian: Eine Hausbesetzung gab es schon, das war 1990, doch diese ist wie auch viele andere Besetzungen in Deutschland gescheitert. Aus dem Wunsch heraus einen eigenen Freiraum zu schaffen entschied man sich, wie du auch schon in deiner Frage geschrieben hast, das besagte Objekt über Kredite (zu unverschämten Zinssätzen) zu kaufen.
Öffentlichkeitsarbeit gab es anfänglich nur im Rahmen von Demos und Infoständen, mit Gründung des „Querdenker e.V.“ fand und findet nun eine gewisse „Öffnung“ nach außen statt. Mit einigen Veranstaltungen versuchen wir die breite Masse anzusprechen, indem wir zum Beispiel Lesungen, politisches Kabarett, Ausstellungen usw. im Malzhaus, im Theater (kleine Bühne) oder im Forum K abhalten. Repressionen von Seiten des Staates gab es glücklicherweise kaum. Das liegt wohl auch daran, dass das Haus im Besitz unseres Vereins steht und finanziell von keiner städtischen oder staatlichen Institution abhängig ist, es gibt also somit keine Handhabe gegen uns.

Wie bist du auf das Wohnprojekt aufmerksam geworden bzw. wie kam es zu deinem Wohnwechsel ins Haus?
Kristian: Ich kam 2000 nach Plauen um mein Abi nachzuholen, wollte also noch einmal die Schulbank drücken. Anfänglich schaute ich mich nach einer stinknormalen Mietwohnung um aber dieses ganze Wohnung anschauen, Vertrag durchlesen und finanzielle „Entblößen“ vor dem Vermieter ging mir irgendwann so dermaßen auf den Keks das ich nach zwei Wochen einfach in den Schuldenberg gegangen bin und nach einer Unterkunft gefragt habe. Zu diesem Zeitpunkt war aber zu meinem Unglück kein Zimmer frei, ich tat aber den Leuten wahrscheinlich so sehr Leid, das sie eine alte Rumpelkammer mit ungefähr 12qm unter dem Dachboden frei räumten, in die ich dann einzog. Mittlerweile bin ich eine Etage tiefer gerutscht, sprich: ich wohne jetzt in der 2.WG des Hauses.

Warum ist der gewonnene Freiraum für dich der ideale Lebensraum?
Kristian: Ich hatte in meinem Leben noch nie so viele persönliche Freiheiten wie hier nach meinem Einzug. Wenn man einmal zur Miete gewohnt hat, kennt man ja diverse Problematiken, wie zum Beispiel nervende Nachbarn, die lieber die Bullen rufen anstatt zu klingeln oder gleich einen Aufstand machen wenn die Hausordnung zwei Tage zu spät erledigt wird.
Man fühlt sich in einem Projekt wie diesem nie allein, kann aber trotzdem seine Ruhe haben wenn es einem danach ist. Alles was man hier macht hat Bestand, nützt mehreren und macht einfach Sinn.
Es ist schwer zu beschreiben warum es ideal ist, ich fühle mich vielleicht auch einfach nur wohl, das sollte auch der Hauptgrund sein, glaube ich.

Um einen Freiraum zu schaffen, bedarf es deiner Meinung nach viel...
Kristian: ...Motivation, Energie, Geduld und die Fähigkeit mit anderen zusammen zu arbeiten und zu leben.

Welche Bedingungen zum Wohnen und Nutzen waren bei deinem Einzug vorhanden und welche mussten erst neu geschaffen werden, um das Projekt aufrecht zu erhalten?
Kristian: Das Haus an sich war in einem guten Zustand zur Zeit meines Einzugs (Dach 1998 saniert, Gasheizung, Stromleitungen so gut wie neu, Telefonanschluss im Büro), es gab, wie jetzt auch noch, den kleinen Konzertraum, die Kellerkneipe, die Proberäume im Luftschutzkeller und die Werkstätten. Inzwischen ist noch ein kleiner Infoladen mit I-Net-Zugang und kleiner Bibliothek dazugekommen.
Das schwerwiegendste Problem nach meinem Einzug war eigentlich die Insolvenz des „Eine Welt e.V.“. Wir standen vor der Wahl für immer zuzusperren oder uns zusammen zu raufen und mit Gründung eines neuen Vereins irgendwie Geld aufzutreiben um die Hütte in der Versteigerung zu kaufen. Zu dieser Zeit kam es auch schon mal vor, dass wir nicht genug Geld hatten um die Gasrechnung zu bezahlen und somit einen Winter lang ohne Heizung und Heißwasser auskommen mussten.
Solche Probleme sind zum Glück Vergangenheit, wir konnten mittlerweile sogar die meisten Fenster und die Haustür erneuern. Dieses Jahr steht die Kneipe auf unserem Sanierungsplan.

Welche internen und externen Schwierigkeiten, Konflikte haben sich ergeben und wie werden diese gelöst?
Kristian: Intern gibt es manchmal Streit wie überall anders auch. Diese Streitereien werden entweder direkt untereinander geklärt oder, wenn es über persönlich Konflikte hinaus geht, im Plenum aus der Welt geschafft. Vorurteile und Gerüchte die um das Haus kursieren sind die externen Schwierigkeiten die wir zu bewältigen haben. Solchen Problemen kann man, wie oben schon erwähnt, nur mit Öffentlichkeitsarbeit entgegenwirken. Da müssen wir auch mehr tun, das steht außer Frage.

Wie sind die Strukturen im Haus? Wer ist für die Organisation und Durchführung zuständig (Plenum, Volxküche, Konzertgruppe, Infoladen etc.) und wie/wo bringst du dich da ein bzw. ist eine Beteiligung der BewohnerInnen Voraussetzung für das Projekt?
Kristian: Wir machen alle zwei Wochen Montags ein offenes Plenum, zu dem auch Nichtvereinsmitglieder/Innen und Leute von außerhalb kommen können. Im Plenum selbst werden eigentlich die größeren Sachen besprochen, wie z.B.: Baumaßnahmen, Demofahrten, Konzivorbereitungen, Kneipendienste, finanzielle Dinge (Mietaußenstände usw.) oder Hausverbote (zum Glück sehr selten). Bei der Vokü spricht man sich untereinander ab, weil das doch oft sehr kurzfristig ist mit dem Kochduell, es gibt mehrere Leute die sich abwechseln. Für die Planung von Konzerten trifft sich die Konzigruppe in unregelmäßigen Abständen. Die Zusammenkünfte machen wir über einen E-Mail-Verteiler aus. Bei den Treffen selbst hören wir uns die Bands an, versuchen freie Termine zu finden, wo möglichst viele Leute Zeit haben und machen eine grobe Aufgabenplanung. Der Infoladen ist nach Lust und Laune besetzt aber auf alle Fälle immer Freitags von 15-19 Uhr geöffnet. Für die Vereinsaufgaben ist der Vorstand verantwortlich, sprich, Buchführung, Finanzamt, Amtsgericht, Bank, usw. Ich selbst bin mit dem Karsten für das Kassenbuch und die Buchhaltung verantwortlich, den wöchentlichen Kneipeneinkauf und Großputz mach ich mit dem Frank zusammen, dann bin ich noch Miethai, koch ab und zu bei der Vokü, schmeiß mit dem Marcel zusammen am Donnerstag das Kino, mach gelegentlich Bardienst und bei Konzis steh ich auch noch rum. Eine Beteiligung an den Aufgaben ist keine Pflicht aber immer gern gesehen. Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden wie viel Zeit er in das Projekt stecken will bzw. stecken kann. Einige müssen ja auch schuften gehen (ich zum Glück nicht) und haben dementsprechend wenig Zeit.

Was zum Beispiel kann ich mir unter "soziales Wohnen" vorstellen?
Kristian: Soziales Wohnen bedeutet, dass wir z.B. keinen rauswerfen nur weil er finanzielle Probleme hat und die Miete erst zwei Monate später aufbringen kann. Das setzt natürlich auch Ehrlichkeit voraus. Zum anderen muss aufeinander Rücksicht genommen werden. Einige müssen zur Arbeit oder in die Schule, da kann man nun mal nicht nachts unter der Woche die Anlage aufreißen. Kurz gesagt, soziales Wohnen bedeutet miteinander wohnen und einander helfen.

Wie und von wem werden die einzelnen kulturellen, politischen Angebote im Haus angenommen?
Kristian: Die Angebote, wie Konzerte, Vokü und Trommeln, Donnerstags-Kino, das freitägliche „Antifakaffeekränzchen“ oder der Infoladen werden im Großen und Ganzen gut angenommen, manchmal könnte die Resonanz aber noch etwas besser sein. Prinzipiell nutzen aber alle Hausbewohner/Innen und viele aktive, alternative Leute die Angebote und bringen sich auch selbst ein. Man darf auch nicht vergessen das Plauen eine Kleinstadt ist.

Mit welchen Organisationen oder Personengruppen arbeitet das Projekt zusammen und arbeiten die Personen in den Bereichen Musik, Politik, Essen autark?
Kristian: Naja, autark gibt es bei uns eher nicht, weil wir zu wenig Leute sind. Im Grunde sind viele in allen Gruppen irgendwie tätig, sollte ja auch so sein. Das Projekt arbeitet mit der mobilen Jugendarbeit bzw. Teestube zusammen und vor einiger Zeit noch mit Amal (gibt es ja leider nicht mehr).

Gab es auch Überlegungen, bspw. einen alternativen Kinderladen zu installieren, um die Strukturen weiter zu öffnen und die Öffentlichkeit ans Haus zu binden oder ist das Ziel nicht gewünscht?
Kristian: Das Ziel mehr an die Öffentlichkeit zu gehen ist auf alle Fälle vorhanden.

Plauen ist die größte Stadt im Vogtland (Sachsen). Gibt es weitere subkulturelle Angebote in der Stadt? Auf der Homepage ist die alte Kaffeerösterei erwähnt...
Kristian: Die alte Kaffeerösterei ist eine etwas größere Lokation, in der wir auch manchmal Konzerte veranstalten. Dort sind einige von den Gründungsmitgliedern des Schuldenbergs noch aktiv. Dann gibt es noch das Malzhaus, was etwas kommerzieller funktioniert aber trotzdem sehr viele alternative Veranstaltungen anbietet. Erwähnenswert sind noch das „Forum K“, eine kleine Galerie mit regelmäßigen Ausstellungen, und die Substation, eine Ska-/ Reggaekneipe.

In Plauen ist die NPD aktiv. Wie schätzt du die Verbindung der Partei zu Freien Kräften, AN's in Plauen ein. Es gibt ja einen regelrechten Parteistreit und Austritte vieler Kameraden aus der Partei...
Kristian: Zum Glück haben sich die NPD und die freien Kräfte bei uns etwas in der Wolle, das scheint aber nur auf den ersten Blick so zu sein. In Mylau (gute 20ig Kilometer entfernt) steht die NPD mit den dortigen „Kameraden“ wiederum sehr eng in Verbindung. Der „Ragnarök“-Besitzer (nationaler Laden im Vogtland) ist ja selbst NPD Mitglied und sehr erfolgreich in der Partei. Man sollte solche Streitereien auch nicht als Schwäche der NPD sehen, sondern eher als die Stärke und Skrupellosigkeit der freien Kräfte.

Wie kann die antifaschistische Bündnisarbeit agieren und bei den Jugendlichen punkten? Denn sind es nicht gerade die Jugendlichen, SchülerInnen, bei denen antifaschistische Strukturen geschaffen werden müssen, um die Gefahr von RECHTS abzuwehren?
Kristian: Die Antifa sollte wieder mehr Zeit ins agieren stecken und nicht immer nur reagieren, wie du schon sagst. Ich finde solche Ideen und Aktionen, wie vom „Bon Courage e.V.“ aus Borna, beispielhaft. Aktionen, wie eine Info CD an Schulen zu verteilen oder wie die „Bornaer Kissenschlacht“ (Zitat: „Unter dem Motto „Raus aus den Federn – Geht wählen!“ wollten wir mit einer Kissenschlacht die Bornaer Bürgerinnen und Bürger zur Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte animieren.“) oder auch Gedenkstättenfahrten sollten im Vordergrund einer Antifaarbeit stehen. Ich finde Demos, Aufkleber und Plakate kleben auch wichtig doch kreative, bürgernahe Aktionen sind in meinen Augen effektiver.

Im Januar feierte das Projekt Schuldenberg das 15-jährige Bestehen...wie sahen die Feierlichkeiten aus?
Kristian: Am Freitag 16.1. starteten wir mit einem schönen HC-Konzi mit „Bury my Sins“ & „Thema Eleven“. Samstags fand ein Konzert mit „Leistungsgruppe Maulich“, „Woyzeck“ und „Anomalie“ statt, was eher in die Punkrockschiene ging. An beiden Tagen gab’s im Keller noch Trash-Disco und eine Cocktailbar mit meiner Wenigkeit. Eigentlich war noch ein Vortrag, „Nazistrukturen im Vogtland“, im Forum K geplant, der fiel aber leider aus. Es kamen an die 250 Menschlein an den zwei Tagen (für unsere Verhältnisse mehr als gut besucht) und ich denke dass es den Bands und den Besucher/Innen gefallen hat.

Neben der ganzen Arbeit im Haus spielst du ja noch Schlagzeug bei ABRISS WEST. Warum ist Punkmusik für dich das geeignete Mittel der Freizeitgestaltung?
Kristian: Das ist „mein Ventil“ mich kreativ auszulassen, es macht Spaß mit Anderen Musik zu machen und es ist für mich ein Weg meine Gedanken zu äußern und einzubringen. Außerdem kommt man mit einer Band in Gegenden die man noch nie zuvor gesehen hat und das noch relativ kostengünstig. Hehe.

Du bist ja eher zufällig in die Band gerutscht. Mittlerweile leben aber auch noch Leute von ABRISS WEST im Wohnprojekt. Ist das Zusammen leben und spielen ein kreativ wichtiger Faktor?
Kristian: Ja, auf alle Fälle. Da wir auch unsern Proberaum im Keller haben sind Ausreden wie „ich kann nicht kommen wegen dem Schnee“ ausgeschlossen.

 Kristian, danke für deine ausführlichen Antworten. Was wünscht du dir für das Projekt, die Band und für dich?
Kristian: Ein langes Bestehen bzw. Leben.
Toten Hosen: Geld, Gold und Glück!

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