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Querlenker

Lebst du noch oder parkst du schon?!

 

"Querlenker" nennt sich die Gruppe von "Künstlern, Pädagogen und Handwerkern", die seit Anfang Mai ihre bunten LKWs auf die Brachfläche hinter dem Güterbahnhof in Bremen gebracht hat. Es gibt in Bremen sehr viele ungenutzte Brach- und Grünflächen, die nutzbar gemacht werden können.

Von Anfang an war der Gruppe klar, dass sie das Gelände nicht dauerhaft illegal besetzen, sondern im Dialog legal nutzbar machen wollen. Es geht also weniger um die Konfrontation mit Behörde, Polizei und die Absicht, Freiräume zu besetzen, als mehr um die Möglichkeit, diese Freiräume legal zu nutzen. Das Ziel war und ist, die Vorstellung von Wohnen mit einem gültigen Pachtvertrag umzusetzen und konzeptionell mit Inhalten zu füllen.


Dieses Nutzungskonzept beinhaltet, dass "auf der Grundlage mobiler Lebens- und Arbeitsräume eine Kulturwerkstatt entsteht".
Die WagenburgerInnen nahmen Kontakt mit der staatlichen Wirtschaftsförderung Bremen GmbH (WFB) auf, die das Grundstück verwaltet und zugleich Verhandlungspartner ist. Die WagenburgerInnen haben ein "Zwischennutzungskonzept" vorgelegt, die WFB signalisierte konstruktive Verhandlungsgespräche. Doch die politischen Parteien wie die CDU zeigten Unverständnis: Der Senat lasse sich von ihr "auf der Nase herumtanzen," sagte der innenpolitische Sprecher Wilhelm Hinners. Es könne nicht angehen, dass "nach der unerlaubten Besetzung" ein Pachtvertrag verhandelt werde. Zudem sei es "naiv zu glauben, dass sich die Besetzer an einen zeitlich befristeten Vertrag halten" und sich die Fläche danach noch "attraktiv vermarkten lässt", so Hinners. Er schloss mit der Aufforderung, "weder die rechte noch die linke Szene zu dulden."
Bis zur "Freiraumparkung" durch die WagenburgerInnen hatte sich niemand für das Gelände interessiert. Und wie bei den politischen Taktiken üblich, werden Gebäude und Freiräume erst nach einer Besetzung auf ein wirtschaftliches Nutzungskonzept hin überprüft, mit der Absicht, Menschen aus der "illegalen" Nutzung heraus zu knüppeln und zwangszuräumen. Fadenscheinige Argumente werden in Windeseile zusammen gebastelt, um nicht zu dulden, was nicht in ein bürgerliches Wohn-, Nutzungskonzept passt. Aus polizeilicher Sicht sei zu befürchten, dass "die Wagenburg zu einem überregionalen Anlaufpunkt für die linksorientierte Szenen wird." Es bestehe die Gefahr einer "Verfestigung eines rechts- und polizeifreien Raums" schrieb der Innensenator U. Mäurer (SPD) an den Wirtschaftssenator R. Nagel, der für dieses Ressort politisch mitverantwortlich ist. Die Gefahr von "derzeit noch nicht absehbaren Störaktionen" solle "nicht unterschätzt werden. Kurzum: "Um die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung so gering wie möglich zu halten", sei eine Zwischennutzung des Geländes durch die "Querlenker", wie sich die Wagenburg nennt, "nicht zu befürworten." Mit anderen Worten: Räumen, damit ja niemand auf die Idee kommt, dass das Wohnmodell "Freiraum-Parking" Schule macht und sich als alternative Wohnform durchsetzt. Bauwagenleben contra Betonpolitik.
Nachdem die Querlenker einen Verein gegründet haben, galt es, die Gespräche mit der WFB aufzunehmen , um eine langfristige Lösung auszuhandeln. Als Kompromiss hätte der Verein sogar einen Zwischennutzungsvertrag akzeptiert.


UNDERDOG sprach mit "Querlenker" Jan, der die politische Argumentation von Innensenator und CDU nicht nachvollziehen kann.

Warum ist für dich das Leben in einer Wagenburg die bessere Wohn-/Lebensalternative?
Für mich ist es die spürbare Freiheit die ich habe, dort zu wohnen wo ich parke. Ich bin näher an Natur und Umwelt, spüre Sommer und Winter viel intensiver. Wenn ich unterwegs bin kann ich alles mitnehmen was ich will, muss keinen Rucksack packen sondern nehme mein Zuhause einfach mit. Es ist diese Improvisation, die mensch auch manchmal hat. Eine Wagenburg ist dann nichts anderes als eine WG, nur mit mehreren Zimmern und trotzdem kann mensch sich komplett zurückziehen, da jedeR auch ein(e) eigene(s) Wohnzimmer/Küche hat. Wir ergänzen uns alle mit unseren Fähigkeiten und es ist sehr familiär.

Ist die Wagenburg für dich eine "kreative Kommune" oder die politische Forderung nach freiem Wohnrecht für ALLE? Mit welcher Zielsetzung wurde die Wagenburg initiiert?
In erster Linie suchten wir einen Wohnraum. Wir sind eine Gruppe die sich seit 2 Jahren getroffen hat um ein solches Projekt zu planen, da wir alle auf der Straße gewohnt haben. Aber natürlich stand "wohnen" nicht nur im Vordergrund, sondern auch der Grund, einen Freiraum zu schaffen, die Möglichkeit zu haben, Menschen eine Lokalität anzubieten, wo Platz ist für Workshops, Projekte & Co, eine Art Kulturwerkstatt aufbauen.
Die politische Forderung das alternatives Leben für alle möglich sein sollte ist selbstverständlich, es müsste viel mehr Wagenplätze geben.

Wann und mit wie vielen Lastern ist die Wagenburg besetzt worden?
Die Wagenburg wurde am 6.5. mit 5-6 Lastern besetzt.

Welche Voraussetzungen waren für die Freiraumnutzung erforderlich und war diese eine Nacht- und Nebel- oder von langer Hand geplante Aktion?
Die Besetzung war nicht geplant, es war eher ein spontanes Abparken auf dem Grundstück, niemand hat damit gerechnet, dass es so gelaufen ist wie es nun läuft.
Wir fallen in Bremen ins Wohnwagengesetz, dementsprechend gibt es ein paar Voraussetzungen, die uns die Stadt vorschreibt, z.b. Ver- und Entsorgung.

Wer ist Grundstückseigentümer und mit wem habt ihr Gespräche geführt? Musstet ihr ein Wohnkonzept erarbeiten und vorlegen? Gibt es mittlerweile einen gültigen Pachtvertrag?
Der Besitzer ist die Stadt Bremen, verwaltet wird das Gelände jedoch von der WFB (Wirtschaftsförderung Bremen, ehemals BIG). Verhandelt wurde also mit der WFB. Wir hatten in den 2 Jahren schon ein Konzept ausgearbeitet, was wir mit einem Grundstück vorhaben, wir mussten es nur ein wenig anpassen, da wir hier keine Räumlichkeiten haben wie z.B. eine Halle.
Ein Pachtvertrag liegt uns schon vor, es gibt noch einige wenige zu ändernden Punkte und warten noch auf die Genehmigung vom Stadtamt. (Anmerkung: liegt mittlerweile vor)

Welche Probleme mussten anfänglich bewältigt werden, um euch so einzurichten wie ihr es euch vorgestellt habt?
Am Anfang war das Thema einrichten noch nicht so Thema, da wir nicht wussten, ob wir bleiben durften. Die WFB hat sich erst 1 Monat nach unserer Forderung nach einem Gespräch gemeldet. Es ging also erstmal darum, Konzepte an Politiker zu verteilen und Pressearbeit zu leisten und unser Projekt vorzustellen.

Sind bislang Schikanen/Repressionen spürbar? Wie reagieren die politischen Parteien auf euer Projekt?
Es ist halt eine Besetzung gewesen, die zwar vom Besitzer geduldet wurde, jedoch gab es natürlich mehr Aufmerksamkeit durch die Polizei als üblich. Das ist nun aber auch stark abgeschwächt. Natürlich gibt es Politiker die denken, eine Politik wie im Mittelalter wäre sinnvoller, in einer so offenen Kulturstadt wie Bremen. Da merkt mensch gleich wieder wie weit entfernt diese Parteien von "ihrer" Stadt sind.

Warum war die Vereinsgründung ein notwendiger Schritt?
Ein Verein musste gegründet werden, damit dieser das Gelände pachten kann. So verteilt sich die Haftbarkeit&Verantwortung auf den Verein und nicht auf eine einzelne Person.

Gibt es einen gemeinsamen sozialen Background und nach welchen Kriterien werden neue BewohnerInnen aufgenommen?
Nein, den gibt es nicht und den wird es auch nicht geben. Unser Wagenplatz ist offen für jeden. Gerade das war uns wichtig: einen Ort zu schaffen, wo Alter, soziale Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht keine Kriterien sind. Theoretisch kann jedeR hier wohnen, jedoch sind wir eine bestehende Gruppe, und es muss sich jedeR mit der Entscheidung über einen neuen MitbewohnerIn wohl fühlen.

Welche Konflikte ergeben sich innerhalb des Lebens in der Wagenburg?
JedeR muss sich bewusst werden, dass wir eine Gruppe sind und gewisse Entscheidungen auch besprochen werden müssen. Da wir -wie beschrieben- eine Gruppe schon vorher waren und seit der Besetzung nur einige Leute dazugezogen sind, sind wir eine sehr harmonische Gruppe, da wir uns teilweise schon lange kennen. Das soll auch weiterhin so verfolgt werden.

Ist ein mobiler, funktionstüchtiger LKW besser, um bei "Gefahr im Verzuge" reisebereit zu bleiben oder sind die Laster "nur" noch fester Wohnsitz?
So gut wie jeder Wohnsitz hier ist "reisebereit". Jedoch gibt es keinen Grund bei "Gefahr im Verzug" wegzufahren. Es ist also weder besser noch schlechter.

Ist es prinzipiell so, dass mensch seinen Laster ordnungsgemäß angemeldet haben muss und offiziell gar nicht in seinem Laster wohnen, sondern diesen nur parken darf?
Dies verhält sich von Bundesland zu Bundesland verschieden. In Bremen gibt es ein Gesetz welches das Wohnen ermöglicht.
Da wir das Gelände gepachtet haben, ist es unsere Entscheidung was hier rumsteht, es ist kein öffentlicher Grund mehr und somit muss kein Laster angemeldet sein.

Wie funktioniert die Frisch-/Ab-Wasser-, Stromversorgung? Hat jeder Laster einen Ofeneinbau?
Frisch-/Abwasser wird über Kanister geregelt. Teilweise haben die Fahrzeuge größere Tanks, manche nur Kanister. Strom wird über Solarzellen abgedeckt.
Die meisten haben einen Holzofen.

Kontakt:
Querlenker e.V.
Beim Handelsmuseum 9
28195 Bremen

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