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Rote Flora

Seit Mitte 2012 spitzt sich die Situation um die besetzte Rote Flora zu. Die durch den formalen Eigentümer des Gebäudes Klausmartin Kretschmer seit 2009 immer wieder gestreuten Gerüchte um einen Verkauf und die Absicht, die Besetzung des Gebäudes zu beenden, haben konkrete Gestalt bekommen. Im August trat das Projekt daher mit einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit und informierte über Pläne, nach denen Geldgeber rund um den Hamburger Immobilieninvestor Gert Baer die Flora einer kommerziellen Nutzung zuführen wollen und damit die Besetzung beenden wollen.

Trotz immer wieder mal auftauchender interner Kontroversen und aller Widersprüche zwischen dem Anspruch als unkommerzieller, herrschaftsfreier Raum und der Wirklichkeit existiert die Rote Flora als besetztes Projekt beharrlich weiter und es ist in letzter Zeit verstärkt gelungen, als Ausgangs- und Kristallisationspunkt von politischer Bewegung in Stadt und Stadtteil wieder mehr Außenwirkung zu entwickeln.
Angesichts seiner prekären Finanzlage versuchte Kretschmer deshalb seit 2009, im Hinblick auf das baldige Auslaufen des Kaufvertrags einen Verkauf der Roten Flora öffentlich ins Gespräch zu bringen. Einerseits stets auf der Suche nach externen Geldgebern, versuchte er andererseits bereits mit diesen Plänen, die Stadt erpresserisch zu einem Rückkauf zu bewegen. Diese Strategie ist komplett gescheitert: Der Kaufpreis von fünf Millionen erwies sich als zu hoch gepokert; die Stadt brach die Verhandlungen ab. Verstärkte Aktionstätigkeit und Solidarität zum Auslaufen der Verträge 2011 auch über die autonome Szene hinaus machte klar, dass eine Räumung nicht ohne massiven Widerstand zu haben ist.
Im Oktober 2013 beantragte Kretschmer ein Privatnutzungsrecht beim Bezirksamt Altona.
Im Dezember 2013 hat Kretschmer die Nutzer*innen des linksalternativen Kulturzentrums aufgefordert, das Gebäude im Hamburger Schanzenviertel noch vor Weihnachten zu räumen. “Die Zeit der Duldung der Besetzung meines Eigentums (…) ist ab sofort zu Ende, und ich muss Sie bitten und dringend auffordern, mein Eigentum (…) sofort zu räumen“, heißt es in einem dreiseitigen Schreiben Kretschmers an die Rote-Flora-Aktivist*innen. Sollte dies nicht bis zum 20. Dezember geschehen sein, “werde ich die zuständigen Hamburger Behörden und Gerichte bitten und auffordern, mein Eigentum zu gegebener Zeit räumen zu lassen“, heißt es dort weiter.
Kretschmer ist davon überzeugt, dass er am Ende seinen Neubau bekommen. Doch spätestens im Januar 2014 wären diese Pläne vom Tisch, da ein neuer Bebauungsplan in Kraft treten und es weder einen Abriss noch ein Umbau geben wird.
Die Florist*innen zeigten sich von den Aktivitäten Kretschmers und Baers nicht überrascht. “Die Kaufleute versuchen weiterhin, ihre Spekulationsgewinne ins Trockene zu bringen.”
Und mit Blick auf das Ultimatum erklärten sie schlicht: “Wir begrüßen Gert Baers konstruktive Mithilfe für die Mobilisierung zur Demonstration am 21.12.2013, ziehen es aber vor, so weiter zu machen wie bisher.

Aufgrund aktueller Spekulationen seitens des Immobilieninvestors Gert Baer, die Flora einer kommerziellen Nutzung zuführen zu wollen, wäre die Besetzungsgeschichte der Rote(n) Flora beendet. Betrachtet mensch die schlechte finanzielle und wirtschaftliche Situation des Eigentümers, ist die Entwicklung durchaus vorhersehbar gewesen. Bist du dennoch überrascht, gar überrumpelt von dieser Ankündigung oder haben sich die Nutzer*innen auf das offiziell unbestätigte Nutzungsrecht zwischen Stadt und Rote Flora zu lange sicher gefühlt?
Lotta(weiterhin L.): Richtig überrascht hat es uns eigentlich nicht. Denn der besetzte Status Quo der Flora ist nun mal ein unsicherer. So schwingt eine latente Bedrohung die ganze Zeit mit. Im Zuge der Entwicklung des Viertels in den letzten Jahren, ist es fast schon ein Wunder so lange schon zu bestehen. Kretschmer und Baer haben uns nun allerdings offen den Krieg erklärt. Wir denken es ist die beste Antwort widerständig zu bleiben und weiterzumachen, wie bisher.
Klaus: Wir haben uns nie Illusionen über Kretschmers Motivation als Immobillieninvestor gemacht. Profit, was sonst, vielleicht mit einem anthroposophischen Eso- Anstrich, also in etwa wie die Grünen. Der Senat hat ihm 2011 das Haus für eher symbolische 370.000 € verkauft und einige Auflagen in den Kaufvertrag eingeschrieben. Für 10 Jahre hatte die Stadt Vorkaufsrecht. Seit das nicht mehr der Fall ist, hat Kretschmer versucht das Grundstück auf den Markt zu werfen. Seitdem gibt es Gehassel zwischen der Lokalpolitik und dem Herrn Investor. Uns ist das im Endeffekt aber scheißegal. Autonome Zentren wie die Rote Flora werden nicht erkuschelt, sondern erkämpft. Wir fahren ja auch seit es erste Anzeichen für eine erneute Gefährdung gibt Kampagne. Die erste runde gab es schon im Vorfeld des Auslaufens der Vergtragsbindung 2011 und wir waren ja auch diejenigen die schon im Juni auf den neuen Akteur mittels einer Pressekonferenz aufmerksam gemacht haben. Da wurde noch alles dementiert aber inzwischen liegt es ja klar zu Tage. Kretschmer ist pleite, Gert Baer hat ihm mit 5 Millionen € den Arsch gerettet und die will er jetzt mit maximaler Rendite realisieren. Und deswegen führt er diese Angriffe aufs Projekt Rote Flora durch. Seien es seine “ambitionierten” Pläne für ein echtes Stadtteilkulturzentrum mit sechs Stockwerken, Kita, Konzerthalle mit 2000 Plätzen, Alten und Jugendtreff sowie mehrgeschossiger Tiefgarage mit 300 Stellplätzen auch für Anwohner, oder sein Versuch bei uns auftretende Bands mit Hausfriedensbruchanzeigen zu überziehen. In der betreffenden Pressemitteilung bezeichnet er FETTES BROT lustigerweise durchgängig als FETTIGES BROT.

 

Mit welchen politischen, juristischen Schwierigkeiten haben die Nutzer*innen der Rote(n) Flora aktuell zu kämpfen?
Klaus: Die Rote Flora verfügt über keinerlei legalen Rechtstitel. Allein aus der mittlerweile 24 jährigen Nutzung leitet sich ein gewisses Gewohnheitsrecht ab. Unsere Anwälte gehen davon aus, das wir erst einmal herausgeklagt werden müssten. Die aktuellen Massnahmen der Politik könnten den Eindruck erwecken wir stünden quasi unter Artenschutz. Das ist aber nur eine verkürzte Momentaufnahme: die Politik versucht gerade den schwarzen Peter bei Kretschmer und Baer zu halten. In Zeiten eskalierender Mieten, Wohnungsmangels und der fast vollständigen Privatisierung des öffentlichen Raums gibt es derzeit keine Populismus-Competitions mit einer Flora Räumung zu gewinnen. Wenn die öffentliche Meinung wieder Richtung law and order schwenkt kann das schnell ganz anders aussehen und die Auflagen im Bebauungsplan auch wieder gestrichen werden.

 

Welche konkreten Maßnahmen zum Erhalt der Flora stehen auf der Agenda, um die „autonome Realitäten“ zu erhalten? Welche Kompromisse sind denkbar?
L: Es wird am 21.12. eine Grossdemonstration zum Erhalt der Flora geben. Gleichzeitig soll die Flora kein Selbstzweck als eine Art Artefakt der autonomen Bewegung darstellen, sondern die Philosophie des Projekts ist die Einmischung in politische und soziale Kämpfe, die sich in der Stadt abspielen. So ist die Demo gleichzeitig eine für das uneingeschränkte Bleiberecht von Flüchtlingen und auch eine für den Erhalt der Esso-Häuser in St-Pauli.
Weiterhin arbeiten wir durch Kampagnen-Arbeit an der Verbreiterung des politischen Unterstützer_innen-Kreises.
Mit diesen Verhältnissen ist kein Kompromiss zu machen. Deswegen machen wir auch keine.
Klaus: Wir sehen nicht das wir irgendwelche Kompromisse machen müssten oder sollten. Wir streben keine kleine Teilprivatisierung für die Rote Flora an, denn das würde für uns der Kauf des Gebäudes (sei es zu einem symbolischen Preis oder als Genossenschaftslösung) bedeuten. Das bedeutet nicht, das wir es falsch finden, wenn anderswo Genoss_innen das unter anderen Bedingungen anders handhaben. Wir können auf eine 24 jährige Praxis mit unserem Konzept zurück blicken. Unsere einzige Forderung besteht darin das die Rote Flora aus dem Grundbuch gestrichen wird- Sie ein weißer Fleck in der kapitalistischen Eigentumsordnung wird.

 

Welche Auswirkungen hätte eine Räumung auf die autonome Struktur in Hamburg?
L: Das ist eine merkwürdige Frage. Denn wie der Name schon sagt, es ist eine autonome politische Struktur und die ist nicht zwingend an einen bestimmten Ort geknüpft. Natürlich wäre eine Räumung fatal und wir werden alles uns mögliche tun, um sie zu verhindern. Dennoch wird sie nicht die autonome Struktur in Hamburg zerschlagen, sondern sich an anderen Orten wieder sammeln, um eine evt. Wiederbesetzung zu vollziehen.
Klaus: Eine Räumung wäre natürlich ein harter Schlag aber davon würde die Welt nicht untergehen. Die Autonome Szene in Hamburg verfügt durchaus noch über weitere Infrastruktur. Wir sind fest entschlossen diesen Kampf aufzunehmen und eine Räumung zu verhindern.

 

Umstrukturierung und Gentrifizierung macht auch vorm Schanzenviertel nicht Halt. Welche Chance bietet sich dadurch für eine breite Protestbewegung, stadtpolitische Entscheidungen nicht mehr hinzunehmen, welche möglichen Bündnisse können diesen Protest stärken?
L: Also, das Schanzenviertel ist ein Paradebeispiel für Gentrifizierung und das fast schon über Jahrzehnte. Umstrukturierung ist so gesehen ein alter Hut. Stadtpolitische Entscheidungen wurden ja damals in den Achtzigern schon nicht hingenommen, als aus der jetzigen Flora ein Musical-Theater entstehen sollte. Dadurch ist ja die Flora in ihrer jetzigen Form erst entstanden.
Über die Auffassung davon mit wem mensch Bündnisse eingeht, herrscht kein eindeutiger Konsens. Wichtig ist es, dass die Bündnis-Partner_innen nicht in einer institutionellen Funktion, sprich Parteien fungieren.
Klaus: Objektiv betrachtet ist die Umstrukturierung im Schanzenviertel quasi abgeschlossen. Die aktuellen Kämpfe spielen sich eher auf St Pauli (Esso-Hochhäuser) oder in Wilhelmsburg ab. Die Zuspitzung auf dem gesamten Wohnungsmarkt in Hamburg schafft eine Interessante Situation. Auch Bezieher_innen durchaus akzeptabler Einkommen haben massive Schwierigkeiten eine Wohnung zu vernünftigen Konditionen zu finden. Von den armen Teilen der Bevölkerung ganz zu schweigen. Dadurch ist die Recht auf Stadt Bewegung in Hamburg zur Zeit recht stark. Die Rote Flora ist in diesem Bündnis nur ein Akteur unter vielen, aber wir begleiten die Proteste von Anfang an solidarisch und mit unseren Mitteln und Möglichkeiten.

 

Im Zuge der Gentrifizierung steht die Flora aber auch für ein kreativer Standortfaktor, ein Kulturgut, die das Bedürfnis nach radikaler Veränderung irritieren. Wie schwierig ist es, den politischen Blickwinkel trotz der Widersprüche nicht zu verlieren?
L: Es ist eigentlich gar nicht so schwierig die inhaltlichen und politischen Werte aufrechtzuerhalten, da auf der anderen Straßenseite das krasse Gegenteil abgebildet wird. Immer, wenn wir im Zweifel sind, kann mensch dort rüberschauen und sich denken: So, nicht! Im Ernst, natürlich zieht die Kreativwirtschaft ihren Nutzen aus der Flora und auch derzeitige Stadtentwicklungskonzepte finden nun auch, dass es so was wie die Flora geben muss. Dennoch lassen wir uns nicht vereinnahmen, sondern sind nach wie vor präsent, wenn es gegen bestimmte Grundprinzipien einer emanzipierten Gesellschaft geht.
Klaus: Gerade die Fähigkeit Widersprüche zu erkennen, zeichnet eine progressive politische Perspektive aus. Die Ambivalenz, das die Flora gerade wegen der sinnvollen und schönen Dinge, die von ihr ausgehen, teilweise als weicher Standortfaktor gesehen wird, können wir nicht komplett auflösen. Durch unseren politischen Erklärungen und Interventionen versuchen wir diese Problematik aufzugreifen.

 

Welchen zentralen Ansatz verfolgt das politische Flora-Konzept im Hinblick auf die städtepolitische Entwicklung?
L: Die bestehende Gesellschaftsordnung herauszufordern und zu stören!
Klaus: Die Rote Flora kämpft gegen die Verwertungslogik der kapitalistischen Stadt. Angefangen von der Gründung, aus dem Protest gegen die Musicalpläne Robert Kurzs, aktive Intervention in eine verfehlte repressive Politik gegen Drogennutzer_innen inklusive rassistischer Dealerhetze Ende der 90er. Die SPD hat damals unter Innensenator Olaf Scholz Brechmittelfolter für vermeintliche Dealer eingeführt. Praktisch für den populistischen Wahnsinn war, das diese menschenverachtende Praxis sich vor allem gegen Menschen, die nicht ins das gängige Bild des Biodeutschen passen, richtete. Achidi John(1) ist 2001 bei dieser Behandlung elendig verreckt und Olaf Scholz ist dafür verantwortlich!
Aber mal zum Kern der Frage: die Häuser denen die sie nutzen, keine Privatisierung öffentlichen Raumes und Schluss mit der Vetreibungspolitik gegen unerwünschte Randgruppen.

 

Welche zentralen hierzu Fragen müssen aufgegriffen, gebündelt werden und welche Begrifflichkeiten müssen auch in der Öffentlichkeit erklärt werden?
Klaus: Autonome Politik ist kein Soziologie-Seminar. Wichtig ist in jedem Falle das man sich seine Illusionen über den Kapitalismus aus dem Kopf schlägt. Um das mal andersherum als üblich zu formulieren: die Verhältnisse werden sich nicht bessern, wenn es nur nette Investoren, sozial verantwortliche Unternehmer oder nachhaltig agierende Wohnungsbauunternehmen gäbe. Die Probleme liegen abstrakt, aber unmittelbar für uns alle spürbar, in der unmittelbaren Grundordnung des Kapitalismus. Deswegen haben wir nie an den netten Kulturinvestor Kretschmer geglaubt. Am Ende bleiben nur Mehrwert und Kapitalrendite und spätestens jetzt, wo sein Arsch auf Grundeis geht, will er uns ans Leder, beziehungsweise er hat den wesentlich skrupelloseren Kettenhund Gert Baer auf uns losgelassen. Die Flora sieht sich aber als Teil der gesamten Kämpfe um Teilhabe in der Stadt und strebt deswegen auch nicht den kleinen Frieden mit einem wohlhabenderen Mäzen oder einer Teilprivatisierung nur für uns an.

 

Kretschmer hegt in einem ZEIT online-Interview (2) grundsätzlich Sympathien für „sein“ Haus und vergleicht es schwärmerisch-philosophisch mit „Gegen-Orte für Ideen“, beklagt aber die mangelnde Öffnung, »damit auch die Anwohner ihre Ideen hätten einbringen können«. Diese Kritik bezieht sich auch auf den internen Plenumstreit der Nutzer*innen, Konzept und inhaltliche Ausrichtung transparent und öffentlich zu machen. Warum diese Abschottung?
L: Wir sind nicht abgeschottet.Wer unsere Webseite z.B. aufmerksam liest, sieht dass wir sehr offen mit politischen Problemen und szene-internen Konflikten umgehen und schon öfters Diskussionspapiere, sowie klare Positionierungen herausgeben.Jede kann sich hier einbringen. Ein solidarischer Umgang miteinander und Wahrung des unkommerziellen Ansatz des Projektes sind die Grundpfeiler, auf denen wir die Rote Flora bespielen.
Klaus: Diese Abschottung gibt es nur in den Köpfen der Menschen, die nicht verstehen was wir machen. Warum sollten wir mit irgendeinem dahergelaufenen Typen den wir uns nicht ausgesucht haben diskutieren? Er meint er hätte die Rote Flora gekauft. Sehen wir anders!
Natürlich ist die basisdemokratische Organisation über ein Hausplenum eine manchmal Nervenaufreibende Angelegenheit. Das weiss wohl jede die sich mal in irgendeinem Autonomen Zentrum oder Hausprojekt engagiert hat. Dennoch hat sich die Organisationsform über ein wöchentliches Hausplenum der im Projekt vertretenen Gruppen bewährt. Es hat eher praktische Gründe das dieses Plenum nicht durchgehen öffentlich ist. Um einen abgeschotteten Raum handelt es sich aber nicht. Besucherinnen haben die Möglichkeit Anfragen zu stellen, viele neue Gruppen sind so ins Haus gekommen. Einfach mal vorbeikommen, erklären was man vorhat und dann werden sich alle Mühe gegeben das auch umzusetzen. Da Klausmartin Kretschmer kein Nutzer des Hauses ist, hat er auf dem Plenum auch nichts verloren. Und das er ein besonders enges Verhältnis zu irgendwelchen Anwohner_innen hätte ist uns auch nicht bekannt.
Ein beliebter Vorwurf ist, dass das Plenum zuviele Erklärungen verfassen würde und sich am liebsten damit beschäftigen würde seitenweise Text zu produzieren. Auf unserer Homepage kann man alle Erklärungen der letzten Jahre finden und von Zeit zu Zeit werden auch Wurfschriften in die Briefkästen des Viertels verteilt, um auch die passiven direkten Anwohner_innen zu erreichen. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Tage der offenen Tür mit öffentlichen Führungen für alle Interessierten, sowie Gruppenführungen auf Anfrage.

 

Kapitalismuskritik ist Teil der politischen Idee hinter der Besetzung. Dennoch gab es in den letzten Jahren zahlreiche Techno-Veranstaltungen, Großdiscos, die kommerziell erfolgreich waren und Geld reinbringen. Ist die politische Widerstandskultur in der Flora an wirtschaftliche Interessen gescheitert?
L: Sorry, blöde Frage. Ja, diese Veranstaltungen bringen vielleicht Geld ein, was auch oftmals nicht der Fall ist, weil die Ausrichtung der Veranstaltung mehr gekostet hat als letztendlich an dem Abend an Spenden eingenommen wurde. Falls es andersherum der Fall ist, der Überschuss geht als Spende an Prozesskosten und die Finanzierung verschiedener politischer Projekte. Hier verdient keiner was und wird auch für seine Arbeit nicht bezahlt. Auch die Künstler_innen bekommen keine feste Gage, sondern lediglich ihre Fahrtkosten erstattet, sowie wenn notwendig Kost und Logis.
Klaus: Was hast du gegen Techno? In der Flora wird die Musik gespielt auf die die Veranstaltenden Gruppen Bock haben. Das ist dann eben häufiger auch mal Techno. Oder Reggae, Drum and Bass, 80er 90er Trash, Punk und NDW oder Lateinamerikanische Musik von Cumbia bis Salsa. Über den politischen Ausdruck der Veranstaltung ist unserer Meinung mit der Musik noch nichts gesagt. Viel entscheidender ist dann schon was der Soli-Grund ist. Und für große Kampagnen wie “Mietenwahnsinn Stoppen” oder für die Mobilisierung für den Naziaufmarsch am 2. Juni 2011 braucht es große Partys. Dumm wäre es da doch wohl eher wenn man nur plus minus null aus der Veranstaltung rausgeht oder sogar noch draufzahlt. Es gibt sehr vielfältige Veranstaltungen. Harsh Noise Konzerte mit sieben Besucher_innen werden halt weniger Wahrgenommen als die von dir erwähnten Großveranstaltungen. Im Programm überwiegen aber deutlich die Veranstaltungen die deutlich weniger als 100 Personen erreichen und das ist auch in Ordnung.
Worin genau die Flora gescheitert sein soll müsstest du dann noch mal klarer umreißen.

 

Interne Konflikte in der Flora haben immer wieder dazu geführt, dass sich viele Leute aus Orgagruppen zurückgezogen haben. Haben sich bestimmte politische Strömungen durchgesetzt und haben diese mittlerweile die Entscheidungshoheit?
L: Das würde ich so nicht behaupten. Im Gegenteil, wir sind uns selber treu geblieben. Die einen finden uns zu sehr dies, die anderen wiederum zu sehr das. Mit dieser nicht definierbaren Position sind wir sehr zufrieden und haben damit alles richtig gemacht. Und wenn die Frage in Richtung Antideutsch versus Antiimperialisten zielen soll, so muss man feststellen, dass Vertreter_innen beider Seiten der Meinung sind es hätte sich das jeweils andere Lager durchgesetzt. Viel mehr ist aber richtig, dass aus beiden Strömungen Veranstaltungen in der Flora stattfinden. Und zwar von den Menschen, die sich nicht in einem dümmlichen Lagerdenken verrannt haben, sondern in der Lage sind konstruktiv mit unterschiedlichen Positionen umzugehen. Auf Leute die, die Vernichtung Israels fordern oder jeden Antikapitalismus mit Antisemitismus gleichsetzen haben wir keinen Bock.
Klaus: Die Rote Flora ist ein sehr großes und heterogenes Projekt. In dem Nutzer_innenkreis bilden sich selbstverständlich jeweils auch Konflikte ab die die gesamte antiautoritäre Linke zur jeweiligen Zeit führt. Wenn man von einer Entscheidungshoheit reden möchte dann kann man vielleicht feststellen das sich in den letzten Konflikten die Gruppen durchgesetzt haben die für die Definitionsmacht von sexualisierter Gewalt betroffener eintritt, sowie die Ablehnung von Gewalt in innerlinken Konflikten.

 

Wären eigenständige Arbeitsgruppen sinnvoll, die Flexibilität und Handlungskompetenzen und Struktur zu stärken? Was spräche dagegen?
L: Die gibt es doch schon bzw. die gesamte Projektstruktur ist so aufgebaut. Viele Gruppen, die das Haus nutzen machen ihr eigenes Ding. Das Plenum ist lediglich dazu da, damit sich die einzelnen Gruppen austauschen können und um das Haus als solches zu erhalten, sowie einen gemeinsamen Konsens zu finden, der als Position nach Außen getragen werden kann. Das dieser nur der kleinste gemeinsame Nenner sein kann, ist klar.
Du wirst in anderen politischen Organisationen oder Parteien auch nicht immer eine einhellige Meinung zu den gegenwärtigen Positionen finden.

 

Zwangsräumungen nicht nur besetzter Häuser nehmen zu. Seit geraumer Zeit finden in fast allen europäischen massive Proteste gegen steigende Mieten, Zwangsräumungen und Finanzmarktspekulation mit Häusern statt. Wie kann der Protest letztendlich zu einem Erfolg führen?
L: Utopisch gesprochen: Eine Entkriminalisierung von Häuserbesetzungen, eine Veränderung im öffentlichen Denken über städtischen und privaten Besitz und generell die Abschaffung des Kapitalismus im Ganzen!
Es kommt ja darauf an, was als Erfolgskriterium gesetzt wird. Beispiel Zwangsräumung: Geht es darum, wohnen bleiben zu dürfen und weiter (horrende) Miete zu zahlen? Oder lässt sich hier eine Kritik an gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen formulieren und ausleben?
Es gibt kein Patentrezept, dass auf alles anwendbar ist. Das ist uns auch klar.

 

Welche konkreten Forderungen nach einem besseren Leben für Alle sollten gesetzlich verankert werden?
Klaus: Wir stellen keine Forderungen nach neuen Gesetzen an den Staat. Der Staat ist das Problem und muss weg! Deutschland verrecke!

 

www.rote-flora.de

 

Anmerkungen:
(1)
http://www.taz.de/!51928/
(2) http://www.zeit.de/2010/27/WOS-Rote-Flora/seite-2

 

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