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trans*geniale Fantifa

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Erinnert sich eine_r an die 1990er Jahre? Weiß noch irgendwer, dass es vor gar nicht allzu langer Zeit Frauen*-Antifa-Gruppen gab? Es scheint, als sei die Verbindung von Feminismus und Antifa in Vergessenheit geraten und die Bezeichnung Fantifa weitgehend in der Versenkung verschwunden. Feministische Antifa oder Frauen-Antifa Gruppen entstanden in den frühen 1990er Jahren, meist als Reaktion auf einen fortgesetzten Sexismus in männlich dominierten Antifa-Zusammenhängen. Heute gibt es nur noch wenige solcher Fantifa-Gruppen und auch in der antifaschistischen „Geschichtsschreibung“ spielen sie kaum eine Rolle. Doch wer glaubt, Fantifa sei erledigt, hat sich gewaltig geirrt. Denn jetzt gibt es die trans*geniale f_antifa(1).

Antifa, weil Nazis und die Zustände, die ihre Ideologie möglich machen noch immer abgeschafft gehören. F_, weil Feminismus nicht nur heißt, das Patriarchat kaputtzumachen, sondern auch andere Herrschaftsverhältnisse mitzudenken und zu sabotieren. Trans*genial, weil immer noch viel zu viele Leute glauben, es gäbe nur zwei Geschlechter…und weil mit kreativen Ideen und Aktionen, diese Rollenvorstellung in der Öffentlichkeit dekonstruiert wird.

„Antifa ist der Kampf ums Ganze“, doch wenn es um ganzheitliches Denken geht, sind feministische Perspektiven in Antifa_Gruppen selten bis gar nicht vorhanden. Wie konkret könnt ihr mit eurer Arbeit die herrschenden Geschlechterverhältnisse in der radikalen Linke durchdringen?
Emma: Durch unsere Veröffentlichungen und Aktionen wollen wir zum Nachdenken anregen. Im besten Fall wird dadurch eine Reflexion der eigenen Position in der Gesellschaft angestoßen. Im Ergebnis sollte das meiner Meinung nach dazu führen, die eigenen Privilegien zu hinterfragen, die mit der Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe verbunden sind, zum Beispiel als Cis-Menschen (cis bedeutet nicht trans*), als Weiße oder als Nicht-Behinderte.
Aleks: Vor allem durch die Sichtbarkeit und überhaupt das Existieren unserer Gruppe wollen wir ein Zeichen setzen. Schon damit – und selbstverständlich mit unseren konkreten Aktionen – hoffe ich, dass es in der so genannten radikalen Linken ankommt, dass es auch ohne mackriges Dominanzverhalten geht, politisch aktiv zu sein und dass die Arten wie Aktivismus betrieben werden (können) vielseitiger sind, als traditionelle Rollenbilder es glauben lassen (Militanz, „Straßenkämpfer“).
Emma: Wobei ich persönlich es auch wichtig finde, feministische Definitionen von Militanz zu entwickeln, beziehungsweise wiederzuentdecken. Vor weniger als drei Jahrzehnten gab es noch in vielen größeren Städten Frauen*-Patrouillen, die sich im öffentlichen Raum gegen sexistische Übergriffe gewehrt haben. An diese Tradition möchte ich gerne anknüpfen. Nicht umsonst ist „Bash Back“ ein zentrales Motto unserer Gruppe.
Aleks: Ja, auf jeden Fall! Mit diesem Motto stoßen wir hoffentlich auch auf Verwirrung was Rollenerwartungen angeht.

 

Welche Ziele verfolgt ihr dabei?
Aleks: Ein zentrales Thema für uns ist das Sichtbarmachen von (nicht-binären) Trans*-Identitäten für nicht nur die radikal linke Szene, sondern vor allem für junge Menschen und Familien, die sich nie mit dem Thema befasst haben. Wir wollen auch zeigen, dass wir als Trans*-Menschen da sind und aktiv antifaschistische Politik machen.
Emma: Wir wünschen uns beispielsweise auch eine Auseinandersetzung darüber, dass Menschen durch Rauchen und das Trinken von Alkohol aus linken Räumen ausgeschlossen werden. Auch über Asexualität wird in der queer-feministischen Szene bisher leider kaum geredet, was wir sehr schade finden, weil asexuelle Menschen so nicht als Teil der Queer-Community anerkannt werden. Ich würde sagen, dass es uns im Allgemeinen darum geht, an den Rand gedrängte Identitäten und Positionen bekannter zu machen und eine Diskussion darüber anzustoßen. Als Ziel würde ich formulieren, dass wir uns wünschen, dass mehr Menschen über Ausschlüsse und Diskriminierungen nachdenken, die in der Radikalen Linken und dem Rest der Gesellschaft passieren. Das sollte im besten Fall zu Veränderungen von festgefahrenen Strukturen führen und dazu, dass die Gesellschaft glitzeriger wird.

 

Wie kann hegemoniale Männlichkeit in Antifa-Gruppen gestoppt werden und wie kann Antifa-Arbeit auch nach Außen antisexistisch wirken?
Aleks: Alle Arten von männlichem Dominanzverhalten in Antifa-Gruppen müssen gestoppt werden! Nur sehe ich es als äußerst problematisch, dass die antisexistische Arbeit in Gruppen meistens von den von Sexismus Betroffenen (Frauen_Lesben_Inter_Trans*) geleistet wird. Das sehe ich nicht ein! Die Privilegierten sollten sich selbst mit ihrer Dominanz und den von ihnen geschaffenen Ausschlüssen beschäftigen und daran arbeiten, ihr Verhalten zu ändern.
Emma: Um auf den zweiten Teil deiner Frage einzugehen: Fantifa-Gruppen haben in den 1990er-Jahren damit begonnen, Frauen in der Nazi-Szene als Akteurinnen und Trägerinnen von faschistischer Ideologie zu benennen. Davor wurden sie oft „als Freundin von …“ oder als „Mitläuferinnen“ betrachtet. Klar zu benennen, welche Rolle Frauen in der Nazi-Szene spielen, ist meiner Meinung nach ein wichtiger Beitrag zu antisexistischer Antifa-Arbeit. Mir ist zudem sehr wichtig, den Zusammenhang zwischen Faschismus/Nationalsozialismus und Geschlecht deutlich zu machen. Es wurde und wird oft nicht mitgedacht, dass der deutsche Nationalsozialismus und faschistische Regimes auch eine Herrschaft von Cis-Männern über Frauen_Lesben_Inter_Trans* waren. Ich finde es wichtig, das zu bedenken und daraus auch Konsequenzen für heute zu ziehen. Wenn Nationalsozialismus und Faschismus sich explizit auf cis-männliche Werte beziehen, wie zum Beispiel eine starke dominante Cis-Männlichkeit, „soldatische Tugend“ oder die heterosexuelle Kleinfamilie, dann muss es meines Erachtens beim Kampf gegen Nazis auch darum gehen, diese Werte kritisch zu hinterfragen und anzugreifen.

 

Wie werden eure theoretische Ideen erfolgreich „auf der Straße“ umgesetzt? Wie sehen eure Aktionsformen aus? Werden diese reflektiert und nachbearbeitet?
Emma: Bisher haben wir uns an der „Mad & Disability Pride Parade“ (2)  im Juni 2013 in Berlin beteiligt. Dabei ging es darum, Behinderung und Krankheit nicht als Mangel zu betrachten, sondern im Gegenteil, stolz darauf zu sein, dass nicht alle Menschen der gesellschaftlichen Norm von „Gesundheit“ entsprechen. Weil Trans*-Sein heute immer noch in fast allen Teilen der Welt als „psychische Störung“ bezeichnet wird, haben wir uns an der Parade beteiligt, um unsere angebliche „Krankheit“ selbstbewusst zu feiern. Außerdem hatten wir die Gender-Queer-Fahne dabei, haben einen Text in Leichter Sprache verteilt, um die Bedeutung der drei Farben der Fahne (lavendel, weiß und flaschengrün) zu erklären. Das Flugblatt gibt es übrigens auch auf unserer Homepage (3).
Aleks: Eine unserer Aktionsformen ist das Verfassen von Broschüren über für uns wichtige Themen (zum Beispiel eine Broschüre über Trans*-Themen für Jugendliche, woran wir gerade arbeiten). Dabei ist es uns extrem wichtig möglichst einfache und zugängliche Sprache zu benutzen und die Theorie für alle verständlich zu vermitteln. Sich so auszudrücken ist eine Herausforderung, die auf jeden Fall in mir Prozesse auslöst und mich zwingt über meinen teilweise sehr elitär-akademisch Sprachgebrauch nachzudenken. Ich hoffe, dass diese Art von Aktionismus alle bewegen kann.

 

Wichtig ist euch, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur 2 Geschlechterrollen gibt und genderqueer ins Bewusstsein zu manifestieren. Wie kann das in der Öffentlichkeit erreicht werden?
Aleks: Ja, das ist für uns wichtig, das ist auch für einige von uns die eigene Lebensrealität. Es geht aber nicht nur um die von Dir genannten „Geschlechterrollen“, das ist zu kurz gefasst. Nicht nur die Geschlechterrollen sind konstruiert, sondern auch die Kategorie „biologisches Geschlecht“. Es gibt nicht nur zwei Geschlechter!  Wie gesagt ist das Sichtbarmachen von nicht-binären Menschen zentral, dazu möchten wir mit unseren Aktionen (wie auf der „Mad & Disability Pride Parade“) beitragen.
  Emma: Ich denke, dass es auch wichtig ist, eine große Bewegung zu starten von genderqueeren Menschen, die laut und selbstbewusst sagen: „Wir sind da! Es gibt uns!“ Mein Wunsch ist, dass die Gender-Queer-Fahne die neue Regenbogenfahne wird. Eine solche Bewegung aufzubauen wird sicher nicht einfach sein. Doch wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der wir ohne Angst existieren können, dann ist es das wert.

 

Ein Problem in Teilen der Gesellschaft ist die generelle Ideologie der Ungleichwertigkeit mit der Funktion, Menschen als ungleich zu bewerten und diese Ungleichwertigkeit durch das Vorurteil zu legitimieren. Welche konkreten Maßnahmen können diese Vorurteile/Diagnosen abbauen?
Emma: Eine zentrale Rolle spielt dabei für mich die Institution Schule. Bis heute werden beispielsweise schwule und lesbische Lebensweisen kaum im Unterricht erwähnt und in Sexualkunde käme wohl keine Lehrer_in auf die Idee, zu erklären, wie gleichgeschlechtlicher Sex aussehen kann. Auch Trans*-Identitäten werden systematisch ausgeblendet. In geisteswissenschaftlichen Fächern werden nur Theorien von mitteleuropäischen Cis-Männern behandelt. Und dass die hochgelobten Philosophen der Aufklärung – hier benutze ich bewusst die männliche Form – allesamt Antisemiten, Sexisten und Rassisten waren, wird auch nicht erwähnt. Und solange wir in der Schule und anderswo all diese Vorurteile eingehämmert bekommen, werden sie bestehen bleiben.

 

Was ist notwendig, um geschlechtsspezifische Stereotypen verstärkt in einen öffentlichen Diskurs zu dekonstruieren?
Emma: Ich denke ein wichtiger Aspekt ist, dass im Fernsehen, in Kinderbüchern, im Kino, in Schulbüchern, in Zeitungen und Zeitschriften die Gesellschaft endlich so abgebildet werden sollte, wie sie tatsächlich ist und nicht so wie die Norm ist.     Ich bin es langsam wirklich leid, in Filmen und TV-Serien fast nur weiße, heterosexuelle, able-bodied, nicht-jüdische Cis-Menschen aus der Mittelklasse zu sehen, die dem gesellschaftlichen Schönheitsideal entsprechen. Wo sind im Kino die ganzen People of Color, wo sind in Zeitschriften all die Menschen, die im Rollstuhl sitzen, wo sind in Kinderbüchern all die Trans*-Personen, Lesben, Schwule? Immer noch wird uns eine Norm suggeriert, die in keiner Weise der Realität unserer Gesellschaft entspricht. Noch immer sind geschlechtsspezifische Vorurteile so wirkmächtig, dass sich im Profi-Männer-Fußball immer noch kein Mann traut, sich als schwul zu outen. Solange diese Vorurteile in allen Medien unhinterfragt bleibt, wird sich vermutlich nicht so schnell etwas ändern.

 

Welche Konflikte sind durch eure Aktionen, Artikel, Flyer zu erwarten und wie werden diese beseitigt?
Aleks: Die Konflikte die ich erwarte sind die üblichen: Cis-Sexismus/Trans*-Feindlichkeit, überhebliches Verhalten von Leuten die es besser zu wissen meinen, Unverständnis und überhaupt Anfeindungen. Wie wir diese beseitigen können? Darauf fällt mir ehrlich gesagt keine Antwort ein. Manchmal verzweifle ich sehr und fühle mich überfordert und extrem müde immer die gleichen Diskussionen führen zu müssen. Leider kann ich nicht sehen, wie mensch konstruktiv immer wieder mit solchen Anfeindungen umgehen kann.
Emma: Bereits jetzt müssen wir Diskussionen mit Menschen führen, deren Ansichten sich zusammenfassen lassen mit dem Satz „Ihr seid betroffen, aber wir wissen es besser.“ Wir sind damit konfrontiert, dass unsere Trans*-Perspektiven von Cis-Personen angezweifelt oder nicht ernst genommen werden und dass Cis-Menschen es sich anmaßen, besser über Cis-Sexismus/Trans*-Feindlichkeit bescheid wissen zu wollen, als wir. Aus einer Cis-Perspektive ist es meiner Meinung nach aber unabdingbar, die Gedanken und Gefühle von Trans*-Menschen ernst zu nehmen und daraus zu lernen. Das funktioniert aber nur, wenn altbekannte Abwehrreflexe einfach mal heruntergeschluckt werden und stattdessen den Betroffenen zugehört wird. Ich glaube, ein Problem ist, dass die Abgabe von Macht und Privilegien noch immer vor allem als Verlust wahrgenommen wird. Es wird leider oft vergessen, dass es auch unglaublich bereichernd sein kann, sich mit der eigenen privilegierten Position kritisch auseinanderzusetzen.

 

Warum benötigt es extra Freiräume, wo transgender, genderqueere Ideen entwickelt und gelebt werden?
  Emma: Der öffentliche Raum ist für mich als Trans*-Weiblichkeit vor allem ein Angstraum. Ich kann mich in der Öffentlichkeit nicht sicher fühlen, egal zu welcher Uhrzeit, egal an welchem Ort. Es gab bereits mehrere Situationen, in denen ich aus trans*-feindlichen Gründen fast verprügelt wurde – und das am helllichten Tag. Solche körperlichen Übergriffe sind allerdings nur die Spitze des Eisberges. Ich werde im Alltag dauernd angegafft, beschimpft, bedroht und ausgelacht. Ich muss ständig fürchten, Betroffene eines cis-sexistischen/trans*-feindlichen Übergriffes zu werden. Um an dieser ganzen Kackscheiße nicht kaputtzugehen, ist es für mich wichtig, einen Ort zu haben, an dem ich mich wohl fühle und mich mit anderen Trans*-Menschen austauschen kann. Genderqueere Räume finde ich wichtig, weil die Gesellschaft ja im Grund genommen unsere Existenz leugnet. Dass Menschen weder Mann noch Frau sind, ist einfach nicht vorgesehen. Wir werden unsichtbar gemacht. In genderqueeren Räume können wir Selbstbewusstsein entwickeln und uns gegenseitig Mut machen.

Anmerkungen:

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