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Die Tierbefreier e.V.

„Die Einzigartigkeit und Würde jedes einzelnen Tieres wirklich zu respektieren heißt, nicht länger seine grenzenlose Ausbeutung zu unterstützen, sondern aktiv zu seiner Befreiung beizutragen.“

Ich muss gleich vorweg nehmen, dass der 1997 gegründete Verein “die tierbefreier e.V.” keine direkten Tierbefreiungsaktionen durchführt, sich aber mit Organisationen und Gruppen solidarisieren, die unterdrückte Tiere befreien, wie es beispielsweise die Zellen der Animal Liberation Front (ALF) praktizieren. Der Verein „die tierbefreier e.V.“ lehnt den Tierschutz ab, der lediglich eine sogenannte „artgerechte Haltung“ und „humane Tötung“ fordert. Er tritt für die gesellschaftliche Befreiung der Tiere ein, die Mitglieder möchten sie aus den sozialen, kulturellen und institutionalisierten Gewaltverhältnissen herauslösen. Ein Aspekt ist dabei die Bewerbung des Veganismus.


„Die Einzigartigkeit jedes einzelnen Tieres wirklich zu respektieren heißt, nicht länger seine grenzenlose Ausbeutung zu unterstützen, sondern aktiv zu seiner Befreiung beizutragen“ heißt es in dem Selbstverständnis. Der Verein organisiert Demos, Infostände, Veranstaltungen, leistet Aufklärungsarbeit über Veganismus und Tierrechte/Tierbefreiung, bietet Rechtshilfe- und Soliarbeit für von Repression betroffene Tierrechts-/Tierbefreiungsaktive und publiziert das Magazin „Tierbefreiung“, welches 4 Mal im Jahr erscheint.

 

„Kein Recht der Welt kann das menschengemachte Tierleid legitimieren“ lautet eine Aussage in eurem Selbstverständnis. Um dieses Tierleid zu unterbinden gibt es verschiedene Möglichkeiten. Was bedeutet Tierbefreiung für dich?
André: Tierbefreiung kann zweierlei bedeuten. Einerseits das Befreien oder Freilassen von Tieren in Gefangenschaft. Andererseits die Befreiung anderer Tiere aus den gesellschaftlichen Ausbeutungsverhältnissen. Tierbefreiung als Methode ist ein Weg, um zumindest einigen wenigen tierlichen Individuen Freiheit und hoffentlich ein besseres Leben zu geben. Diese Aktionen waren aber auch für die Bewegung wichtig. Bilder von Tierbefreiungen und aus Tierausbeutungsbetrieben waren lange Zeit in den Medien und haben die Bewegung bekannt gemacht. Diese Aktionen alleine sind aber nur ein Mittel unter vielen und können alleine keine Gesellschaft ändern. Gesellschaftliche Tierbefreiung bedeutet, Tiere auch von den Zwängen kapitalistischer Verwertungslogik zu befreien und die Vorurteile über das, was Tiere angeblich nicht sind und nicht können, abzubauen, um sie als leidens- und empfindungsfähige Lebewesen ansehen zu können. Im diesem Sinne gehört zur gesellschaftlichen Tierbefreiung nicht nur das Befreien von konkreten Tieren aus ihrer Gefangenschaft, sondern ein Wandel des Blicks auf Tiere und der Einstellung ihnen gegenüber. Um das zu bewirken ist eine Vielfalt der Mittel wichtig. Aufklärung und das Angebot neuer Perspektiven auf Tiere spielen dabei eine wichtige Rolle.
Steffen: Tierbefreiung bedeutet zum Einen für mich, dass nichtmenschliche Tiere durch direkte Aktionen aus ihrer Gefangenschaft befreit werden. Menschen, die das machen, suchen normalerweise im Vorfeld geeignete Plätze, an denen die Tiere dann unterkommen können. Das Ziel ist, dass sie dort in größtmöglicher Freiheit bis zu ihrem natürlichen Tod leben. Außerdem bedeutet Tierbefreiung für mich, ein Umdenken zu bewirken. Durch Information von möglichst vielen Menschen versuchen wir, gesellschaftliche Tierbefreiung zu erreichen. „Tierbefreiung“ ist auch der Name des Magazins, das von die tierbefreier e.V. herausgegeben wird.

Warum ist die direkte Aktion dabei das geeignete Mittel?
André: In Bezug auf politische Strategien und kulturellen Wandel gibt es nicht DAS geeignete Mittel. Es gibt nur gute und weniger gute Kombinationen von verschiedenen Mitteln, Strategien und Protestformen. Die Befreiung von Tieren aus ihrer Gefangenschaft ist ein Mittel auf der Individuen-Ebene (die, die befreien und die, die befreit werden) und ändert allein nichts an der Normalität der Tierausbeutung und dem damit einhergehenden Art-Chauvinismus, dem Speziesismus auf der Gesellschafts-Ebene. Aber Tierbefreiungen helfen einigen Individuen und schaffen Öffentlichkeit. Vielleicht sollten sie auch weniger als wichtige Strategie und mehr als Ausdruck von Menschen gesehen werden, die nicht einschlafen könnten, wenn sie nicht mehr tun, als nur Protestbriefe zu schreiben. Quasi als ein Ohnmachtsausdruck angesichts der fehlenden Möglichkeit, mit den Protestformen, die der Staat erlaubt, schnell genug etwas zu bewirken. Dann gibt es noch Saboteaktionen. Auch sie allein verändern keine Gesellschaft, aber können die Kosten in die Höhe treiben oder sogar die Tötung eine Weile aufhalten. In Niedersachsen gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Brandanschlägen auf neugebaute Geflügelmastanlagen. Hier werden pro Anlage 50.000, manchmal sogar mehrere hunderttausend Hühner 30 Tage lang gezüchtet. Nach einem Monat werden sie schon getötet. 1-2 Jahre Wiederaufbauzeit bei einer Belegung von 50.000 Individuen bedeuten 600.000 bis 1,2 Millionen weniger Tiere, die auf engstem Raum qualvoll gehalten und anschließend getötet werden können.
Steffen: Direkte Aktionen können ein Mittel sein, das Leid und die Ausbeutung einzelner Individuen zu beenden oder Ausbeuter_innen zu schaden. Daher freue ich mich auch über solche Aktionen. Es zeigt mir, dass es noch mehr Menschen gibt, die die unsägliche Gewalt, die Tieren angetan wird, nicht hinnehmen wollen und bereit sind, Widerstand zu leisten. Ich denke aber, dass das Informieren der Menschen und das Aufzeigen der ethischen Hintergründe solcher Aktionen auch sehr wichtig sind. Ansonsten bleiben diese Aktionen ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wenn sich nicht mehr Menschen gegen die alltägliche Gewalt entscheiden, wird sich auf Dauer nichts ändern. In einer Gesellschaft, in der Menschen aber nicht einmal die Gewalt gegen ihre eigene Spezies beenden, scheint das natürlich viel verlangt. Es ist aber die einzige Möglichkeit, die ich sehe.

 

Welchen Raum nimmt Theoriearbeit in der Tierbefreiungsaktion ein? Ist die Geschichte der Tierrechte und tierrechtsrelevante Theorien und Forschungsarbeit überhaupt wichtig in der Tierbefreiungsbewegung?
André: Für manche Personen, Gruppen und Kreise ist sie sehr wichtig und sorgt sogar dafür, dass deutlich weniger Zeit für Aktivismus aufgebracht wird. Andere nehmen sie hingegen kaum zur Kenntnis oder befassen sich zumindest nicht intensiv mit ihr. Wie auch in allen anderen Bewegungen ergibt das insgesamt ein heterogenes Bild von Menschen, die aktivistisch und theoretisch orientiert sind oder einen Hang zu einer Seite haben. Insgesamt wird viel Theoriearbeit gemacht, inzwischen sogar auf akademischem Niveau. Eine Reihe von Aktiven hat inzwischen Uni-Gruppen gegründet. Diese Gruppen haben für ihre Veröffentlichungen gute Verträge mit etablierten Fachverlagen bekommen und werden von den Medien wahrgenommen. Durch die Verbindungen zwischen Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung und anderen emanzipatorischen Strömungen war diese Theoriearbeit schon immer wichtig, derzeit professionalisiert sie sich dabei auch. Dennoch gibt es auch einige Aktive, die andere wegen mangelnder Theoriearbeit kritisieren und ihre Bewegung selbst als eher theoriefaul ansehen. Das kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Ich habe eher die Befürchtung, dass immer mehr Kapazitäten, die in Aktivismus gingen, in die Theoriearbeit fließen und den Aktivismus daher zurückgehen lassen. Meiner Meinung nach müssen Aktive nicht erst Kritische Theorie studieren, bevor sie protestieren gehen können. Da habe ich eine ähnliche Einstellung wie der linke Rapper Holger Burner. Aber ich bin auch kein Fan von einem absoluten „Taten statt Worte“ Kurs. Theorieentwicklung und Bewegungsdiskurs sind wichtig, können aber auch partiell arbeitsteilig geschehen, so dass es eine Vielfalt vorhanden ist, die sowohl die individuelle Tendenz zur Theorie, als auch zur Praxis erlaubt.
Steffen: Ich bin kein großer Theoretiker. Allerdings gibt es viele Menschen in der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung, die sich sehr dezidiert damit auseinandersetzen, auch um Zusammenhänge mit anderen Befreiungsbewegungen theoretisch zu untermauern.

 

Welches Erlebnis hat dich motiviert, direkte Aktionen durchzuführen, um das Tierleid zu beenden?
André: Die tierbefreier e.V. solidarisiert sich mit den Zielen der Animal Liberation Front, also, Tiere zu befreien, und hat sich zur Aufgabe gemacht, über direkte Aktionen zu berichten und für Rechtshilfe zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass es keine Erlebnisse, sondern Prozesse sind, die Leute dazu bewegen, weil es bei der Konvertierung zum Veganismus meist auch so ist.

 

Welches Ziel hat eure Vereinsarbeit?
Steffen: die tierbefreier e.V. berichtet über direkte Aktionen, z.B. in der „Tierbefreiung“ und mit Hilfe von Presserklärungen. Das Ziel ist, dass mehr Menschen davon erfahren und sich im besten Fall Gedanken über die ethischen Hintergründe machen und ihr eigenes Verhalten dementsprechend ändern.
Tiere aus Versuchslaboren zu befreien ist eine kurzfristig erfolgreiche Aktion. Langfristig kann aber doch nur eine Forschung ohne Tierversuche sinnvoll und effektvoll sein wie es Ärzte gegen Tierversuche e.V. ja auch mit vielen Beispielen für alternative Versuchsmethoden fordern.

 

Tiere aus Versuchslaboren zu befreien ist eine kurzfristig erfolgreiche Aktion. Langfristig kann aber doch nur eine Forschung ohne Tierversuche sinnvoll und effektvoll sein wie es Ärzte gegen Tierversuche e.V. ja auch mit vielen Beispielen für alternative Versuchsmethoden fordern.
André: Das ist richtig. Es ist keine Lösung hin und wieder ein paar Tiere zu befreien, die dann direkt ersetzt werden. Das hilft aber den konkreten Tieren. Langfristig ist wichtig, die Motivation zu steigern, Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln, zu verbessern oder populärer zu machen. Das ist wie bei regenerativen Energien. Solange nicht stark am Standard (Atomenergie, Tierversuche) gerüttelt wird, wird das Neue (regenerative Energieerzeugung, Forschungsmethoden ohne Tierversuche) auch nicht erforscht oder zumindest nicht forciert. Hier ist gefragt, dass Alternativen in der Öffentlichkeit diskutiert werden und dass die Nutzung von Tieren (für Versuche) hinterfragt wird, dass klar gemacht wird, dass Forschungsgelder in die Erforschung von Alternativen fließen müssen. Tierbefreiungen sind dabei eine Möglichkeit, um das Thema in die Medien zu bekommen.
Steffen: Das ist natürlich richtig. Leider geht es in der Pharmabranche um viel Geld und viele Ärzt_innen versuchen sich durch Tierversuche zu profilieren. Im Moment sind Tierversuche, deren Nutzen äußert fraglich ist, juristisch vorgeschrieben, bevor Medikamente an Menschen getestet werden. Nur in sehr geringem Ausmaß werden tierfreie Alternativen eingesetzt. die tierbefreier e.V. setzt sich für die totale Abschaffung von Tierausbeutung ein, also natürlich auch gegen Tierversuche. Es ist aber nicht unser Hauptthema. Die meisten Tiere sterben für die menschliche Ernährung, übrigens auch für Vegetarier_innen. Daher rufen wir die Menschen dazu auf, vegan zu leben.

 

Sicherlich kann es auch sinnvoll sein, Tierleid juristisch oder politisch beizukommen. Warum sind trotzdem radikale Maßnahmen und Entscheidungen notwendig?
André: Tierleid kann juristisch defacto nur im Rahmen bekämpft werden, in dem es dem Tierschutzgesetz widerspricht. Du weißt wie es in der Massentierschaltung und Schlachtanlagen aussieht. Das ist juristisch unproblematisch. Juristisch kann also nur denen beigekommen werden, die selbst einem Tierschutzgesetz nicht entsprechend handeln, was so ziemlich alles an Tierleid erlaubt, wenn es für Nahrung, Bekleidung, Forschung oder Unterhaltung ist. Es ist aber wichtig, die juristischen Rahmenbedingungen auf politischer Ebene zu ändern, z.B. durch Lobbyarbeit. Entsprechende Gruppen arbeiten daran und setzen auf eine Politik der kleinen Schritte. Das ist eine ambivalente Strategie. Einerseits verbessern sie möglicherweise ein wenig die Bedingungen unter den Tiere leiden, andererseits wird dann aber auch das Bild vermittelt, dass die Probleme der Tierausbeutung gelöst seien. Wir sehen das am Feminismus. Kleine Erfolge haben zur falschen Wahrnehmung geführt, dass Sexismus nicht mehr existieren würde. Wir kennen das auch aus antikapitalistischen Strömungen, die etwa Attac vorwerfen, Kapitalismus zu stabilisieren, in dem sie ihn menschenfreundlicher gestalten. Es ist sicher wichtig, dass es in der großen und bunten „Tierbewegung“ Organisationen gibt, die trotz dieser Kritikpunkte den Weg gehen. Es kann nicht nur allein auf einen in absehbarer Zeit unglaubwürdigen antispeziesistischen, kulturellen und gesellschaftlichen Wandel gesetzt werden. Ebenso wie für mich klar ist, dass es Gruppen wie Attac oder Eine-Welt-Gruppen Vereine geben muss, weil die antikapitalistische Revolution nun mal nicht vor der Tür steht. Es kann den betroffenen Individuen nicht zugemutet werden, allein auf ein rot-grün-schwarzes Utopia zu hoffen. Aber: Die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung will Tierausbeutung und den der zugrundeliegenden speziesistischen Weltanschauung mit all ihren Vorurteilen über „das Tier“ gänzlich auflösen. Das sind unsere radikalen Forderungen und Ziele, die eben andere sind, als schrittweiser Reformismus. Mit „radikalen Maßnahmen und Entscheidungen“ meint ihr speziell direkte Aktionen? Diese Aktion sind aus meiner Sicht nicht eine strategische oder politische Notwendigkeit. Sie sind ein Mittel unter vielen, aber nicht DAS Mittel und – wie gesagt – strategisch und politisch nicht zwingend notwendig. Tierbefreiungen sind die Rettung für konkrete tierliche Individuen und sie sind Ausdruck des Umgangs mit Ohnmachtsgefühlen der menschlichen Individuen. Sabotagen treiben die Kosten in die Höhe oder Stoppen den Mordprozess eine Weile. Die Frage ist eher: Ist es ein legitimes Mittel? Ja.
Steffen: Weil es offensichtlich nicht reicht, sich juristisch gegen Tierausbeutung einzusetzen. Das sogenannte Tierschutzgesetz ist in meinen Augen lächerlich. In § 1 steht, dass niemand „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf. Dass Menschen tote Tiere und ihre Produkte essen wollen, ist also ein „vernünftiger Grund“ für all dies. Ich denke, dass es, solange es Tierausbeutung gibt, es auch vielfältigen Widerstand dagegen geben wird.

 

Eine Forderung ist, „Tiere aus den sozialen, kulturellen und institutionalisierten Gewaltverhältnissen“ herauslösen. Ist damit auch grundsätzlich eine private Tierhaltung gemeint oder die Verhältnisse wie Zucht, öffentliche Tierausstellungen o.ä.?
André: Zucht, Massentierhaltung, Zirkusse etc. sind damit definitiv gemeint. Private Tierhaltung im Sinne von dem kleinen Hühnerstall oder den Bienenwaben auf dem eigenen Grundstück ist damit auch gemeint, wenn die Tiere für Menschen produzieren. Haus- und Hoftierhaltung ist hingegen ein ambivalentes Thema. Es ist abzulehnen, wenn Haustiere Prestigeobjekte oder Qualzüchtugen sind oder wenn die Besitzer_innen keinen emphatischen Umgang mit ihnen pflegen können und ihre Bedürfnisse nicht verstehen. Dazu gehören unter anderem alle Haustierverhältnisse die Gefangenschaft verbunden sind: Zwinger, Käfige, verweigerter Auslauf etc. Andererseits ist es begrüßenswert ins Tierheim zu gehen und ein Tier ganz legal zu befreien. In der antispezisitischen Utopie ist die menschliche Gesellschaft ja nicht ohne Tiere, sie ist dann eine Interspezies-Gesellschaft, in der Menschen gelernt haben, emphatisch gegenüber anderen Tieren zu sein. Haustierhaltung kann in unserer heutigen Realität sicher eine Möglichkeit sein, antispeziesistisch zu handeln, aber oft ist auch das Gegenteil der Fall. Übrigens Lebenshöfe, auf denen befreite Tiere ohne Produktionszwang leben können, bis der natürliche Tod eintritt, sind nur eine größere Variante von einer wirklich annähernd artgerechten Haustierhaltung von Tieren aus Heimen und anderen Gefängnissen.
Steffen: Grundsätzlich ist auch die private Tierhaltung gemeint, die ja Zucht begünstigt. In der heutigen Zeit gibt es aber natürlich viele Tiere, die dringend einen Platz brauchen, weshalb sich viele Tierrechtler_innen/Tierbefreier_innen dazu entscheiden, Tiere bei sich aufzunehmen. In der Regel achten diese Menschen aber sehr penibel darauf, dass diese Tiere keinen Nachwuchs bekommen.

 

Autonome Tierbefreier_innen werden kriminalisiert und von Teilen der Gesellschaft als aggressive Spinner definiert. Wo siehst du ethische und moralische Grenzen, gewalttätige Aktionsformen nicht durchzuführen?
André: Mir begegnen eigentlich prozentual gesehen sehr wenig Menschen, die antipathisch reagieren, wenn ich sage, wofür ich mich engagiere. Ich denke nicht, dass Tierbefreier_innen in der Öffentlichkeit so ein schlechtes, nämlich aggressives Image haben, wie z.B. der Schwarze Block.
Ich solidarisiere mich mit Tierbefreiungen und auch mit Sabotageaktionen. Bei Sabotageaktionen könnte es auch passieren, dass konkrete Fälle sehr kritisch zu sehen sind oder sogar Solidarisierung unmöglich wird. Etwa wenn dabei Menschen fahrlässig gefährdet wurden. Ein ALF Grundsatz besagt ja, dass alle Vorkehrungen getroffen werden müssen, um kein menschliches oder tierliches Individuum zu verletzten. Theoretisch könnte es auch grenzwertige Fälle geben: Ich wäre z.B. alles andere als begeistert, wenn eine ALF-Zelle eine kleine Dönerbude anzünden würde, statt die gerade leer stehende Mega-Mastanlage um die Ecke. Das war ein fiktives Beispiel. Ich bin froh, dass ich in der relativ langen Geschichte der Bewegungen, in so vielen Ländern, nur von sehr wenigen Aktionen gehört habe, die wirklich als peinlich bezeichnet werden können. Das wird dementsprechend kritisiert und daraus wird auch gelernt. Die meisten Sabotageaktionen, z.B. gegen Pelzketten, gegen Massentierhaltungsanlagen oder gegen Pelzfarmen sehe ich ethisch als nicht grenzwertig sondern lobenswert an.
Steffen: Persönlich bin ich der Ansicht, dass Aktionen nach den Richtlinien der Animal Liberation Front durchgeführt werden sollten. Die Richtlinien beinhalten unter anderem den Punkt, dass alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden müssen, damit kein Tier durch die Aktion Schaden nimmt. Menschen sind darin explizit eingeschlossen. Aktionen, die aus körperlichen Übergriffen auf Tierausbeuter_innen bestehen, lehne ich ab und fände ich auch schwierig argumentativ zu verteidigen. Jemanden mit Kunstblut zu bespritzen oder mit einer veganen Torte zu bewerfen würde ich aber nicht als körperlichen Übergriff bezeichnen.

 

Warum ist Gewalt im Kampf gegen Tierleid notwendig und legitim?
André: Gewalt gegen Leben ist als politisches Mittel für uns nicht legitim. Wahrscheinlich abgesehen von den gesellschaftlich akzeptieren Notwehr-Ausnahmen wie Attentate gegen Hitler. Gewalt gegen Dinge ist Sachbeschädigung. Sachbeschädigung ist aus unserer Sicht legitim, weil sie der Rettung von Leben oder der Sabotage von ausbeutenden Unternehmen führt. Leben überwiegt Sachen. Für diejenigen, die diese Aktionen durchführen und sich mit ihnen solidarisieren, sind sie als Mittel der Notwehr für Dritte legitim, in einer gesellschaftlichen Normalität, in der die Individualität von anderen Tieren noch immer ignoriert wird. Die Geschichte wird die Legitimität zeigen. Sollten wir irgendwann eine (fast) anti-speziesistische Gesellschaft etablieren können (wovon ich nicht ausgehe), werden solche Aktion ebenso als historische Notwendigkeit akzeptiert werden, wie wir die bürgerlichen Revolutionen, die militanten Abolitionist_innen (Anti-Sklaverei) oder militanten Frauen-Wahlrechtskämpfer_innen aus heutiger Perspektive begrüßen. Der Unterschied zwischen Terror und Freiheitskampf liegt bekanntlich darin, welche Seite ihre Interpretation geschichtlich durchsetzen kann.
Ich stehe aber gar nicht darauf, wenn Menschen grundsätzlich zerstörungsgeil oder sogar gewaltgeil sind und sich in progressive, soziale Bewegungen verirren, um sich austoben und dabei noch progressiv zu fühlen. Also wenn sie ihren „Hooliganism“ durch „die Sache“ legitimeren wollen. Allerdings sehe ich das eher als Problem anderer linker Bewegungen an, da Gewalt (d.h. Gewalt gegen Menschen) in der Methodensammlung der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung nicht vorkommt und daher keine entsprechenden Menschen anzieht.
Steffen: Ich finde, es ist die Frage, ob Gewalt gegen Sachen tatsächlich Gewalt ist oder ob Gewalt da anfängt, wo man wissentlich und willentlich Tiere, wieder inklusive Menschen, verletzt, ausbeutet oder tötet. Legitim finde ich auch militanten Widerstand gegen die Gewalt, die Tieren angetan wird, da lediglich Widerstand auf der Straße, in Gerichten oder in Parlamenten nicht ausreicht, beziehungsweise teilweise kaum oder gar nicht vorhanden ist. Direkte Aktionen werden auch als solidarische Notwehr gesehen. Aber wie gesagt, finde ich die Information und Aufklärung auch sehr wichtig.

 

Wie kann eine Tierbefreiungsaktion auch zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz führen? Welche Strategien könnten dabei hilfreich sein?
André: Gegenwärtig könnten Tierbefreiungen akzeptierter sein, wenn besser über sie berichtet werden würde. Als Tierbefreiungen aufkamen und diese von der Presse begleitet wurden, als daraus auch Berichte über Tierausbeutung anhand der gedrehten Videos entstanden, war die öffentliche Darstellung in den Medien und auch die Meinung in der Öffentlichkeit recht positiv. Klar, es gab auch oft das genaue Gegenteil – dennoch war sie oft sehr positiv. Inzwischen haben sich die Zeiten sehr geändert. Politischer Aktivismus jenseits der Norm wird grundsätzlich kritisch beäugt oder gar nicht erst wahrgenommen. Sabotageaktionen werden im Zuge der Terror-Paranoia ganz anders gesehen. Das betrifft die Tierbefreiungsbewegung ebenso wie viele andere. Auch die Berichterstattung über Tierbefreiungen hat sich geändert. Heute dominieren kurze Berichte über Sachbeschädigungen, die Aktiven werden als Chaoten diffamiert, und wenn die Berichte mal länger sind, dann bekommt der Verfassungsschutz die meiste Redezeit – wir hingegen nur Zeit für einen Satz. Es ist sicher wichtig eine Verbindung zur Presse zu finden, wie sie vor 10 Jahren existierte. Oder auch mal wieder die Presse bei einer Tierbefreiung mitzunehmen. Wichtig ist auch, dass der Hintergrund solcher Befreiungen gut an die Medien kommuniziert wird. Aber leider führt das nicht dazu, dass die Presse solche Infos verarbeitet. Es liegt ja auch immer am Beat der Zeit und daran, worauf die Presse gerade abfährt. Inzwischen wird wieder mehr über das Verhältnis von Menschen und Tieren und über Tierausbeutung gesprochen und darüber berichtet. Es bleibt zu hoffen, dass das keine kurze Welle oder Mode ist und dass die Medien in diesem Zuge auch wieder auf Tierbefreiungen schauen und sie nicht nur als Terror abtun, sondern sich differenzierter damit befassen. Die generelle Akzeptanz wird davon positiv beeinflusst.
Steffen: Direkte Aktionen werden erst mal von der Mehrheit der Gesellschaft abgelehnt. Durch Berichterstattung oder Interviews zum Thema versuchen wir, die ethischen Hintergründe zu erklären und begreifbar zu machen, warum zum Beispiel eine leere Mastanlage niedergebrannt oder eine Modehauskette, die „Pelz“ verkauft, entglast wurde. Von direkten Aktionen betroffene Firmen halten davon teilweise sehr wenig und versuchen, juristisch gegen die Berichterstattung vorzugehen. Wir sehen das aber von der Presse- und Meinungsfreiheit abgedeckt.

Tierbefreier #78 Titelthema

Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier ist sehr widersprüchlich. Während mensch  in westlichen Gesellschaften den Hund als seinen besten Freund sieht, werden „Nutztiere“ unter grausamen Bedingungen gehalten. Aber warum halten scheinbar tierfreundliche Gesellschaften an der massenhaften Haltung und Tötung von Tieren fest?
André: Dafür gibt es viele Gründe. Ich nenn mal ein paar gesellschaftliche: Es ist normal, es wird so vermittelt, beigebracht und gelernt, es wird immer wieder so gemacht, es wird durch Bilder und Ideen in unserer Kultur bestätigt, es ist mit Ritualen und Routinen verbunden, es ist mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. Was da psychologisch mit rein spielt, muss ein_e Psycholog_in beantworten. Wir handeln Objekten und auch Subjekten gegenüber entsprechend der Bedeutung, die sie für uns haben. Wenn es normal ist, dass manche Tiere schrecklich leiden und getötet werden, während die anderen zu Familienmitgliedern (in Extremfällen sogar wichtiger als die eigenen Kinder) werden, dann führt das scheinbar dazu, dass dies kaum hinterfragt wird – oder zumindest keine Handlungskonsequenzen daraus folgen. Die Leute, die es hinterfragen, müssen eben andere damit konfrontieren, warum wir in Haustieren oft die Verwandtschaft zum Menschen erkennen und Schweine, die intelligenter als Hunde sind, für dumm genug halten, um sie auszubeuten und zu töten.
Es gibt aber sicher auch genug Leute, die sich dessen bewusst sind, aber denen es egal genug ist, um Tierausbeutung zu akzeptieren oder den Geschmack von Fleisch zumindest höher zu bewerten, als das Leben nichtmenschlicher Tiere. Wir kennen es bestimmt alle, wenn wir unser handeln kritisch sehen, aber es dennoch fortsetzen. Ich denke, es gibt sehr viele Leute, die so progressiv sein wollen/müssen, dass sie sich da selbst was vormachen, wenn sie das abstreiten. Ich wollte mit 8-10 das erste Mal Vegetarier werden, dann wieder mit 17 und wurde es konsequent erst mit 21, und erst dann fing ich an über Veganismus nachzudenken  – die Einsicht darin, was richtig wäre, hatte ich also 11-13 Jahre früher. Wie gesagt, da spielt viel wie Gewohnheit, Rituale, Normalität, natürlich auch die Wünsche und Bedürfnisse, die in dieser Realität legitim sind, also etwa das Muskelgewebe intelligenter Tiere zu verzehren, mit rein.
Steffen: Eine beliebte Antwort von Passant_innen an Infoständen ist, dass es halt so gut schmeckt. Der Hintergrund ist, denke ich, dass wir von klein auf lernen, dass es in Ordnung sei, Tiere zu halten und zu essen. Nur eben nicht die sogenannten Haustiere, da das ja was anderes sei. Deshalb empören sich auch Leute über die Tötungen von Hunden in anderen Ländern und verkaufen auf ihrer eigenen Demo Wurst aus toten Tieren. Klar ist das paradox. Es gibt noch weitere Theorien und Erklärungsansätze zu diesem Thema, aber ich denke, die frühkindliche Prägung und dass kaum jemand bereit ist, sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist das Problem. Die Gemeinsamkeiten von Menschen und anderen Tieren werden nicht gesehen, stattdessen gilt der Mensch als Krone der Schöpfung.

 

Welche Ansätze und Möglichkeiten bietet die mediale Berichterstattung, den Umgang und das Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu verbessern?
André: Das sind keine theoretischen Überlegungen, sondern alles Punkte, die schon passiert sind oder gerade geschehen: Medien präsentieren Aufnahmen von schlechten Haltungsbedingungen, die von Tierrechts-Rechercheteams gemacht wurden. Medien arbeiten auch gegenwärtig mit solchen Teams, um Bilder zu bekommen oder beauftragen solche Teams sogar. Presse begleitet Aktive bei zivilem Ungehorsam wie z.B. Jagdstörungen. Tierrechtler_innen und Tierbefreier_innen, die in Dokus, Berichten und Talks Stellung beziehen können. Zeitungen und TV Sendungen, die über das in Deutschland noch junge Forschungsfeld Human-Animal Studies sprechen. Das Forschungsfeld, dessen kritischer Flügel zum großen Teil aus Tierrechts- und Tierbefreiungsaktiven besteht, ist derzeit sehr präsent in den Medien, wie ich oben schon sagte. Quasi alle Medienformate und -typen, und das in allen Milieus, Szenen und Subkulturen bieten Möglichkeiten irgendwie über die Realität der Tierhaltung aufzuklären oder auch kritisch über das Mensch-Tier-Verhältnis und unser Tier-Bild nachzudenken. Danke an euch, dass ihr uns Tierrechtsorganisationen mit diesen Interviews auch die Möglichkeit zur Präsentation gebt!
Steffen: Das ist schwierig. Es wurde in den letzten Jahren viel über Vegetarismus und immer mehr auch über Veganismus berichtet. Außerdem kamen immer wieder Berichte über besonders schlechte Tierhaltung und die Zuschauer_innen fanden es ekelhaft oder verstörend und haben entweder umgeschaltet, die Augen davor verschlossen oder etwas an ihrem persönlichen Lebensstil geändert. Die Leute, die wirklich Konsequenzen aus solchen Bildern ziehen, sind klar in der Minderheit. Trotzdem finde ich es gut, wenn solche Sendungen ausgestrahlt werden, weil sie natürlich viele Menschen erreichen. Leider ist die Aussage dann aber oft „bio ist besser“, was natürlich nicht stimmt, da die Tiere in Biohaltung ebenfalls ausgebeutet und umgebracht werden oder „mal ein Tag ohne Fleisch geht doch auch“. Die Berichterstattung über die verschiedenen Bücher zum Thema „Tiere essen oder nicht essen“ war auch ziemlich immens. Grundlegende Fragen zum Thema Tierrechte/Tierbefreiung findet man dagegen selten in den Massenmedien.

 

Für mich ist die vegane Lebensweise ein bewusster und gewaltloser Beitrag, Tierleid zu beenden. Was ist für dich Veganismus?
André: Zum einen das – so kam ich dazu. Zum anderen aber auch wichtig in Hinblick auf Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und Welternährung. Auch wenn Veganimus allein diese Probleme nicht löst, weil sie Folgen des kapitalistischen Systems und nicht allein der Ernährungsweise sind, kann Veganismus dennoch einen wertvollen Beitrag leisten.
Aber Veganismus ist für mich nichts, was für meine Identifikation wichtig ist. Ich identifiziere mich als Tierrechtler, nicht als Veganer. Die Selbstinszenierung mancher Veganer_innen sehe ich kritisch und persönlich nervig.
Steffen: Veganismus ist für mich die einzige vertretbare Art, zu leben. Ich kann Menschen, die nicht vegan leben, nicht als „echte“ Tierrechtler_innen/Tierbefreier_innen akzeptieren, da sie zur Tierausbeutung beitragen, die sie ja bekämpfen wollen. Ich sehe Veganismus aber als „vermeiden, was vermeidbar ist“ an. Wenn jemand nicht ohne Medikamente mit Laktose leben kann, würde ich den_diejenige_n nicht als „nicht vegan“ bezeichnen. Gelatinegeklärten Wein zu trinken, halte ich aber z.B. für vermeidbar.

 

Allerdings reicht eine vegane Aufklärung nicht aus, um Tierleid zu stoppen. Ist der Aspekt des politischen Veganismus sinnvoller, als Veganismus als bloßen Lifestyle zu verbreiten?
André: Ich denke Lifestyle Veganismus hat auch seinen Zweck, weil dieser Leute begeistern kann, die sich von Tierrechten, Tierbefreiung und Anti-Speziesismus nicht begeistern lassen würden. Erst recht nicht, wenn sie in linksradikaler Rhetorik daher kommen. Besser irgendwie vegan, als gar nicht – für Menschen, Tiere und Umwelt. Andererseits gibt es Leute, die über politische Wege zum Veganismus kommen und nicht, weil es gerade trendy in gewissen Milieus ist. Ich bin ein Freund von Verschiedenheit und der Anerkennung von Unterschieden. Daher verteufel ich keinen Lifestyle Veganismus, aber mein Engagement geht in die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung, mir geht es um Tierrechte und die gesellschaftliche Befreiung menschlicher und nichtmenschlicher Tiere, nicht um Veganismus. Der folgt für nur daraus. Ich habe nichts gegen Menschen mit anderen Wegen, aber für mich ist mein Weg der Richtige.
Steffen: Ich finde, es hat beides seine Berechtigung. Natürlich bin ich froh, wenn möglichst viele Menschen vegan leben und sich dadurch etwas für die Tiere ändert. Aber für mich persönlich ist Veganismus untrennbar mit dem Kampf gegen Tierausbeutung verbunden und daher ein Mittel zum Zweck. Es gibt viele gute Gründe für den Veganismus, wobei wir die Tierausbeutung als Argument hervorheben.
Ich lebe seit dem Weltvegantag 2003 vegan. Damals war das noch nicht so ein Hype, glaube ich. Allerdings finde ich die Idee des Vegan Street Day sehr gut, weshalb ich mich da auch einbringe. Früher hieß er Veggie Street Day, aber rein vegan war er schon immer. Viele Leute finden den Vegan Street Day zu lifestyleig und kritisieren das, aber ich finde es eine Chance, die Bevölkerung anders anzusprechen als mit den altbekannten Demos. Der Tierrechts-/Tierbefreiungsanspruch kommt m.E. durch die vorhandenen Infostände nicht zu kurz. Und dass die Besucher_innen nebenbei mit dem Fairtrade-Gedanken konfrontiert werden, finde ich auch keinen Fehler. Prinzipiell denke ich, dass Menschen, die aus Lifestylegründen vegan werden, vielleicht eher dazu tendieren, das nach einer Weile wieder abzulegen und sich eine neue Diät oder was auch immer zu suchen. Diese Leute sollten aber vielleicht gerade informiert und nicht verdammt werden. Vielleicht tauchen sie dann tiefer in das Thema ein.

 

Welche persönlichen wie politischen Erfolge siehst du mit deiner Arbeit im Kampf gegen Tierleid?
André: Ganz ehrlich, die Erfolge die wir als Tierrechtler_innen und Tierbefreier_innen haben sind so minimal, dass sie nicht als solche bezeichnet werden können. Auch diesen Umstand teilen wir mit ziemlich allen anderen sozialen Bewegungen. Mehr Aufmerksamkeit hier, gute Berichterstattung dort, minimale Etablierungs- und Zuwachstendenzen insgesamt, kleine Etappenziele rücken näher. Das alles ist angesichts der grausamen Realität nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber, da wir wissen, dass die Abschaffung der Sklaverei mehrere tausend Jahre dauerte, sollten wir in einem Menschenleben auch nicht zu viel Wandel erwarten. Daher kann ich mich persönlich über jede Kleinigkeit freuen, jede Aktion, jeden Bericht, jedes eingeknickte Pelz-Unternehmen, die aber auf der politischen Ebene in Hinblick auf die Normalität und Ausmaße der Tierausbetung nur ein Witz sind. Aber was willst‘e machen? Keine Party machen – wie es manche zu praktizieren scheinen – ist auch keine Lösung.
Steffen: Das ist schwer zu sagen. Da wir ein abolitionistischer Verein sind, uns also für die Abschaffung von Tierausbeutung und nicht für Reformen aussprechen, können wir nicht, wie z.B. PeTA, auf ständige sogenannte Erfolge verweisen. die tierbefreier e.V., bzw. Ortsgruppen des Vereins, haben sich auch an vielen Kampagnen beteiligt. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass wir ausschlaggebend für Erfolge bestimmter Kampagnen waren. Da kommen viele Faktoren zusammen. Dass andere Vereine das teilweise anders darstellen und sich solche Erfolge auf die Fahnen schreiben, finde ich höchst merkwürdig und unseriös.

 

2008 wurde in Wien der Versuch unternommen, die Tierrechtsbewegung zu zerschlagen. Es kam zu Hausdurchsuchungen, Verhaftungen. Befürchtest du eine ähnliche Repressionswelle gegenüber der deutschen Tierrechtsbewegung?
André: Erst dachte ich, die Staatsanwaltschaft wäre ziemlich dumm, nach dem Desaster in Österreich auch hier so eine Show abzuziehen. Aber vielleicht sind sie es ja auch. Ernsthaft: Aber dann passierte eine ähnliche Sache in Spanien. Auch aus den USA und UK kennen wir es, dass legal arbeitende Menschen vor Gericht gestellt und teilweise eingeknastet werden, weil ihnen unterstellt wird, dass sie eine Doppelstrategie fahren. D.h., dass sie mit ihrer legalen Arbeit illegale Aktionen indirekt unterstützen würden und diese Arbeit daher schon eine kriminelle Handlung sei. Ja, ich gehe davon aus, dass das kommen kann. Wenn die Animal Liberation Front aktiv bleibt, ist die Gefahr auf jeden Fall da. Vielleicht ist es sogar nur eine Frage der Zeit. Sollte die ALF an Energie verlieren, würde die Gefahr aber sinken.
Wo wir gerade von Repression sprechen, kann ich direkt auf unser Rechtshilfeangebot aufmerksam machen, wenn du erlaubst. Auf www.die-tierbefreier.de finden sich Informationen zu diesem Angebot, was vergleichbar mit dem der Roten Hilfe ist. Wer Bock hat sein Geld loszuwerden oder noch besser, eine Party oder ein Konzert zu organisieren, der_die kann uns gerne etwas auf das Rechtshilfekonto schieben. Die Kohle geht 1:1 an Betroffene.
Steffen: Ich hielt es damals nicht für undenkbar und sehe das heute genauso. Es könnte m.E. jederzeit passieren oder eben auch nicht. Ich weiß nicht, ob mein Telefon abgehört wird. Da es auch in Deutschland schon mehr als genug Fälle von falschen Verdächtigungen gab, z.B. den des Andrej Holm, dem die Mitgliedschaft in der militanten gruppe vorgeworfen wurde und ich gesehen habe, mit was für Scheinargumenten man in Österreich versucht hat, das Konstrukt der „kriminellen Organisation“ durchzudrücken, halte ich nichts für unmöglich. Ich habe aber nicht vor, deswegen keine Tierrechts-/Tierbefreiungsarbeit mehr zu machen.

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