Im Sommer 1978, als die damals 14-jährige TNT-Sängerin Sara Schär «Züri brännt!» ins Mikrofon schrie, ahnte niemand, dass sie damit Schweizer Rock- und Revoltegeschichte schreiben würde. Aber «Züri brännt!» sollte zum zentralen Slogan der «Bewegig», der militanten Zürcher Jugendbewegung von 1980, werden.
« Züri brännt / die alti Wixerstadt / Züri brännt / vor Langwiil ab.»
„Die Achtziger Jahre sind für mich sozusagen mein persönliches Mittelalter – sehr düster.“
Sara, bereits 1968 gab es in der Schweiz, speziell in Zürich, aufrührerische Zeiten. Junge Menschen verweigerten sich, schlossen sich zusammen und kämpften gegen ein vom Elternhaus
erzwungenes Weltbild. Zürich war dann auch 1981 Ausgangspunkt von Jugendrevolten. Es beteiligten sich tausende an Demonstrationen. Warum glaubst du, waren die Menschen speziell in Zürich bereit,
auf die Straße zu gehen und für gesellschaftliche Veränderungen zu kämpfen?
Aus Tradition, gelebter Demokratie? Ich erlebte den Ausbruch hautnah. Am Nachmittag fuhr ich mit der Straßenbahn am Opernhaus vorbei und sah eine kleinere Gruppe von Demonstranten mit
Transparenten „Wir sind die Kulturleichen der Stadt“ oder so ähnlich. Das Opernhaus hatte soeben wieder xMillionen, ich glaube 50 waren es – Subventionen zugesprochen erhalten. Für junge Kultur
oder die Jugend wurde praktisch kein Geld ausgegeben. Es gab ja damals vor dreißig Jahren für Junge immer noch keine Orte, wo man unter sich war. Der Bierstammtisch im war ja wohl nicht eine
wirkliche Option. Am Abend des gleichen Tages war ich mit meiner Band TNT nach der Probe in eben einem solchen Bierlokal in der Innenstadt. Wir wollten uns auf den Heimweg machen, als uns ein
Bekannter entgegen gerannt kam und rief, „da vorne schmeißen sie mit Steinen!“ Der Bassist hatte sein Motorrad mitten im Geschehen stehen und brachte es erst einmal in Sicherheit, bevor wir uns
ebenfalls ins Getümmel stürzten.
Die Leute haben sich sicher aus verschiedenster Motivation der „Bewegung“ angeschlossen. Es war einerseits viel Frust dabei, der ein Ventil brauchte. Andererseits waren da die verschiedensten
bestehenden Gruppierungen, welche nun wieder nach gewohnter Manier aktiv wurden und als „alte Kämpen“ die Demos mit Parolen und Strategien versorgten. Damals nahm ich das aber nicht so wahr. Ich
wurde von den Ereignissen mitgerissen.
Hast du dich als Teil einer Jugendrevolte definiert?
Nun, ich war einfach mitten drin, als logische Konsequenz dessen was ich tat und dachte. Indem ich laut herausschrie, was mich und andere Jugendliche bewegte, was hier nicht stimmte, war ich ganz
natürlich ein Teil der Jugendrevolte, ich brauchte mich nicht als solchen zu definieren.
Wie hast du als Jugendliche Zürich wahrgenommen?
Zürich war in der Zeit vor der Bewegung eine ruhige Stadt, es herrschte ein Mief…
Als Jugendliche hattest du die Wahl zwischen Discobesuch oder Bierstammtisch. Um Mitternacht musstest du zu Hause sein, wenn du kein Auto hattest. Das war auch nicht weiter schlimm, denn die
Restaurants schlossen sowieso um 23.30. Natürlich gab es ein paar Privatclubs, aber da musste man 18 sein. Der Punkclub Hey war jeweils am Mittwoch das Highlight, da fehlte ich selten.
1978, mit vierzehn war ich ja schon Sängerin bei TNT und ich war in der glücklichen Lage, in der großen Züricher Punkfamilie zu pubertieren. Es war einfach großartig! Wir konnten die Leute mit
unserem Aussehen und unserem Auftreten schockieren und hatten unseren Spaß dabei. Nun, es hatte natürlich auch seinen Preis, auch ich wurde mit meinen Kolleginnen meiner ersten Band von der
Straße weg verhaftet aus keinem anderen Grund als dem, dass wir Punks waren. Die Repression war jedoch verglichen zu den achtziger Jahren harmlos. Und heute wäre es undenkbar, als eine Gruppe
Punks mitten im Zürcher Niederdorf – eine Touristenmeile – herumzuhängen. Über diese Zeit gibt es ja ein tolles Buch, Hot Love, Swiss Punk & Wave 1976 -1980, da ist meine Jugend verewigt. Es gab einen kleinen, kreativen Kern, alle kannten einander, die Stimmung war offen, wer sich einbringen
wollte, konnte d as auch tun. 1981 hatten TNT das letzte Konzert und ich beschäftigte mich mit verschiedenen musikalischen Projekten, die teilweise auf Vinyl verewigt wurden. 1985, nach meiner
Rückkehr von einer halbjährigen Zentralamerika-Reise – mit Häuserbau in Nicaragua – gründete ich mit TNT Gitarristen Dani Grässle die Band The Kick und die nächsten Jahren vergingen im
Übungsraum, im Studio und auf Konzerten.
1980 begann ich mit Karate und so bestand mein Leben aus Musik und Sport sowie etwas Schule und später Berufslehre. Ich konnte auf Tournee gehen oder an Karate-Turniere in aller Welt. Ich war
also viel unterwegs. Zürich erlebte ich in meiner Jugend aus der Perspektive einer Musikerin und auch als aktiver Teil der Bewegung, in der ersten Zeit jedenfalls.
Wie wurdest du politisiert? Kannst du dich an deinen Vorstellungen vom Leben erinnern? Was hattest du denn für Wünsche und Ziele?
Ich bin ja 1964 geboren, als erstes Kind von Mama 19 und Papa 20. Mein Bruder kam ein Jahr später zur Welt. Meine Eltern waren mitten in die großen gesellschaftlichen Veränderungen der sechziger
und siebziger Jahre hineingewachsen. Meine Kindheit verbrachte ich in einem lebendigen „Hippie-Haushalt“ – nicht, dass ich antiautoritär erzogen worden wäre – es gab viele Feste, Versammlungen
und hin und wieder auch Demonstrationen – am 1. Mai Umzug verkauften wir Kinder die 1. Mai Zeitung, an den Vietnam Demos mussten wir aber mit Mama im Restaurant warten, Papa kam dann hin und
wieder herein um sich die Augen mit Zitronensaft vom Tränengas zu reinigen. So bekam ich also schon früh einiges an politischer Arbeit mit. Vor allem mein Vater engagierte sich in verschiedenen
Gruppen und so war bei uns zu Hause ein ständiges Ein und Aus, es wurden Transparente gemalt, Plakate entworfen und gemalt, Flugblätter gedruckt usw.usf. Für uns Kinder wurde in einer besetzten
Baugrube an einem Volksfest ein alter VW Käfer bereitgestellt, den wir zu Schrott verarbeiten durften.
Ich erinnere mich auch an Musikfestivals auf der Allmend in Zürich. Dort traten Ton Steine Scherben auf – du kannst dir vorstellen, dass mich diese nachhaltig beeindruckt haben. „Keine Macht für
Niemand“ konnte ich von vorne bis hinten mitsingen. Mein Bruder tanzte an diesem Konzert auf der Bühne mit und als er kurze Zeit später wegen eines schweren Unfalls im Kinderspital lag, erhielt
er Besuch von Rio Reiser und noch zwei „Scherben“.
Ich erlebte in meiner Kindheit viel Liebe und Solidarität. Ich kann mich auch gut an ein Berliner Kindertheater erinnern, welches in Zürich gastierte und politische Stücke spielte. Und kennst du
noch Franz Josef Degenhardt? Oder Dieter Süverkrüp? Seine Single „Der Baggerführer Willibald“ hörte ich oft und gerne wie auch die Kinder-LP „Warum ist die Banane krumm“. Zu Weihnachten besang
ich meine Verwandtschaft mit Udo Lindenberg Songs – so nun weißt du einiges über meinen politischen Hintergrund…ach ja, die Anti-AKW Bewegung. Und zu Hause lief immer tolle Musik, Stones, Led
Zeppelin, Janis Joplin, Hendrix usw., das hat mich musikalisch geprägt.
„Wollte man etwas erreichen, musste man auf die Straße“
Hattest du in dieser Zeit viele Konfliktsituationen mit deinem Umfeld? Was waren die Konsequenzen?
Meine Lehrer hatten natürlich nicht viel Verständnis für Leuchtnagellack, Punkfrisur und –outfit. Da ich aber eine gute Schülerin war, hielten sich die Konsequenzen in Grenzen. Meine Verwandten
stießen sich nicht groß an meinem Äußeren oder hielten sich wenigstens mit Kritik zurück. Meine Großmutter schenkte mir zum Geburtstag „Never mind the bollocks“ – ich nehme aber nicht an, dass
sie reingehört hat. Nein, in meinem Umfeld gab es keine großen Reibungspunkte.So mit 13 Jahren zogen mein Bruder und ich zu meinem Vater in die WG und wir genossen großes Vertrauen und durften
uns relativ frei bewegen. Das Umfeld war politisch geprägt, es gab jeden Abend lebhafte Diskussionen am Essenstisch über das aktuelle Geschehen.
Interessant war, dass sich bei den sogenannten Opernhauskrawallen und bei späteren Demos Menschen aus den unterschiedlichsten Strömungen beteiligt haben. Konntest du einschätzen, dass es
ein Netzwerk gab, das die Wut und die Forderungen nach alternativen Projekten gebündelt hat?
Nein, ich habe anfangs nichts von einem Netzwerk erkennen können. Es war ja auch unübersichtlich. Wie überall, wo viele Menschen aufeinandertreffen, handeln diese aus ebenso vielen verschiedenen
Motiven heraus. Mir schien einfach, dass anfangs noch einiges an Humor mitschwang, und dass er im Verlaufe der Zeit etwas verloren ging. Das war dann auch der Punkt, an dem ich mich nicht mehr so
richtig damit identifizieren konnte. Es wurde richtiggehend verbissen gekämpft, es wurde ideologisch eng und intolerant – vielleicht muss man das so angehen, wenn man etwas erreichen will, ich
fühlte mich aber nicht mehr wohl in dieser Atmosphäre. Auch als TNT im AJZ spielten, erlebten wir befremdliches und wir mussten das Konzert abbrechen.
Damals gab es keinen Dialog mit den Funktionären mit der Stadt. Heute gibt es Möglichkeiten, einen Verein zu gründen, Häuser anzumieten und diese für alternative, unkommerzielle Angebote
zu nutzen und anzubieten. Wäre diese Form schon damals möglich gewesen, um staatliche Repressionen zu umgehen oder gab es in der Autonomiebewegung nur den kompromisslosen Kampf um leerstehenden
Wohnraum und Häuser?
Vielleicht hätte man auch die sanfte Art wählen können. Aber damals war halt die gängige Art sich Gehör zu verschaffen und Dinge durchzusetzen die kämpferische. Wollte man etwas erreichen, musste
man auf die Straße. Und wollte man ein Gebäude haben, so besetzte man es. Es gab in den Achtzigern auch das Phänomen des Konzerte-Stürmens; die Konzertveranstalter verlangten so horrende Preise,
dass Konzerte regelmäßig gestürmt wurden. Das ist aber relativ schnell aus der Mode gekommen. Mit den Leuten vom Häuserkampf und der Autonomiebewegung hatte ich nur insofern zu tun, als wir an
politischen Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen spielten. Als ich mich in einem besetzten Haus einmal umsehen und informieren wollte, schlug mir ein ziemlich rauer Wind entgegen, ich
laufe rum wie eine Hure: Der Rock zu kurz, die Frisur zu lang, das war's dann, auf dieser Basis hatte ich keinen Lust mich zu engagieren.
Waren es bei dir politische Aspekte wie Wohnraumveränderungen, Freiräume schaffen oder waren es persönliche Aspekte, die dich zu dieser Zeit rebellieren ließen?
Wie gesagt, ich wuchs da herein aus meinem Verständnis von Gerechtigkeit und es leuchtete mir ein, dass man etwas tun muss, wenn man etwas verändern will. Und dass es auch möglich ist. Mir liegt
aber mehr das praktische Arbeiten als das Theoretisieren. So waren mir endlose Diskussionen an Vollversammlungen ein Gräuel und zunehmend beteiligte ich mich nicht mehr am ewigen hin und her mit
der Polizei an den Demos. Im Film „Züri brännt“ sieht man in einer Sequenz jemanden das AJZ streichen – das bin ich. Nach der Schule schlug ich mich ein Jahr lang mit Hilfsarbeiten durch,
im AJZ konnte man sich bis morgens um 8 Uhr fürs Arbeiten einschreiben und zu einem Stundenlohn von fünf Franken arbeiten. So habe ich wohl das ganze AJZ neu gestrichen und auch sonst viele
Renovations- und Aufräum-Arbeiten erledigt. Die Demos wurden zunehmend gewalttätig und in meinen Augen ging es dabei immer weniger um die Sache. Ich hatte zu viel Angst und keine Lust, mir den
Buckel vollhauen zu lassen, also widmete ich mich der konstruktiven Tat. Leider zerfleischten sich die Gruppen im AJZ untereinander, einige Gastronomen begannen hier ihre Karriere, ansonsten zog
das AJZ vor allem Junkies und Verwahrloste aus der ganzen Schweiz an. Es herrschte ein unglaublicher Siff. Von kreativem Freiraum war nicht viel zu sehen. Das Experiment Autonomie war
gescheitert. Als die Bagger auffuhren, sah ich dem Abbruch ohne Emotionen zu.
Es gab im Zuge der Demonstrationen und der gewalttätigen Räumung des AJZ Menschen, die sich aus Protest öffentlich verbrannt haben. Welche schlimmen Erlebnisse musstest du
aufarbeiten?
Silvia verbrannte sich öffentlich als Folge ihrer persönlichen Tragödie – sie war Opfer der damals gängigen Praxis in der Psychiatrie sowie ihrer Familiensituation. Die furchtbare Geschichte
wurde dann als Protest ausgelegt, was so aber eigentlich nicht stimmte. Für mich endete der Spaß am 26. Juni 1982. In dieser Nacht wurden mein Bruder und mein Stiefbruder von der Polizei zu Tode
gehetzt. Auf einem Motorrad fuhren sie ohne Helm durch die Stadt. Das Klima in Zürich war von Hass geprägt in dieser Zeit. Zwei Jugendliche mit Lederjacken und zerschlissenen Jeans passten ins
Feindbild und die Tatsache, dass sie auf Anhieb nicht anhielten, rechtfertigte die Todeshetze. Richard Dindo hat einen Film über den Fall gedreht „Dani, Michi, Renato und Max“ 1. Michi, mein Bruder, war 17, Dani, mein Stiefbruder 18, wie ich. Mein zweiter Stiefbruder starb wenige Jahre später, er war nicht so stark wie
ich.
Die Achtziger Jahre sind für mich sozusagen mein persönliches Mittelalter – sehr düster. Zum Glück hatte ich wieder die Musik, meine Band The Kick, die mir half, das Geschehene zu verarbeiten.
Bis in die Neunziger dauerte die dunkle Zeit, selbst mit der Band Souldawn war noch einiges an Stoff vorhanden, um düsteres Songs zu schreiben. Ich bewegte mich also zwischen Übungsraum und
Karatedojo, arbeitete nebenbei um durchzukommen.
Der offiziellen Sicht der Dinge – Jugendliche randalierten und warfen Schaufensterscheiben ein – hielt damals der Videoladen Zürich mit dem Film “Züri brännt” durch eigene Betrachtungen
zu den Ereignissen etwas entgegen. Warst du auch wütend auf bestehende Verhältnisse oder war es dein Teenagefrust, der dich auf die Straße getrieben hat?
Natürlich nervte mich dieses und jenes aber ich hatte eigentlich keinen Grund zu richtigem Frust, ich konnte mich immer ausdrücken und es wurde in meinem Umfeld viel diskutiert, mein Ventil war
die Musik, wir schrieben tolle Songs über die Missstände die wir antrafen und über die Sorgen die wir hatten. Aber als es knallte, rannte ich mit, denn nun waren da auch andere, die die Nase voll
hatten vom miefigen Zürich und ich wähnte mich unter Gleichgesinnten. Das relativierte sich dann im Laufe der Zeit, wie gesagt, jeder hat seine eigenen Gründe, weshalb er oder sie sich einer
Sache anschließt. Im Moment tut es aber einfach gut, wenn man merkt, dass man zusammen für eine Sache eintreten kann. Unser Song „Züri brännt“ wurde ja wie du sicher weißt, lange vor der Bewegung
geschrieben, es war ein Plagiat auf „London’s Burning“, „White Riot“. In England hatten die Jugendproteste schon längst begonnen.
Du hast mit dem erwähnten Song “Züri brännt” ja herausgeschrien, was dir nicht passt. War Punk der geeignete Ventil, um deinen Frust zu kanalisieren?
Ja klar, es war super! Und mit der Zeit wurde die Musik noch richtig gut, wir hatten Erfolg und das machte großen Spaß. Meine Band war meine Familie, ich war gut aufgehoben und hatte das Gefühl,
etwas Sinnvolles zu tun.
Der Kampf um das AJZ in Zürich und alternative Freiräume schaffen ist auch in Zürich bis heute ein Thema der autonomen Bewegung. Inwieweit sind dir heute Freiräume wichtig, gibt es
Aktionen, Projekte, die du besuchst/unterstützt?
Zürich ist soeben teuerste Stadt der Welt geworden. Die Wohnungsnot ist groß, die Freiräume sind wieder eng, der Sauglattismus nimmt seinen Fortgang. Nichtkommerzielle Räume sind rar geblieben.
Ich verfolge das Zeitgeschehen kritisch, bin aber keiner Gruppierung angeschlossen.
Zum Sport. Bereits mit 15 Jahren hast du dich mit Shukokai beschäftigt. Warum war es dir wichtig, diese Kampf-Form zu erlernen?
Durch Zufall kam ich zu diesem Kampfsport und bis heute hält er mich gefangen. Ein Freund der WG, in der ich bei meinem Vater wohnte, schleppte mich und meinen Freund eines Tages in ein
Anfängertraining. Mit 120 Leuten stand ich in einer Halle und übte erste Schläge und Abwehren. Es gefiel mir einfach, so bin ich dabei geblieben. Karate gab mir einen roten Faden und einen Halt
im Leben. Auch dort traf ich später auf eine Gruppe von idealistischen Menschen, die eine Art Familie bildeten und mir ein zusätzliches Zuhause gaben.
Was hat sich durch Shukokai bei dir verändert? Gibt es dadurch Mechanismen, die dir im Alltag behilflich sind?
Klar, ich habe gelernt zu kämpfen, durchzuhalten, Geduld zu haben, die eigenen Bedürfnisse zurückzustecken. Ich habe gelernt zu verlieren und wieder aufzustehen, zu gewinnen und nicht überheblich
zu werden, mich in eine Hierarchie einzufügen und im Team zu arbeiten. Ich hatte ja den Übernamen „Tretmine“ – Karate hat mir geholfen, mein Temperament in die richtigen Bahnen zu leiten. Karate
gab mir zusätzliches Selbstvertrauen und half mir immer wieder den Boden zu finden. Heute unterrichte ich noch immer und helfe an Turnieren als Schiedsrichterin.
Es scheint, als gab es für dich eine längere Auszeit…eine sogenannte Kunstpause? Hattest du einen Burn-Out?
Ich hatte immer wieder Pausen in meinem kreativen Schaffen, das rasante Tempo und die Intensität eines Lebens lässt sich nicht unbeschränkt fortführen. Es gibt immer wieder Rückschläge im Leben,
vor zwei Jahren warf mich der Tod eines Freundes komplett aus der Bahn aber inzwischen geht es mir wieder gut. Es gibt immer wieder musikalische Projekte, an denen ich mich beteilige, die Spaß
machen. Etwas würde mich wahnsinnig reizen: Ein Duett mit Campino !!!
Fußnote:
1. Dokumentarfilm in drei Kapiteln über vier Jugendliche, die sich in der Zeit der Jugendbewegung in Zürich für ein autonomes Jugendzentrum (AJZ) engagiert hatten und die durch tragische Unfälle, in die jedes Mal Polizisten verwickelt waren, ums Leben gekommen sind. Drei Ereignisse – vier Schicksale: Dani & Michi, die mit einem entwendeten Motorrad eine Spritztour an den Stadtrand machen wollten, dabei zu rasch fuhren und keine Helme trugen, deshalb von einer Polizeipatrouille verfolgt wurden, zu Fall kamen und tödlich verunglückten. Renato, der ein Auto entwendete, von einer Polizeipatrouille verfolgt und angeschossen und später, im Spital im Koma liegend, von seiner Freundin erstochen wurde. Max, der am Tag der Schließung des AJZ als unbeteiligter Zuschauer von einem Polizeigrenadier einige Knüppelschläge auf den Kopf erhielt, an deren Folgen er zwei Jahre später in Barcelona starb. ↩