AIB #101
60 DIN A 4 Seiten; €3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Mit der Aufarbeitung des NSU-Komplexes und die Analyse(Kritik) zur staatlichen Aufklärungsbestrebungen zu den NSU-Morden begibt sich das AIB-Redaktionskollektiv auf die Spurensuche und erkennt
nach dem Ende des NSU-Bundes-Untersuchungsausschusses Anzeichen dafür, dass die in diesem Bericht erwähnten Organe, die für das Versagen mitverantwortlich waren, durch die Politik gestärkt
werden. So bekommen VS mehr Geld und Befugnisse, Geheim- und Nachrichtendienste arbeiten wie bisher ohne parlamentarische Kontrollgremien. Heike Kleffner hält daher die Aufarbeitung der
Ergebnisse aus dem NSU-Untersuchungsausschuss notwendig, weil “deutlich geworden ist, dass Rassismus zu den zentralen Ursachen des Staatsversagens im NSU-Komplex gehört” und eine Überprüfung
ungeklärter Morde einen Zusammenhang mit einer möglichen politisch rechten Motivation ergeben haben. Darüberhinaus ist das V-Leute-System verantwortlich für eine aktive, überregionale
Neonazistruktur, das in den 90er Jahren vor Strafverfolgung verschont und geschützt war und V-Leute vor geplanten Hausdurchsuchungen gewarnt wurden. Neonazistrukturen wie Blood&Honour, die
GdNF und das Rudolf-Hess-Aktionskomitee hätten ohne “Quellenschutz vor Strafverfolgung” nicht so erfolgreich agieren können. Dabei erhob das BKA bereits 1997 schwere Vorwürfe gegen den VS, der
die extrem rechte Szene erst eine starkes Handlungsniveau ermöglichte. Das Informationspapier wird vom AIB durchleuchtet und VS-”Brandstifter” porträtiert.
Auch der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss attestierte den VerantwortungsträgerInnen in Politik, Behörden, Polizei eine Verharmlosungs-/Verdrängungstaktik in Bezug auf rechte Gewalttaten. Der
thüringischer Untersuchungsausschuss belegt die desaströse VS-Arbeit, die eigentlich die logische und konsequente (aber auch utopische) Abschaffung der Behörde zur Folge haben müsste.
Der bayerische Untersuchungsausschuss erkennt ebenfalls eine Verharmlosung, ein Ignorieren der Sicherheitsbehörden gegenüber der extrem rechten Szene. Im Fokus des NSU-Prozesses steht die
Beweisaufnahme gegenüber der Angeklagten zu den rassistischen Morden.
Gesamteindruck: Aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Untersuchungsausschüsse ein Versagen der VS-Behörde attestierten, ihr eine direkte Mitverantwortung für ein Erstarken
rechter Neonazistrukturen nachweisen konnte und die Behörde VS-Leute vor Strafverfolgung schützte, ist es geradezu skandalös, dass der VS nicht aufgelöst wird. Insofern ist die Forderung des
Rechtsanwaltes Alexander Hoffmann richtig, dass es in eigenständigen, antifaschistischen Analysen darum gehen muss, ein “Maximum an Aufklärung” zu erreichen, und dass der “Kampf gegen
institutionellen Rassismus” ein wichtiger Bestandteil der antifaschistischen Agenda bleibt. Denn wie auch Heike Kleffner resümiert, kann “diese Aufklärung nicht alleine den
Strafverfolgungsbehörden, parlamentarischen Gremien wie Untersuchungsausschüssen, Medien und den Gerichten überlassen bleiben.”