DIE RÜCKKEHRER
- Wenn der Krieg im Kopf nicht endet
Maël, Olivier Morel
128 Seiten; € 17,90
ISBN 978-3-551-73647-5
carlsen.de
Inhalt: Olivier Morel ist ein französischer Filmemacher, der sich in seiner Arbeit oft mit dem Krieg und seinen Folgen für die einzelnen Soldaten auseinander gesetzt hat. 2010
erschien sein Dokumentarfilm „On the bridge“ über traumatisierte US-Soldaten, der international Beachtung fand. Maël dokumentiert in dieser Graphic Novel Olivier's Arbeits-Prozess und fängt die
Traumata, die Erinnerungen an das Blutvergießen, die Gräueltaten und den Versuch, damit leben zu müssen, in beeindruckenden, beklemmenden Bildern ein.
Gesamteindruck: Es gibt zwei wesentliche, zentrale Aspekte, die Maël aufgreift, um ein unmissverständliches Statement wider dem Krieg(streiben) abzugeben, dass die Erinnerung an das Blutvergießen, die Erinnerung an all "the uncounted" lebendig bleiben. Zum Einen das immer wiederkehrende Motiv vom abgerissenen Seil am Flussufer, was zunächst viel Raum für Spekulationen lässt und über dessen Bedeutung erst gegen Ende des Buches aufgeklärt wird. Zum Anderen das Foto, welches Olivier von Kriegsveteran Ryan macht und ein Tattoo-Motiv zeigt, welches ausdrückt, dass mensch zwar Schuld auf sich nehmen kann, aber immer mit dieser Schuld leben muss. Was diese Schuld letztendlich anrichtet, welche Narben es hinterlässt, welche Wunden es aufreißt, das offenzulegen, ist der Denk-Ansatz von Maël, Olivier Morel. Und diesen haben beide sehr gut umgesetzt, den richtigen Blickwinkel gefunden, um die "blutigen Erinnerungen" ins öffentliche Bewusstsein zu transportieren, ohne sensationslüstern zu wirken. Ganz im Gegenteil. Aufgrund der sensiblen Herangehensweise entsteht ein sozial-politisches, gesamtgesellschaftliches Konstrukt, das aus der notwendigen Distanz heraus persönliche Geschichten öffentlich zugänglich macht, aber gleichzeitig in den Bann der damönisierten Bilder trudelt, bis diese übermächtig das eigene Denken beeinflussen und verändern. So gelangt Olivier an einen Punkt, an dem er die Wut, den Zorn und die Beklemmung braucht, um seine Arbeit zu machen. Maël gelingt es, diese Gefühle mit der Signalfarbe Rot zu verstärken und immer dann benutzt, wenn er die blutigen Erinnerungen der KriegsveteranInnen, die Sequenzen des Todes darstellt. Und so sind es vor allem die Schilderungen der VeteranInnen und ihrer Angehörigen, die für sich genommen einen schonungslosen Blick offenbaren, was Krieg anrichtet und vor allem wie Folgen dieser Gräueltaten verarbeitet werden. Darüberhinaus offenbaren diese Schilderungen die politische Ambivalenz, mit der Politik und Medien die Gesellschaft manipulieren. Multi-Milliardenverträge für Unternehmen wie Halliburton garantieren profitable Geschäfte für den Wiederaufbau. Ende November 2006 fragte die New York Times ihre amerikanischen LeserInnen: "Verpflichtet sich dieses Land, den Frieden im Irak auf unbeschränkte Zeit zu sichern? Wenn ja, wie viele amerikanische und irakische Tote pro Monat sind dafür ein angemessener Preis?" Die Frage ist falsch gestellt. Tote zählen nicht. Das einzige, was zählt, sind die Dollar, die auf die Konten der Konzerne fließen. Was übrig bleibt, sind die Vergessenen, die traumatisierten VeteranInnen, die keine Lobby haben. Insofern ist "Die Rückkehrer" wie auch Olivier's Dokumentarfilm ein Plädoyer wider dem Vergessen, eine Botschaft for being human und eine Möglichkeit, Menschen mit einem PTBS eine Stimme zu verleihen, die mit ihrer Kritik an den Krieg als "Nestbeschmutzer" diskreditiert werden. Diese Kritik zielt aber auch auf uns alle, die wir aus Scham nicht hierüber sprechen wollen. Schlussendlich bietet "Die Rückkehrer" auch die Möglichkeit, die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu sprengen, was wiederum die LeserInnen mit dem trainierten Drill der SoldatInnen verbindet, ihnen viel abverlangt und vor Augen hält, dass es keinen "gerechten" Krieg gibt.