KETTEN&KETCHUP #3
64 DIN A 5 Seiten; €1,50.-
Alex Gehrau, am Maiberg 20, 27299 Langwedel
Ballo und Latex haben für die Fertigstellung dieser Ausgabe unter einem erheblichen Motivationsdefizit gelitten und die Schere und Klebestift das ein oder andere Mal ungenutzt gelassen, Ideen
verworfen und sich nach dem Durchlesen so manch geschriebener Texte fragt, dass doch alles Scheiße und “Käse” ist. Latex und Ballo haben ihr kreatives Tief überwunden und öffnen Geist und Seele
mit einem Rundumschlag und ehrlichen, persönlichen Ansichten. So schildert Latex seine familiären Verhältnisse und “Verbesserungen” nach seinem Umzug und sein Vorwort liest sich in allen Belangen
positiver, als die Schicksalsschläge, von denen er im letzten Vorwort berichtete und ihn am Rande eines Nervenzusammenbruchs brachten. Geblieben ist die ambulante Therapie und Erkenntnis, dass
mit der Aufarbeitung der eigenen Biographie zum Einen Loslassen und zum Anderen das Schaffen einer neuen Perspektive und damit auch Lebensqualität zurückgewinnen verbunden ist. Latex nutzt für
die (Um-)Gestaltung seines Lebens, um herauszufinden, was ihn glücklich macht und nutzt seine Ressourcen für kreative Ideen und Projekte, die er neben der Tätigkeit im Behindertenbereich
ausführt. KILLBITE heißt die neue Band, in der er singt…äh…schreit.
Ballo schimpft wie ein Rohrspatz und regt sich immer noch über die Vorfälle vermeintlicher Punker auf, die sich beim Eröffnungs-Konzert des neu geschaffenen AZ’s in Verden daneben benommen haben,
dass selbst “das Prollvolk auf Ballermann mehr Charme besitzt”. Ballo hat daraus Konsequenzen gezogen und veranstaltet vorerst keine Konzerte mehr, erinnert sich nochmals an die tolle Zeit und an
die Bands, mit denen er zusammengearbeitet hat.
Latex, selbst verheiratet und Vater, interviewt im Schwerpunkt “Punx&Parents” Eltern wie Torben&Maren vom R(O)HRPOST-Fanzine, Tati&Davide(Insonnia, Veganissimi), Steff
(ALARMSIGNAL) und Uli (KOMMANDO KAP HOORN, KILLBITE). Die Leser_Innen werden über die sexuelle Aufklärung informiert, begleiten die Schwangerschaft und die OP und dem Handlungsmöglichkeiten, wenn
die interviewten Musiker_innen auf Tour gehen und die Frage “Wohin mit dem Kind” geklärt werden muss sowie Erziehungsfragen, die meines Erachtens die interessantesten Antworten liefern, da sich
vorherige nicht wesentlich von den standardisierten Eltern-Kind-Entwicklungsphasen unterscheiden. Ein anderer Schwerpunkt ist die Brasilien-Reise, die Ballo mit einem Kumpel im April 2012
unternommen hat, sich die Punk-Kultur und alkoholische Getränke zu Gemüte führt, einen Sonnenbrand einfängt und ein neues Tattoo stechen lässt.
Gesamteindruck: Der persönliche Beißreflex funktioniert immer noch und vor allem dann, wenn sich Ballo und Latex für eine Sache begeistern können. Das kann ein eingelegtes Tape
sein, was ihnen zugeschickt wurde und ein Interview mit der Band zur Folge hat (NMA) oder neu gewonnene Möglichkeiten auf der Kommunikationsebene. Die ehrliche, sehr persönliche Art wie
Ballo und Latex berichten und dabei immer selbstkritisch und reflektiert agieren zeugt von einer Offenheit und Offensive, die Antrieb gibt und tatsächlich eine große Motivationsquelle sein
und einem eine Menge Drive geben kann. Manchmal steigert sich gerade bei Ballo die Selbstkritik in eine dauerhafte Unzufriedenheit, mit sich und anderen hart ins Gericht gehen und begibt sich auf
die Suche nach den Kleinigkeiten, die noch nicht stimmen, ohne die Erfolge genießen zu können. Aber dann ist da noch die Leidenschaft für Punkrock, HC und dem DIY-Esprit, die die Motivation
weckt, wachsam, offen und kreativ zu bleiben, Neues zu entdecken und das anderen mitzuteilen.