LOTTA #53
68 DIN A 4 Seiten; €3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
lotta-magazin.de
Der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe thematisiert extrem rechte Freiräume. Orte der Kommunikation, Treffpunkte, frei von “gesellschaftlicher Einflussnahme und Sanktionen”. LOTTA stellt einige
dieser Räume in NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz vor. Zunächst definieren Verena Grün und Frieder Karlson was Raum eigentlich ist: das Ergebnis von “sozialer, kultureller und politischer Praxen”.
Des Weiteren werden die Begrifflichkeiten Freiraum, National befreite Zone, No-Go-Area und Angstraum erklärt und konkret Orte benannt, an denen sich die extreme Rechte regelmäßig zu Konzerten,
Veranstaltungen und Feiern trifft und Ansatzpunkte, den Nazis ihre Orte streitig zu machen. Olga Wendtke beschäftigt sich intensiv mit den oben erwähnten Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der
Ausstellung “Berliner Tatorte”, an denen rassistisch motivierte Verbrechen begangen wurden. Dafür hat die Autorin eine der Mitarbeiterin dieser Ausstellung, Sabine Seyb, interviewt, die sich sehr
kritisch zu den Begrifflichkeiten äußert, da diese nicht zielführend sind und passives Verhalten von Betroffenen suggeriert. Sie plädiert für eine genaue Dokumentation der Taten und Tatorte, die
die Verbrechen beschreiben und analysieren.
Christian Grünert und Jan Raabe widmen sich der “Bedeutung, Strategie und der Praxis extrem rechter Raumaneignung”, führen Verbände wie die Wiking-Jugend, der HDJ auf, in denen Nachwuchs
sozialisiert wird und ein rechter Kader entsteht. Daran schließt die Erweiterung des rechten Handlungsspielraumes an, “befreite Zonen zu schaffen”. Die Autoren untersuchen die Auswirkung dieses
Konzeptes, das in den 90er Jahren erfolgreich war und “tragfähige ökonomische Strukturen in Form von Label, Versänden, Läden, Tonträger, Kleidung” entstanden, sich in der Folge eine
“herausbildende Hegemoniefähigkeit extrem rechter Jugendkultur entwickeln konnte”. Heute -so stellen die Autoren fest- werden10% aller Räume kommerziell genutzt und fordern, der extremen Rechte
ihre Frei-Räume streitig zu machen.
Abschließend dokumentiert die Redaktion extrem rechte Freiräume, die dauerhaft oder temporär genutzt werden.
Im weiteren Verlauf gibt es einen Rückblick auf das Abschneiden extrem rechter Parteien bei der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Hessen. Die Kameradschaft “Weisse Wölfe Terrorcrew” wird
unter die Lupe genommen, ebenso Neonazi Markus Walter porträtiert. Es folgt ein wichtiger, aktueller Artikel zum staatlichen Umgang mit Sinti und Roma und der erste Teil der Historie um das
Wahrschauer Ghetto und der Aufstand.
Gesamteindruck: Es ist gut und wichtig, Nazistrukturen offen zu legen. Rechte Freiräume sind Orte, an denen eine rechte Alltagskultur (Kneipe, Konzerte) gelebt wird, an denen
extrem rechte Weltanschauungen gelehrt wird (Verbände), an denen eine Jugendkultur entsteht (Tattoo-, Bekleidungs-Läden, Versände, Tonträger…). Die LOTTA-Autor_innen vermischen in ihrer Analyse
zu extrem rechten Frei-Räumen Begrifflichkeiten und Aspekte der Gewalt, wobei letzterer Punkt verkürzt dargestellt und behandelt wird, ebenso die Untersuchung der rechten Alltagskultur in
ländlichen Räumen. Bekämpft werden müssen auch Orte, wo nationale Menschen als Teil der Gemeinschaft respektiert und nicht mit politischer Verfolgung diskriminiert und ausgegrenzt werden und eine
Normalisierung von Neonazis in der Bevölkerung stattfindet. Umsowichtiger ist gerade eine konkrete antifaschistische Politik im lokalen Raum, um die Schaffung einer rechten Infrastruktur zu
verhindern oder öffentlich darauf aufmerksam zu machen und rechte Macht- und Kontrollfunktionen zu unterbinden.