PLASTIC BOMB #80
80 DIN A 4 Seiten; € 3,50.-
Plastic Bomb, Postfach 100205, 47002 Duisburg
www.plastic-bomb.de
Micha hat kapituliert und sich nun in den Fängen, pardon, Händen eines Optikers begeben und trägt nun eine Brille, was er als etwas Besonderes erachtet. HC-Helge indes schwitzt am PC und schreibt
wirres Zeug, Ruhe kehrt bei Ronja und im P.B.-Headquarter ein, nachdem die abenteuerliche Reise einer LP ein gutes Ende nimmt. Herder ist nicht nur Vater geworden, sondern such sich auch das
pasene usikstück aus und freut sich auf Kategorisierungen und Liedeigenschaften, die er anstellt, um Songs zu finden und zu hören, die “mit solch einer fast schmerzenden Konsequenz und Gewalt
rüberkommt”. Gut rüber kommt auch das BEYOND PINK-Interview, die seit 10 Jahren die CRUST- und 80ies Metaltrends überstehen und heute etwas repräsentieren, was sie auch richtig fühlen.
KOTZREIZ fühlen sich als echte Punker und haben sich bei der neuen Platte mehr Gedanken über die Texte gemacht. Naja, die Mucke ist wie auf der ersten Platte und wirkt wie bei einer
CastingPunkband: künstlich und übertrieben. Micha erschreckt mich mit Fragen an RASTA KNAST wie in Fanzine-Anfängerzeiten, die Ausarbeitung erinnert als standardisierte F.A.Q. und geht leider
nicht über die Bandhistory hinaus, die Fragen bleiben oberflächlich und lassen dann auch keine interessanten Antworten zu. Bevor mir dann ganz die Augen bei BUSTER SHUFFLE, dem
PESTPOCKEN-Festivalbericht zufalle, werde ich bei BURNING SONS hellwach wie nach einer Flasche Club Mate. Helge hat eben das nötige Hintergrundwissen und spielt den Interview-Partnern den Ball
zu, den sie dankbar annehmen und ins Eckige zielen. Micha vergleicht Alex Schwers’ Veranstaltung (RUHRPOTT RODEO) bildhaft mit einem Gnadenhof und cahrakterisiert in fabelhafter Art und Weise das
Verhalten von Tier und Mensch, beobachtet Gattungen und lässt Federn am Plattenstand, während andere den Streichelzoo besuchen. Eine kurze Betrachtung liefert ein unbekannter Autor und befragt
MAN LIFTING BANNER zwischen Tür und Angel,die den Kampf gegen den Kapitalismus aufnehmen und sich für die revolutionäre Sache einsetzt. Einsatzfreudig zeigen sich POLIKARPA Y SUS VICIOSAS aus
Kolumbien, die sozial und politisch engagiert sind, Teil des “Frauen im Widerstand-Kollektivs” und mit ihrer Musik/Ideen an einer gesellschaftlichen Umstrukturierung und für die Freiheit und
Autonomie der Frauen kämpfen. ICITY RATS aus Israel unterstützen weder rechte noch linke Politik und verkaufen mit der Musik die Revolution. Darunter verstehen sie auch, ein DIE KASSIERER-Shirt
auf einem gemeinsamen Konzertabend zu tragen und rechtfertigen den solidarischen Akt mit der Einschränkung eines Malers, dem untersagt wird, ein Bild zu malen. Unabhängig bleiben will auch
die MakerInscene, früher hieß das Bastel- und Heimarbeit. “Linse” erklärt ihre Fertig- und Fähigkeiten und DIY darf auch mal Scheiße aussehen. Bastelanleitungen und Beispiele werden aufgeführt
und bieten eine echte Alternative zu HC-Häkeln, Punk-Makramee und Emo-Papierschöpfen. Vasco will Luxus für Alle und vergisst in seiner “Wunderbaren Welt der Propaganda” Quellen und Linkangaben
bei aufgeführten Beispiele anzugeben, was ein tiefes Runzeln hervorbringt. Dennoch bietet Vasco alltägliche antikapitalistische Entscheidungshilfen und Alternativen. Das Autorenkollektiv “Ingo
Taler” klärt nochmal über die ideologische Verknüpfungen extrem rechter Bands und einiger HC-Bands auf, die in der HC-Szene etabliert sind oder es versuchen. Ingo Taler entlarvt Bands und
Personen im Buch “Out of step”mit zahlreichen -leider auch oft fehlerhaft zitierten/übersetzten – Äußerungen/Texten als reaktionär und schlussfolgert, dass die “entpolitisierte Uneindeutigkeit”
zu einer Grauzone führt, die der Extremen Rechte einen Einstieg und Etablierung in die subkulturellen Bereiche ermöglicht und hier Menschen für ihre Zwecke ködert und rekrutiert. Hier hätte ich
mir auch Ausführungen darüber gewünscht, welche Strategien gegen den Rollback entwickelt werden müssen.
Gesamteindruck: Das P.B. bleibt ein Fanzine für alle Punker, bedient Crusties, Siffpunk und reine PunkmusikliebhaberInnen mit einer Mischung aus DIY-Kultur, Feminismus und
Mitmachrevolution. Die aktuelle Ausgabe misst sich an der Vorgabe, selbstgemachte Ideen und vorhandene Fähigkeiten anzuwenden und zu konzipieren, die Kontroverses und Altbewährtes aufgreift und
den fließenden Übergang zum Punk- und HC-Entertainment vollzieht. Immerhin gibt es noch viel Neues zu entdecken, und dass sind vor allem internationale Bands, Kollektive und politische Ansätze,
die unterstützenswert sind, die subkulturelle Ideologien erklären und DIY-Netzwerke legitimieren.