PUNKROCK! #17

 PUNKROCK! #17
PUNKROCK! #17

PUNKROCK! #17
100 DIN A 4 Seiten; € 4.-
Punkrock! Fanzine, Postfach 100523, 68005 Mannheim
www.punkrock-fanzine.de
Bocky ist Punk und Familienmensch. Zwischen diesen sozialen Extremen (und Widersprüchen) bleibt Platz und Raum, Neues und Altes aus der Subkultur zu entdecken und aufzuwärmen. Kollege Oliver philosophiert und sucht den Sinn im Punkrock-Leben, die Revolution und die Veränderung, wohingegen Martin sich zu Recht über Leute aufregt, die ständig an ihren Smartphones u.ä. rumfummeln und meinen, zu jedem Zeitpunkt erreichbar und verfügbar zu sein. Diana schlürft indes einen (Aspirin-)Cocktail und nutzt diese von Martin so verfluchten Kommunikationsmittel, um Geburtstagswünsche entgegen zu nehmen. Gefeiert wird auch mit BARB WIRE DOLLS und freizügigen, provokant-sexistischen Fotos von Sängerin Isis Queen, die mit ihrer Show die Revolution wachsen sieht und für die Freiheit kämpft. Frei(zügig) sind auch die Fotos von Isis, ein vermutlich verkaufsfördernder Grund für die Redaktion, sie aufs Cover zu “nehmen”. Bodenständiger sind da noch die MODERN PETS, die erst mal Hunger haben und über Kochbücher und Kochen diskutieren, immer noch nicht genug voneinander haben und ständig zusammen in irgendwelchen Clubs zu spielen, weil sie gerne nah am Menschen dran sind. Viellicht spielen sie demnächst mal Kuchelrock. Mit Gunnar von DRITTE WAHL wird es sehr intim und liefert tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt und die Aufarbeitung des tödlichen Verlustes von Bassist und Freund Busch’n. Mir gefällt der journalistische Schreibstil von Diana, der Bericht hat zwar ein pathetisches Ende, überzeugt aber mit den wesentlichsten Zitaten und weiterführenden zusätzlich recherchierten Informationen. Dann folgt das Special “Punk in Myanmar” mit tollen Fotos von Roland, die vor allem in der abgedruckten Größe und in Farbe sehr gut zur Geltung kommen, auch, weil die Punx sehr stylisch sind. Für mich gerade deswegen auch unverständlich, warum nicht eines dieser Fotos fürs Cover ausgewählt wurde. Einige werden bereits die Doku “Yangon calling” gesehen haben. Bocky nimmt sich die Produzenten der Doku zur Brust und klopft ihnen mit kritischen Fragen (geschönte Angaben/ Fotos, Aufwandpauschale für Darsteller….) auf die Finger, um die Wahrheit zwischen Anspruch und Wirklichkeit herauszufinden. Das Special ist fokussiert auf die Band REBEL RIOT. Andy hängt mit der Band ab und Roland interviewt Sänger Kyaw Kyaw, der über ihre Botschaft redet, die in meinen Augen antiquiert, parolenhaft, klischeehaft an die Früh-80er-Punktage erinnert, als Anarchie, “Fuck the governement”, “Fight the system!” als Antwort auf alle (oberflächlichen) Fragen herhalten musste, um anderen die Ziele von Punk zu erklären. Nun, die Punkszene in Burma ist noch sehr jung, ist orientiert und geprägt an die westliche Subkultur, wobei der religiöse Aspekt und das strenge islamische Recht die Hürden, sich Freiräume zu schaffen oder in Kollektive zu wohnen und leben, unüberwindbar machen. Trotz der vielen Klischees (Kleidung, Attitüde, Songtexte) ist natürlich zu berücksichtigen, wie sehr sich das gesellschaftliche Leben in Burma nach dem Systemwechsel verändert hat und eine rebellische Kultur seit 2010 auch als solche anzusehen ist, da Burma noch weit von einem Rechtstat entfernt ist und es viele Gründe für die schätzungsweise 300 Punx gibt, die gegen politische und wirtschaftliche Situation in Städten wie Rangun und Mandalay kämpfen. Hier ist Punk wahrlich noch ein Akt der echten Rebellion! Diesen greift auch ZSK wieder auf und hat eine wirklich tolle Scheibe am Start, die mit Antifa_Support und Herz für die Sache engagiert sind, Punk mit Solidarität für linke Ideen und Zentren und geradlinige Songs schreiben zu verknüpfen. Ergänzt wird das kurze Band-Interview mit Fragen zum bandeigenen Bekleidungslabel “Volume Clothing” und der “Kein Bock auf Nazis”-Kampagne, die in “Wer fragt die Maus”-Manier einfach gehalten werden. Einfache(s) (Nach)Fragen reichen auch bei Hana Hiller aus, um ihren Beruf im heiteren Ratespiel “Was bin ich?” zu erraten, was die Ratefüchse anspornt und gleich mehrere Tätigkeiten von Hana rät, sogar die Lieblingsbiersorte, Lieblingspferd und Unterwäsche.
Gesamteindruck: Eine richtig gute, abwechslungsreiche Ausgabe. Kumpel Kolly meint, das PUNKROCK! habe dem Plastic Bomb den Rang abgelaufen. Und ich bin erstaunt über den journalistischen Spürsinn und Enthusiasmus, mit dem die PUNKROCK!-Redaktion zur Sache geht, um “Action, Sex und tote Menschen” vorzustellen und getreu dem Motto: Think global, act local!” zu handeln. Auch in weiteren Ausgaben sollten Schwerpunkt-Themen im Heft erarbeitet und präsentiert werden, stellen diese doch eine Kontinuität im Wandel dar, Punk unter kulturwissenschaftliche Aspekte zu beleuchten.

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