AIB # 102
60 DIN A 4 Seiten; €3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Mit dem Schwerpunkt "Rassismus" werden rassistische Kampagnen gegen Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte analysiert. In ihrer Analyse stellt Autorin Simone Raffael fest, dass die NPD 2013
strategisch erfolgreich war, "die Ängste der Bevölkerung zu schüren, zu kanalisieren und sie hinter ihren rassistischen Bannern und Fackeln zu vereinen". Berlin Marzahn-Hellersdorf, Schneeberg in
Sachsen, Leipzig und anderen Standorten für Flüchtlingsunterkünften, die extreme Rechte war stets vor Ort, tarnte sich als besorgte "Bürgerinitiative", um rassistische Stimmung dagegen zu
machen. Gleichzeitig hebt die Autorin ihrem Artikel heraus, dass die Idee der rechten Bürgerinitiative nicht neu ist, sondern auch in den 80er und 90er Jahren umgesetzt wurde und die Mär von
Asylmissbrauch und Ausländerkriminalität schürt.
Janku Kluge untersucht die Proteste in Baden-Württemberg gegen Flüchtlingsheime, die sich hauptsächlich im Großraum Stuttgart konzentrieren. Dabei greifen neonazistische Gruppen die Ablehnung
besorgter AnwohnerInnen gegenüber Flüchtlingen auf und verstecken ihren Rassismus hinter scheinbar nachvollziehbaren Gründen. Wo Pläne zur Einrichtung einer neuen Unterkunft für
Flüchtlinge/Asylsuchende auftauchen, formiert sich auch im Netz Widerstand einer gefährlichen Allianz aus BürgerInnen und der extremen Rechte. Das Internet und gerade das Soziale Netzwerk
“Facebook” spielen dabei eine wichtige Rolle. Auf selbst gegründeten Facebook- Seiten und in entsprechenden Gruppen wird der Protest koordiniert und Stimmung gemacht. Hinter diesen vermeintlichen
Bürgerinitiativen sind meist die NPD oder andere AkteurInnen der extremen Rechten zu vermuten, rassistische Stimmen sind aber auch aus der gesellschaftlichen Mitte zu vernehmen.
Das Antifa-Komitee Leipzig sucht nach geeigneten Gegenstrategien, da eine Interventionsstrategie nicht existiert und macht Vorschläge, um "praktisch" voranzukommen: keine Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft, Stärkung der antirassistischen Perspektive, Situationsanalyse.
Und die Flüchtlinge selbst? Die größten Flüchtlings-Selbstorganisationen sind sich uneinig im Verhältnis zwischen weißen und migrantischen Antira-Gruppen, die antifaschistische und
antirassistische Linke ist in der Krise und PolitikerInnen laden mit rechtspopulistischen Reden die rassistische Stimmung auf.
Gesamteindruck: Im Kampf gegen Rassismus und Faschismus hat die radikale Linke und die Antifa-Bewegung viel zu tun: zum Einen ist es wichtig, eine klare Rassismusanalyse zu
formulieren, die die Gesellschaftspolitik mit einbezieht, des Weiteren ist ein Schutz der Geflüchteten wichtig, um Gegengewalt abzuwehren, eine Öffentlichkeit zu erzeugen, eine Beteiligung der
extremen Rechten an Bürgeinintitativen aufzudecken, mit Willkommens-Initiativen, Patenschaften, Angebote für die Leute vor Ort Unterstützungsarbeit leisten und die Zivilgesellschaft mit Aktionen
und Argumenten die Bedürfnisse und Verhältnisse der Geflüchteten thematisieren.
Leider versäumt es das AIB-Kollektiv den Kern des rassistischen Problems zu thematisieren: die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Aber solange sich rassistische Denkmuster in Staat und
Gesellschaft halten, sind solidarische Bündnisarbeiten umso notwendiger, mit einer Zusammenarbeit mit Flüchtlingen eine gesamtgesellschaftspolitische Bewegung zu mobilisieren, die umsetzbare
Handlungsstrategien erarbeitet.