PLASTIC BOMB #87
80 DIN A 4 Seiten; € 3,50.- + CD
Plastic Bomb, Postfach 100205, 47002 Duisburg
www.plastic-bomb.de
Sookee wird sich im Herbst von der Bühne zurückziehen und eine Pause einlegen, Kadda hat sich ihre neue EP angehört und hat Fragen zum Inhalt und zur Annäherung an die
Antilopen Gang, die Sookee kritisiert, aber diese auch "für das meiste respektiert". Micha besucht ein DESCENDENTS-Konzert, die "verdammt gut in Schuss" sind, befragt
MISSSTAND nach der Szene in Klagenfurt/Österreich und erfährt, warum Schmetterlinge Bomben auf die Stadt regnen lassen. AUTISTIC YOUTH haben versucht,
"unsere eigenen Konventionen und unser Vertrauen an Regeln zu missachten" und verdienen in Teilen ihren Lebensunterhalt mit Pizza machen. 100 BLUMEN haben keinen Bock
auf Nazis und Nazis-Uniformen, bevorzugen politische Rauschpartys, wünschen sich die drei wichtigsten K's: Koks, Kommunismus und Katzen. Für DIE BULLEN klingt ihr entwickeltes
Konzept "erst mal wahnsinnig albern und schenkelklopferisch", finden, dass zu wenig über die Polizei nachgedacht wird, benutzen Satire als Form der Kritik und pissen diejenigen an, die andere
diskriminieren und schlüpfen dafür in eine Rolle, die sie selber scheiße finden. Ist der Typ von LOVE A eine Heulsuse? Lars und Micha versorgen sich mit 10
Flaschen Bier und besuchen JörKK, der von Natur aus nicht auf den Mund gefallen ist, der sich bewusst nicht an die Jugend klammert und gerne Klischees, das Engstirnige kritisiert.
Vasco schaltet sich in die "Grauzonen-Diskussion" ein, filtert 2 Lager heraus, wobei die einen "verkopfte Spaßbremsen" sind, die anderen "Neanderthaler", die diese
Freiräume für ihre "plumpen Asi-Parties" missbrauchen. Ferner resümiert Vasco, dass er bei den Grauzonen-Bands inhaltlich nur den "ganzen Querschnitt durch die Gesellschaft" herausliest.
Mir fehlen da die wesentlichen Merkmale und Kriterien, wonach eine Band als "Grauzone" definiert wird. Ästhetik, Texte, Statements, Symbolik und (Verlust der) emanzipatorische(n) Werte,
Image-Merkmale, die Anknüpfung der Lebenswelten von rechts, »anti-rechts« und »unpolitisch«. Wichtiger: Die Inszenierung der Männerwelt sowie konservative bis reaktionäre Wertvorstellungen, die
über Texte, Statements, Symbolik und Ästhetik transportiert werden und im Verhältnis zu Punk und OI stehen. Anstelle dessen macht es sich Vasco einfach, indem er sich keine "typisch linke
Kleinkriege" mehr wünscht und das PLASTIC BOMB von jeglichen Schuldfragen freispricht, da es eigene Maßstäbe im Umgang mit der Grauzone setzt, da "im Heft das drin ist, worauf die Macher Lust
haben". So verkommt der Werte-Träger zum Werbeträger und das politische Label als Selbstverpflichtung hat ausgedient und die extreme Rechte hat es leicht, wenn sie ihren Rassismus, ihren
Sexismus, ihre Homophobie verschlüsseln oder auf Stammtisch-Niveau halten.
Gesamteindruck: Die P.B.-Redaktion hat aufgeräumt. News, Konzertdaten raus, Anders Leben-Inhalte und punkferne Inhalte wie HipHop, Mittelalter-Rock integriert. Mit den neuen
Vermarktungsmöglichkeiten und den Blick "über den Tellerrand" wird eine neue Klientel angesprochen, die mit Punk bislang wenig Berührungspunkte hatten, dennoch bleibt der "Punkrock im Herzen",
HC-Helge führt demnächst einen internationalen HC-Blog ein und in Sachen Eigenbewerbung (Mailorder, Label, Shop) bleibt das P.B. Spitze. Die vermeintliche Unvereinbarkeit von ökonomischen
Interessen und moralischen Werten bietet Anlass zu einer spannenden Auseinandersetzung im Wettbewerb zwischen lokalen Interessenkonflikten und global wirkenden Trends. Was dem P.B. mangelt, ist
eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem bestimmten Phänomen oder einer bestimmten Gruppe von Menschen, als um Darstellung von Lebenswelten, denen es an analytischer Schärfe fehlt. Wo
sind die Widersprüche und Komplikationen, die einen öffentlichen Diskurs anregen, die einen Lifestyle repräsentieren, der einen Anspruch auf ein anderes Leben manifestiert...