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Umsonstökonomie

Umsonstökonomie ist eine Sache der Tat, der unmittelbaren Praxis und des kreativen Versuches, etwas ganz Anderes zu schaffen.

    Der Ausdruck „umsonst“ beschreibt einen Zustand unserer Gesellschaft, in der der Waren- und Geldwert vorherrscht. Denn sie bedeuten, dass für Dinge kein Geld ausgeben werden muss. Der Begriff kann durchaus einen positiven Lerneffekt auslösen, mensch setzt sich bestenfalls mit Kapitalismus, Konsumkritik, Wegwerfgesellschaft und der eigenen Beziehung zum Konsumverhalten auseinander.

Der Drang, Dinge/Waren konsumieren zu müssen ist eine subjektive Entscheidung, ist sogar ein „Zeitvertreib“, der um seiner selbst willen geschieht und deshalb die Tendenz zur Maßlosigkeit in sich trägt. Kapitalismus hat auch Auswirkungen im Sozialverhalten und zeigt, wie er die Menschen entfremdet, wenn Genuss zum Selbstzweck wird. Menschen verlieren das Verhältnis zu den Dingen und können den Wert nicht mehr einschätzen. Das hat zur Folge, das Dinge leichtfertig weggeschmissen werden, weil sie im Denken des „Nutzers“/der „Nutzerin“ weggeworfen gehören oder/und durch neue Dinge ersetzt werden müssen. Und irgendwann merkt jemand wie unnatürlich dieses Verhalten ist. Laut der Umweltbewusstseinsstudie 2012 sind 80 Prozent der Befragten bereit, ihr Konsumverhalten zu ändern. Allerdings sieht das mit der Umsetzung ganz anders aus. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist sicherlich, die Angst, etwas zu verlieren, was mensch „besitzt“ und ist weniger bereit, auf etwas zu verzichten. Auf der andren Seite tickt die „Belohnungsmaschinerie“. Diese wird immer dann in Gang gesetzt, wenn körpereigen Endorphine das Nervensystem durchfluten. Wir kaufen dann Dinge, die wir gar nicht brauchen. Der Vorgang, sich etwas zu „gönnen“ oder zu „leisten“, im Austausch mit Geld eine Ware zu erhalten, kann im Gehirn Belohnungsstoffe ausschütten. Insofern ist die Suche nach Alternativen, ist der Zweifel am eigenen Konsumverhalten auch ein innerer Konflikt, sich diesem zu verweigern. Wir sind beeinflusst von Mechanismen, die darauf abzielen, den Wert einer Sache zu ermitteln, beim Verlust einer Ware, diesen Wert ersetzt zu bekommen oder zumindest einen geringen Abschlag zu erhalten, um dafür erneut eine Ware zu kaufen. Warum haben aber fast alle Dinge in dieser Gesellschaft einen „Wert“? Sie sind losgelöst voneinander, völlig ohne gemeinsame vorausgehende Verabredungen, privat produziert worden. Diese Privatproduktion hat sich durchgesetzt. Meist wird Geld als Kapital eingesetzt, um menschliche Arbeitskraft einzusaugen und sich dadurch zu vermehren. Weil die Dinge als Waren privat hergestellt wurden, müssen sie auf den Markt gebracht werden. Um ihre gesellschaftliche Nützlichkeit beweisen, müssen sie vorher als Warenwerte auf dem Markte gegen Geld ausgetauscht werden. Wenn die Produktion nicht gemeinschaftlich verabredet in Bezug auf die Bedürfnisse der Beteiligten gelaufen ist, muss auf dem Markt der Wert den unpersönlichen Regulator spielen (mit all den sich inzwischen als problematisch zeigenden Begleiterscheinungen, zum Beispiel bezogen auf Klimaveränderungen).
Die „Umsonstökonomie“ legt nahe, dass es eine Wirtschaft geben könnte, in denen Menschen Dinge brauchen, verwerten und ersetzen. Aber der Zusammenhang von Produktion (Herstellung der Dinge und Dienste) und Konsum (Ge- und Verbrauch) kann nur über den Markt oder direkt bewusst verabredet laufen. Wir sind Teil der „Warenwelt“ und sind es gewohnt, uns über einen Markt mit Gütern auszutauschen.
Mehr noch, besteht zunächst eine starke Abneigung dagegen, sich dazu auch direkt zu verabreden, um einen Teil der Sachen gezielt für die Gemeinschaft herzustellen (solidarische Ökonomie) oder Dinge zu verschenken.
Die innere Verwobenheit von umsonstökonomischen Konzepten und gesellschaftstheoretischen Ansätzen birgt aber auch kritische Reflexionen. Elmar Flatschert hat in seiner Kritik(1)an der „Umsonstökonomie“ deutlich gemacht, dass „Gebrauchswert und Tauschwert als Kategorien in potentiell ideologischer Weise reduziert (werden) auf eine individuelle Bestimmungsebene(...)“.
Doch Umsonstökonomie stellt auch eine zukunftsfähige Gesellschaft dar. Menschen fordern ihr Recht auf die Gestaltung ihrer unmittelbaren Lebenswelt ebenso ein, wie die Zugangs- und Nutzungsrechte an lebensnotwendigen Dingen. Es geht auch um eine grundsätzliche Neuausrichtung der Gesellschaft jenseits von Konkurrenz, Profit- und Wachstumszwang. Durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Do-it-yourself-Initiativen, Schenkwirtschaft und die Schließung regionaler Stoffkreisläufe soll der Ausstieg aus der fossilen Energie und die Unabhängigkeit vom Weltmarkt erreicht und die sozialen Beziehungen verbessert werden.

Reste nutzbar machen
    In der Umsonstökonomie geht es auch um Nachhaltigkeit, die Reste der Gesellschaft für alle nutzbar machen und somit der Wegwerfgesellschaft etwas entgegenzusetzen. Der Prozess des Recycelns schließt wiederum produktive Tätigkeiten mit ein. Damit verbunden existiert eine Kampagne gegen Nahrungsmittelvernichtung. In diesem Sinne kann auch Containern zur Umsonstökonomie gezählt werden, das heißt aus Containern bei Supermärkten, Großbäckereien, Gemüsehändlern nach weggeworfenem Essen zu suchen. Teilweise bestehen jedoch auch Vereinbarungen mit Bäckereien, Großhändlern oder auch Bauernhöfen, nicht verkauftes Essen abholen zu dürfen. Solches Essen bietet häufig auch die Grundlage für Volxküchen, die umsonst oder gegen Spende öffentlich kochen.
Zur Umsonstökonomie zählen NutzerInnengemeinschaften, also Personen, die etwas gemeinschaftlich nutzen. Diese Solidargemeinschaften basieren auf dem Prinzip, dass nicht alle alles besitzen müssen, nur um es ab und zu gebrauchen zu können. Dies können Gegenstände sein oder auch Fertigkeiten und Wissen, die weitergeben und zur Verfügung gestellt werden.

Auf der Suche nach einer herrschaftsfreien Gesellschaft
    Es gilt der Anspruch, eine Mitbestimmung zu bekommen, eine Praxis der Wiederaneignung zu erreichen und menschliche Bedürfnisse auf der Basis freiwilliger Kooperation, Selbstorganisation und gegenseitiger Hilfe zu befriedigen. In diesem Prozess werden soziale Vereinbarungen getroffen wie Menschen Dinge nutzen können und lernen Ressourcen selbst zu verwalten. Hierbei gilt nicht das Tauschen von Waren als Handlungsprinzip, sondern das Teilen und Schenken. Dieses setzt Vertrauen, Verantwortung und Kommunikation voraus und orientiert sich an einer ökologischen Nachhaltigkeit. Es geht um ein besseres Leben, um die Entfaltung der Menschen - und hier stehen die Fähigkeit oder das Geschaffene nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen oder fördern sich sogar gegenseitig.
Mit der Selbstentfaltung des Menschen kann es eine andere, individuell entlastende Form der Vergesellschaftung geben. Der Einzelne entfaltet sich, ihm nützt dabei die Selbstentfaltung der vielen Anderen, während die eigene Selbstentfaltung die Möglichkeiten der Anderen verbessert. Die eigene Produktivität trägt immer automatisch zum Gesamten bei, weil die Interessen nicht mehr zerlegt und voneinander getrennt werden.
Nur eine (soziale) Bewegung kann herausfinden, was alles und wie es zu ändern ist. Zu klären ist, inwieweit emanzipatorische Aspekte in der Praxisform Umsonstökonomie eingebunden sind. Elmar Flatschert sieht in der „Hinterfragung der (vermeintlichen) ‚Stärke‘ der eigenen Praxis“ einen Ausgangspunkt, das emanzipatorische Unterfangen als eine gemeinsame soziale Bewegung zu verstehen, die zum (gesamtgesellschaftlichen) Erfolg führt, wenn sie „sich sowohl arbeitsteilig segmentiert, eigene Zusammenhänge mit eigenen Zielen begründet, als auch ihre Verwobenheit in FreundInnenschaften, Bündnisse, soziale Netze, öffentlich-politische Repräsentationen und viele andere Formen des Gemeinsam-Werdens wahrnimmt und sie bewusst vorantreibt.“
    Dieser Erfolg kann aber auch nur dann erreicht werden, wenn Kapitalismus und das Wachstumsmodell grundsätzlich in Frage gestellt werden. Eine herrschaftsfreie Ökonomie darf einerseits keine/n vom sinnvollen Handeln ausschließen, andererseits keine/n zum Erbringen einer bestimmten Leistung zwingen. Eine herrschaftsfreie Ökonomie muss einerseits die Versorgung der Menschen mit allem zur Grundversorgung gehörenden Bedürfnisse organisieren und andererseits die Erfüllung der besonderen, individuellen Bedürfnisse aller Menschen ermöglichen. Eine herrschaftsfreie Ökonomie setzt also eine gewisse gesellschaftliche Produktivität voraus. Diese gesellschaftliche Produktivität muss einerseits global für alle Einzelnen und alle Kollektive zugänglich sein und andererseits sozial und ökologisch keine Herrschaftsverhältnisse (re-)produzieren.

Anmerkung:
(1) http://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=theoriezeitschrift&index=3&posnr=44

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