PLASTIC BOMB #89
80 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.- + CD
Plastic Bomb, Postfach 100205, 47002 Duisburg
www.plastic-bomb.de
Micha hängt beinahe jeden Abend vorm Fernseher ab und schaut "fasziniert die weltbesten Spieler" beim Darten zu. So beschreibt er dann als Dart-Fan eine Besuch bei den European
Darts Championships. Ich bin sprachlos, was daran interessant sein kann, mit einem Pfeil auf eine kleine Scheibe zu werfen und staune, dass sich Micha eigentlich mehr ums
Saufen, Singen und Zwischenrufe kümmert. Wenn's Spaß macht...aber darten mit Punk in Verbindung zu bringen?! Was will Micha und das P.B. uns als nächstes verkaufen? Rommé und Punk? Das muss am
Alter liegen...
Henni und Übersetzer Schröda interviewen I KNOW aus Weißrussland, die sich als Kollektiv sehen, die in ihrer Heimat nicht öffentlich auftreten und dementsprechend
"illegal" spielen Monchi von FSF mokiert sich über Szenechic, Antifa_Demos als Eventerlebnis und dem Kontrast, auf einem Dorf in Ostdeutschland für sein T-Shirt aus Maul
zu kriegen und provoziert lieber die Klischee-Antifas und Nietenpunks. Häktor befragt Thomas und Katharina, die als Booker und Superproducer für kreative Inhalte bei
Circus Halligalli verantwortlich sind. Ah ja...ganz unkritisch und unreflektiert wird hier "Punk" im Massenmedium ein Forum gegeben und zugleich Werbung für PRO 7 gemacht. Ein
diskussionswürdiger Prozess wie P.B. Punk im Kontext der Kommerzialisierung entwickelt.
Marcus Wiebusch hat ein Soloalbum veröffentlicht, kritisiert eine Netzkultur, die "durch Anonymität(...)verroht ist", bemängelt ein fehlendes Polit-Interesse bei jungen Leuten
und ist selbst desillusioniert "von gewissen Aspekten in der Politszene". Ronja besucht ein Konzert von ALIEN SEX FIEND, ist beeindruckt von den dramatischen Lichteffekten und genervt
von (Voll)Deppen neben ihr. THE BABOON SHOW reden über Essen auf Tour und über den Unterschied zu alten und neuen Songs. ELF erklärt den kurzen Werdegang der
TARGETS, während es bei LOIKAEMIE einige Widersprüche gibt, die die Band selbst verursacht und diese als Provokation erklärt. HC-Helge wird nach
Trondheim eingeladen, wo die Geschichte des DIY-Punk in Norwegen ausgestellt wird. Hieran knüpfen Interviews mit dem Kuratoren und einigen Mitwirkenden an. Der "Propagandaminister" Vasco
widmet sich den Themen Ebola, ISIS, Wirtschaftskrise, Flüchtlingspolitik und schlussfolgert ganz allgemein, dass es um Profit-, Machtinteressen geht, wobei sich Vasco im
Dilemma der sich ständig wiederholenden Argumentationslinien befindet, denn egal, was für ein Thema er auch aufgreift, es sind immer die Folgen des Kapitalismus, die er mit immer den
gleichen Argumenten sichtbar macht. Der für mich einzige interessante, weil subversive Ansatz, ist der Artikel von Kadda, die in diesem Zusammenhang "Street Art",
KünstlerInnen und Aktionsformen porträtiert.
Gesamtergebnis: Aber was haben Darten, Circus Halligalli, Klassentreffen und die Reise mit einem Fernbus eigentlich mit Punk zu tun? Wenn ein Organ spießige Bürgerlichkeit
versprüht, verkommt Punk zu einem moralischen Verfallsprodukt, zu einer distanzlosen Anbiederung an soziozentrische bzw. konventionelle Themenfelder außerhalb der Subkultur. Die aktuelle Ausgabe
liefert erschreckend viele Belege, wie Punk gesellschaftliche Normen adaptiert und wenig Hinweise darauf, wie Punk als Ort gegenkultureller Bewegung fungiert. Vorbei die Zeit, wo in diesem
Authentizität, Nonkonformität, Kreativität, Individualität oder Rebellion entwickelt wurde?