Stumpfer Rumpel-OI mit platten Nazi-Attitüden war gestern. Seit einigen Jahren ist der
jugendkulturelle Teil in der extremen Rechte dabei, sich neu aufzustellen und zu modernisieren. Auch Rap wird adaptiert, um extrem rechte Botschaften zu verbreiten und eine solide Basis für die
menschenverachtende Ideologie zu schaffen.
Doch so schnell sich einige NS-Rapper Gehör in der Kameradschafts- und jugendkulturelle
Szene verschafft haben, so schnell scheinen viele NS-Rapper auch in der Versenkung verschwunden. Zu groß sind offenbar die Widersprüche, zu groß die Ablehnung, um einen ernstzunehmenden Faktor
mit Zukunftsperspektive zu entwickeln und NS-Rap als eigenständige Jugendkultur zu etablieren. Übrig geblieben sind einige wenige Nationalisten, die sich mit patriotischen Rap in der Grauzone
tummeln, ohne ihre wahren Absichten verstecken zu können.
Nationaler Rap war dünn besetzt. Dissau Crime, Zyklon Beatz, Natürlich, Sprachgesang zum Untergang und das n'Socialist
Soundsystem hießen die bekanntesten nationalen Rapper. Für die Modernisierung der rechten Szene sind die verschiedenen musikorientierten Szenen verantwortlich, die mit ihrem kulturellen und
politischen Selbstverständnis die alten verkrusteten Strukturen aufbrechen und verändern. Somit ist eine eigene rechte Jugendkultur herangewachsen, in der sich neben dem zentralen Aspekt, der
Musik, extrem rechte Ideologien und Botschaften verorten lassen.
Musik als Transportmittel für rechte Ideologie funktioniert bestens, denn Musik ist Macht, ist Bindemittel jugendlicher Subkulturen. Die rechten Musiker sehen sich dabei eher als nationale
Sozialisten, nicht als HipHopper, kritisieren die Musik zum Teil sogar stark.
Das n`Socialist Soundsystem (oder auch Enessess oder NSS) ist/war ein Nebenprojekt der NS-Metal-Band Häretiker aus
Ludwigshafen und wurde nach eigenen Angaben im Frühling 2010 von Thule (Produzent) & Henry H. (Rapper) gegründet um “(…)mit der Eisenfaust am Lanzenschaft in die deutsche (treffender
deutschsprachige) “HipHop-Community” zu dreschen. Warum? Weil wir auf HipHop scheißen!”
Im Interview mit dem rechten Karlsruher Netzwerk sagte einer der beiden Macher von n'Socialist Soundsystem: «Wir gehen unseren Weg, wir sind nationale Sozialisten und keine HipHopper.»
Deutlicher wurde das nationale Soundsystem auf der Homepage:
"Gleich zu Anfang wurde klargestellt, dass man mit irgendwelchem „HipHop-Gangsta-Urban-Community-Scheißdreck“ nichts zu tun hat, sondern diese Musik als Propagandamittel für die Bewegung
versteht…".
Ganz offen geben sie im Interview zu, dass die Jugend infiltriert werden muss als Teilstrategie mit dem Ziel, einen Staat nach ihren Vorstellungen zu schaffen. Welche Vorstellungen dies sind,
wird an den Aussagen der Band deutlich. Enesess glaub(t)en an die Idee der rassistischen Volksgemeinschaft und die Überlegenheit des national-sozialistischen Systems gegenüber einer
Demokratie.
NS-Rap wird als "Alternative" angesehen, um jüngere Leute, die mit dem Genre Hip Hop bereits vertraut sind, anzusprechen.
Doch das nationale Sprachrohr scheint derzeit die Luft ausgegangen zu sein. Weder die Facebook-Präsenz noch die Soundsystem-Homepage wird seit 2013 aktualisiert. Anders dagegen die Bruder-Band
HÄRETIKER, die mit der Split-Veröffentlichung "Blut zu Blut" die Blicke weiter nach vorn richten.
Auch die extrem rechte Hatecore-Band ETERNAL BLEEDING haben mit „Sprachgesang zum Untergang“ ein nationales Rap-Projekt
gestartet. Auf dem einzigen veröffentlichten Album (2010) sind sechs Songs zu hören, in denen es inhaltlich um klassische Neonazithemen, die „kranken Auswüchsen der BRD“, geht.
Die Idee, HipHop zu machen, sei entstanden «aus der aktuellen Stagnation der ‹nationalen Musikindustrie›», «dem eigenen Wohlwollen an dieser Musik als Transportmittel politischer Weltanschauung»
und dem Reiz, neue Wege zu gehen, sagt Sprachgesang zum Untergang im Interview mit dem Freien Netz Altenburg. Das SZU-Album bedient aus der Klischeekiste der Neonazithemen zu den „kranken
Auswüchsen der BRD“. Es gibt einen Anti-Kriegssong „Krieg auf der Welt“, in dem an die Würde des Menschen erinnert wird. In dem Lied „Sag mir warum?“ fordern SZU dann die Todesstrafe für
Kinderschänder und in „Dunkle Zeit“ wettern sie gegen das kapitalistische System. Ihre Songs waren auch auf der „Schüler-CD“ des „Nationalen Widerstands“ zu hören:
„Raus auf die Straße die Segel sind gesetzt. Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt. Trotz linker Blockade den Bullen widersetzt. Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt jetzt. Ist das Banner und
die Fahne auch mal zerfetzt. Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt. Drauf geschissen ob die Presse gegen uns hetzt. Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt. Jetzt, jetzt, jetzt!“
(„Nationaler Sozialismus Jetzt“, SZU)
“Villain051″ aus Berlin hat auf “VOLK5MU5IK” mit der in nationalen Kreisen bekannte, ebenfalls aus Berlin stammende, Sängerin “Dee Ex”, alias Mia Herm, zusammen gearbeitet. Textlich bewegt sich
das Album dabei von klar national gerichteten Liedern wie etwa “Vaterlandsliebe” oder “Rap Holocaust”, bis zu dumpfen Liedern wie “Ich mache die Chicks klar”. Gängige Rap-Themen werden mit extrem
rechten Botschaften verknüpft, die darauf abzielen, gedanklich/weltanschauliche System-Alternativen zum "BRD-System" anzubieten, dieses zu überwinden, mit Musik und Text den Wirkungskreis
erweitern und somit nationale Inhalte in Jugendkulturen etablieren. Hinter dem Pseudonym "Villain051" verbirgt sich Patrick Killat, der weniger durch seine dilettantischen Verrenkungen und
Rap-Musik bekannt ist, als mehr durch durch medienwirksame Auftritte in Verbindung mit teilnahmen an NPD-Demos oder bei rassistischer Mobilmachung Anfang letzten Jahres gegen die
Flüchtlingsunterkunft in Marzahn-Hellersdorf. Killat nutzte die Mobilmachung für einen Videodreh, an dem auch der NPD-Kreistagsabgeordneter Marcel Zech teilnahm, und offenabrte ein neues
Band-Projekt. Killat tritt hier mit dem nationalen Kameraden "R.A.W" als „A3STUS“ auf, die sich beide den Gesang auf ihrem Album „Wehret den Anfängen“, teilen. „A3stus“ verbreiten auf ihrem
Facebook-Profil revanchistische und extremistische Postings und Kommentare.
Verurteilter NS-Rapper
Sash JM war für das Forum „Rechtsrap“ verantwortlich. Seine Webpräsenz www.sash-jm.de führt hingegen in die Leere.
Sash befindet, dass die "neue Musikrichtung" (gemeint ist Nazi-Rap) im Netz "stärker vertreten sein muss" und fordert ein Zentrum, "in dem volksfreundliche und patriotische Musiker ihre Musik
veröffentlichen". Dafür hatte er offenbar diese Homepage ins Leben gerufen und arbeitete ab Februar 2010 daran, ein Netzwerk zu erstellen. Doch außer seine beiden Alben "Gottes Stimme" und
"Satans Stimme" gab es keine weiteren Anzeichen von "voklksfreundlichem, patriotischem Hip Hop", der so schlecht gerhymt ist, dass youtube-Kommentare zu seinen Videos dann auch in etwa so
aussehen: „Abgesehen davon, dass deine textinhalte aus müll und schwachsinn bestehen, hast du weder flow noch stimme(...)Junge, Junge, wo bleibt die Euthanasie wenn man sie braucht“ (Anmerkung:
Fehler im Original), was den nationalen Rapper nicht davon abhält, mit Frank Rennicke mehrere Duette zu rappen (u.a „Die neue Nationalhymne“, „Ewiges Deutschland“) und seine „göttlichen Phrasen“
zu verbreiten.
Hinter dem Pseudonym Sash JM verbirgt sich Alexander Klenke, geboren am 13.04. 1988 in Kiew. Alexander lebt seit 1993 in Minden und schreibt in seiner Selbstdarstellung, dass er 2001 das
Elternhaus verlassen hat, seit 2003 abwechselnd im Heim, auf der Straße, in Klinken und Gefängnissen lebt. Ein richtiger Ghetto-Rapper eben. Bevor Sash/Alexander NS-Rap produzierte, hat er auch
Gedichte geschrieben: "Ich fahr weg, krümm die Zeit, ohne Auto und Schein . Aber nicht ohne Dich, Dich, mein kleines Meerschwein" heißt es in "Nadine", ein Liebesgedicht mit naiv-pubertärem
Quatsch. Doch in ihm schlummert auch ein missverstandener Künstler, der nicht nur Liebe gibt und Drogen nimmt, sondern ein Rebell sein will, "ein Soldat ohne Waffe, ein Kämpfer ohne Gesellen".
Einsam und von allen guten Geistern verlassen, rappt und battlet er hinter Gitter wie ein Freak, den man nicht retten kann, "das beste Beispiel bin ich." Damit sollte er Recht behalten.
Mit diesem ganzen Opfer-Getue überforderte Sash/Alexander offensichtlich auch die SeitenbesucherInnen wie Komandant 88, der im Forum nach dem Sinn der Seite fragt. Rechtfertigen muss sich der
"Künstler" dann auch noch, wenn er kritisiert wird, kein echter Deutscher zu sein: "ich habe teilweise deutsche wurzeln und selbst wenn nicht: es geht um die schicksalsgemeinschaft der weissen
und nicht um kleinkarierten scheiss." (Fehler im Original). Rap sei schließlich keine deutsche Musik, aber "wir leben im 21. Jahrhundert".
Folglich beruft sich Alexander/Sash auf den völkischen Nationalismus als Weg und Fortbestand für die europäische weiße Rasse. Mit "Schicksalsgemeinschaft" meint er die "gemeinsame Rasse und den
arteigenen Lebensraum", der "schrumpft" und seit dem Ende des 2. Weltkrieges "gespalten" ist.
Im November 2012 wurde Sash JM festgenommen. Im Oktober 2013 wurde er schließlich wegen dem Mord an einer 44-jährigen Frau in Hannover zu 12 Jahren verurteilt. Laut Medienberichten war der
Auslöser hierfür, dass die Frau sich über seine rechtsradikalen Ansichten lustig gemacht hatte.
Der “Sprachgesang mit nationalen Inhalten” für rechtsradikale Aktivisten offenbart Potential. Durch das Bedienen dieses
Musikstils werden neue Möglichkeiten geschaffen, Jugendliche anzusprechen, welche man mit dem gängigen Rock oder Balladen nicht mehr erreicht. Doch etliche Kameraden haben sich nach kurzer Zeit
ganz aus dem NS-Rap verabschiedet, widmen sich anderen musikalischen Genres, die kommerziell erfolgreicher sind. Zu groß waren die Widerstände aus der Kameradschaft-Szene, die mit Rap und
nationalem Sprechgesang nichts anfangen können. Eine Umfrage im politikforen.net zu diesem Thema ergab, dass 70,59 % der (wenig abgegebenen) Stimmen Rap für nicht akzeptabel halten.
Obwohl einerseits die Ablehnung für NS-Rap hoch ist, wird anderseits die Idee, "Rap mit volksfreundlichen Inhalten zu machen" als gut befunden.
Es scheint, als ob sich extrem rechte Musiker wie Killat/Villain051 weg von extremistischen Inhalten verabschieden und sich mit dem Etikett von patriotischem Rap einen breiteren Zuspruch in der
Grauzone erhoffen, ein gefährlicher Brandsatz aus NS-Ideologie, rechten Bürgerinitiativen und Allianzen, die sich den Erfolg einer Protestkultur zunutze machen. Das gilt auch für den Cottbuser
Ben Arnold, der unter dem Namen Dissziplin seit vielen Jahren in der deutschen Rapszene bekannt und aktiv ist.
Dissziplin veröffentlichte 2007 sein erstes Soloalbum „Plattenbauten“. Auf diesem Album geht es – wie schon bei Ostmob – vor allem darum, Ostdeutschland aufzuwerten: „Ostdeutschland mein Stolz,
du wirst niemals untergehen“ (Patriot, 2006). Wie der Song „Patriot“ selbst benennt, wird auf diesem ersten Album Dissziplins der (ost)deutsche Patriotismus hemmungslos gefeiert. Es geht ihm
darum, einen ostdeutschen Stolz (wieder) zu entwickeln, wieder Ehre und Liebe für seine Heimat empfinden zu dürfen. Dissziplin gibt sich unpolitisch, beruft sich auf deutsche Werte und benutzt
den Volksbegriff im Zusammenhang mit einer Identität, die Stolz und Ehre ausmacht. Seine Musik bezeichnet er als "Volksmusik". Auf seiner Facebook-Seite solidarisiert er sich auch mit der
AfD.
Überhaupt sind die gängigen sozialen Netzwerke ein probates Mittel für die Verbreitung nationaler Musik und Inhalte. Anknüpfungspunkte von NS-Ideologie im Rap finden sich im Straßen- und
Gangster-Rap, der immer schon durchzogen war und ist von Sexismus, Homophobie, Männlichkeit, Nationalismus und Antisemitismus.
"Patriotische" Rapper wie DISSZIPLIN und Villain051 benutzen deutschprachigen Gangsta_Rap zur Verbreitung nationalistischer, antiamerikanischer und auf vorgeblich eingeschränkte Meinungsfreiheit
hinweisender Texte. Generell zielen Texte wie "Ich bin Deutschland" (DISSZIPLIN) und "Skandal" (Villain051/Dee Ex) auf einen verklärenden und verharmlosenden Umgang mit der deutschen Geschichte
ab und stellen sich insbesondere gegen deren Reduktion auf das NS-Regime.
Von einer Verherrlichung des Nationalsozialismus distanzieren sich Villain051, Dee Ex und DISSZIPLIN, fordern anstelle dessen Meinungsfreiheit und "menschliche Werte" zur Wiederbelebung des
deutschen Nationalstolzes ("Meine Heimat ist die Basis meiner Identität"; Dee Ex) sowie zu deutscher Identität. In diese Kerbe schlägt auch "Patriot", der Anfang 2012 2 Tracks auf youtube
hochlad. Er selbst bezeichnet sich allerdings nicht als NS Rapper sondern seine „Musik“ als Patriotischen HipHop/ Sprachgesang für Patrioten. Zeilen wie: „(..) der Holocaust, er ist schon lange
her, beim nächsten Mal werden es sechs Millionen mehr“ (Track: Mein Land ich liebe dich) sprechen eine andere Sprache.
Auch hier zeigt sich, dass es weniger um Akzeptanz aus der Kameradschafts- und autonome Sozialisten-Szene geht, als um einen erhofften kommerziellen Erfolg, der sich mit patriotischen Rap erzielen lassen kann. Dafür vermeiden die RapperInnen in ihrer Außendarstellung extreme Positionen und legen sich eine gmäßigteres Image zu. Diese Grauzone offenbart jedoch eine starke Verharmlosung mit der Absicht, extrem rechte Positionen in die Öffentlichkeit zu transportieren und eine rechte Ideologie in einen jugendkulturellen Bereich zu etablieren, um eine breite Akzeptanz zu erfahren, auch außerhalb rechtspopulistischer bis neonazistischer Kreise. Tatsächlich bedeutet diese Etablierung der Grauzone einen Raumverlust für emanzipatorische Werte und gleichzeitig die Schnittstelle der Lebenswelten von rechts, »anti-rechts« und »unpolitisch«. (Patriotischer) Rap ist wie auch in anderen jugendkulturellen Bereichen nur der Imageträger, extrem rechte Ideologie in scheinbar unpolitischen Ebenen zu verorten. Nicht selten gerieren sich patriotische RapperInnen wie Dee Ex nicht selten als Opfer einer Hetzkampagne der Lügenpresse.
Nationaler Sprechgesang ist ein Mittel zum Zweck, um sich als eigenständige Gegenkultur zu inszenieren, kommerziell erfolgreich zu werden und von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu
werden. Nationaler Sprechgesang und Hip Hop wird zur Schicksalsfrage und zur geistigen Freiheitsfrage verklärt. Bei KritikerInen und politischen GegnerInnen gebärdet man sich als Opfer. "Man will
vermutlich verhindern, dass die Hörer aus ihrem Tiefschlaf aufwachen und sich ebenfalls über die Inkompetenz von Medien und Politik beschweren"; Dee Ex in einem norwegischen Målmannen –
Interview.
Aus antifaschistischer Sicht ist es erforderlich, braune InterpretInnen im HipHop aus der Grauzone zu holen und ihre Verstrickungen in extrem rechte Milieus, politische Kampagnen
offenzulegen, neonazistische Strukturen zu zerstören und die musikalischen Infokrieger als das enttarnen, was sie sind: Neonazis, die Hip Hop machen.