FEINE SAHNE FISCHFILET
"Bleiben oder gehen" LP/CD
Audiolith/Broken Silence
Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn. Wie äußert sich eine Band, mittlerweile zum Kollektiv gewachsen, die von
staatlichen Repressionen, von Nazis verfolgt wird, die standhaft dem Wind der Ostsee und der Widerstände trotzt? Genau, eben jene Trotzhaltung, immer wieder ein Wagnis einzugehen, wenn mensch die
Wahrheit sagt, wenn antifaschistische Attitüde und Wut in Hass umschlägt, wenn das Rückgrat nicht gebrochen ist, wenn "unsere Herzen brennen".
Ein Blick zurück, manchmal im Zorn, manchmal mit leiser Bitterkeit, immer konzentriert auf die Entwicklungen im eigenen Umfeld, die politischen Strömungen aufsaugend, um daraus die richtigen Gegenentwürfe anzubieten, auf das, was aus ihrer Sicht falsch läuft. Und dann, wenn das Rabattmarkenheft voll ist, dann wird das Ventil geöffnet, um aus einer leidenschaftlichen linken Opposition einen wichtigen moralischen Antriebsmotor zu beschleunigen, der eine zunehmende Akzeptanz genießt, der aber auffällig zurückhaltend ist, als wolle FSF das Überhitzen des Motors verhindern. "Deine Tränen sind Folklore". FSF haben auf "Bleiben oder gehen" endlich angefangen, Musik zu machen, die langatmig und ausgebreitet ist. Die ungestüme Phase ist vorbei, nun wird die Zeit sinnvoll und produktiv genutzt, als ginge es auch darum, Contenance zu bewahren. Besonnen und gelassen sein. Die beinahe lyrischen Impressionen schrammen nah am Kitsch vorbei, etwa wenn Monchi in "Warten auf das Meer" von Freundschaft, Festhalten und Verlust singt, während balladeske Töne und Trompete das Gefühl stärken, Eitelkeit und Gerechtigkeitssinn sind zwei unabdingbar verknüpfte Aspekte, die milde stimmen, die Beklemmung auslösen. Das setzt sich auch in "Ruhe" fort, ein akustischer Song, minimalistisch und ganz auf die Kraft von Monchis Worte gelenkt. Und so ist "Bleiben oder gehen" auch irgendwie ein Konzept, wie du mit der Zeit im Leben umgehst, wie du mit den Widersprüchen verhandelst. Gebrochenes Glück, alles kaputt. Die Wahrheit in der Lüge suchen, ein Verstehen im Unwissen finden. Und wenn der Pathos auch übermächtig ist, bedeutet "Bleiben oder gehen" auch, mal darüber nachzudenken, was für dich wichtig ist und an deinen Träumen festhalten (Seufz!). Denn wie sagte Tolstoi treffend: "Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt." Das ist auch die Quintessenz von "Bleiben oder gehen".