AIB #107
60 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Die AfD zerfleischt sich selbst. Das AIB-AutorInnenkollektiv thematisiert die "Götterdämmerung" in einem Schwerpunkt. Im Kampf um Macht und Vorherrschaft im Amt liefert sich der national-liberale
Flügel um Bernd Lucke und die rechts-konservativen Kräfte um Frauke Petry einen unüberwindbaren Grabenkampf. Die anhaltenden PEGIDA-Märsche fungieren als Sammelbecken für rechts-konservative
Anschlüsse.
Insofern sind die kommunalen Wahlerfolge der AfD insbesondere diesem Flügel zuzurechnen. Und ebendieses Interesse der Miteilschicht ist ein Beleg für die Erfolge der AfD auf kommunaler
Ebene. Es geht inhaltlich längst nicht mehr um eine Protestpartei, die europakritisch ist, sondern wird laut Infratest Dimap auch mit dem Thema Zuwanderung in Verbindung gebracht. Die Klientel
der PEGIDA-Märsche beschäftigt ein Bündel von Motiven. Die wenigsten davon lassen sich auf handfeste Politikfelder reduzieren wie Einwanderung, Kriminalität, Familienpolitik,
Demographie-Verödung. Viel mehr zählen Elitenkritik, Angst vor Veränderung, Sehnsucht nach dem Gestern und eine Stimmung, die auch unter Nichtwählern verbreitet ist. Und für diese Klientel
scheint die AfD eine Leerstelle im Politikfeld zu besetzen. Doch hier sind es in persona Lucke, Hans-Olaf-Henkel und Frauke Petry, die der Partei ein unterschiedliches Profil geben wollen. Statt
einer Aussprache, verhärteten sich die Fronten. Henkel verprellte einige Mitglieder mit der Aussage, diese sollten sich aus von bürgerlichen Protestbewegungen (PEGIDA) fernhalten. Alexander
Häusler prophezeit eine "Verlagerung der politischen Kräfteverhältnisse zugunsten von rechten Einflussmöglichkeiten" (Anmerkung der Redaktion: er sollte Recht behalten, s. nachstehenden
Gesamteindruck). Im nachfolgenden Artikel geht es um die Konsequenzen aus den Wahlerfolgen in Bandenburg, Sachsen und Thüringen, um Richtungsstreitigkeiten und Spaltungsvorwürfe. Im Fokus
der innerparteilichen Kritik: Das vielfach distanzlose Verhältnis zum (extrem) rechten Spektrum. Auch in NRW zeigen sich Erosionserscheinungen, die Partei ist charakteristisch wesentlich durch
interne Querelen, Inkompetenz, aber auch immer wieder durch rechtspopulistische Rhetorik gekennzeichnet. Sebastian Friedrich arbeitet heraus, dass es Bernd Lucke selbst war, der die
Rechtsentwicklung beschleunigte, gleichwohl er sich öffentlich davon lossagt und sich als "Vorkämpfer gegen die Rechtsentwicklung" darstellt.
Gesamteindruck:
Die AfD radikalisiert sich. Nach der Abwahl Bernd Luckes auf dem Essener Parteitag driftet die AfD in eine extrem rechte Gefahrenzone ab und findet ihre Zustimmung weniger rechtsaußen der CD/CSU
oder früherer FDP-AnhängerInnen, als mehr in den GegnerInnen der Asylbewerberheime, der Anti-Islam-Bewegung und bei den besorgten BürgerInnen, die die damit verbunden Ängste und Sorgen teilen. Da
klingt ein im Mai veröffentlichter Kommentar eines Anhängers ("Es geht um Inhalte und Sachverstand. Wir sind alle die AfD") wie ein verzweifeltes Kurshalten, das eine Austrittswelle nicht
verhindert. Einer von RTL und STERN in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage von August 2015 zufolge bekäme die AfD nur noch 3% und halbiert den Stimmenanteil gegenüber der Umfrage im Februar.
Interessant in diesem Zusammenhang ist der Neustart Luckes mit "Weckruf 2015", die sich nach Eigenaussage "zu einer großen Erfolgsgeschichte" entwickelt. Wahrheitsgemäß aber als
Sammelbecken enttäuschter AfD-Mitglieder gilt und in direkter Konkurrenz zur AfD steht.