AIB #108
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Die rassistischen Mobilisierungen in der letzten Zeit veranlasste die AIB-Redaktion 2 Schwerpunktthemen in einer Ausgabe zu bündeln. So gibt es mit "Aufstand der Wutbürger" und "Stand des
organisierten Neonazismus" reichlich gesamtgesellschaftlichen Zündstoff, der zusätzlich von Polemik, offenen Anfeindungen, Politik und Medien geschürt wird.
Auf der einen Seite finden sich immer noch viele Vorurteile, die mittlerweile in Teilen der Gesellschaft verfestigt sind und offen ausbrechen. Auf der anderen Seite finden sich im Kontext der
herbei geredeten "Flüchtlingskrise" rassistische Formulierungen in der Politik, die PEGIDA, AfD und anderen rassistischen Gruppierungen in die Hände spielen. Hilde Sanft führt im Kontext der
Pogromstimmung in den frühen 90er Jahren im Vergleich zu Heute Unterschiede in der medialen Berichterstattung, einer veränderten Gesellschaft und einer veränderten CDU, warnt aber vor dem
gesellschaftlichen, medialen, kommunalen Druck auf die Politik, die eine praktische Solidarität mit Geflüchteten zulässt oder einen harten Repressionskurs fährt. Im Vergleich zum Pogrom in
Rostock 1992 konnten sich ähnliche rassistische Aktionen in Heidenau aufgrund der Präsenz von AntifaschistInnen und (passiver) Polizei nicht wiederholen. Hierin knüpft Hilde Sanft ihre
Forderungen an: "Nur wenn wir vor Ort sind, Widerstand gegen Neo-Nazis zu organisieren, wir uns nächtelang vor Turnhallen und Unterkünfte stellen, können wir Schlimmeres verhindern",
konsterniert aber auch, dass sich die Antifastrukturen seit den 90er Jahren dahingehend verändert haben, dass die militante Bewegung mit Abwehrkämpfe beschäftigt ist. Die Gruppe Antifa
Kleinparis (Leipzig) kritisiert offen die Widersprüche gegenwärtiger linksradikaler Politik, da es ihrer Meinung nach keine "antirassistische Antwort(gibt)auf die zunehmende
Verschärfung des Asylrechts und die unhaltbaren Bedingungen, denen Geflüchtete derzeit in Sachsen, aber auch bundesweit, ausgesetzt sind." So sei die gängige antifaschistische Gegenstrategie
in Sachsen bis dato durch eine Feuerwehrpolitik gekennzeichnet.
Es folgt eine Analyse des gegenwärtigen organisierten Neonazismus, Der III.Weg, DIE RECHTE werden beleuchtet, der neuerliche Aufschwung des Hooliganismus am
Beispiel von LEGIDA analysiert. Diese ist "nicht nur Gelegenheitsstruktur und Plattform für Hooligans", sondern aktive mobilisierungsstarke schlagkräftige Fußtruppe mit
Gewaltpotential.
Des Weiteren wird die Entwicklung von "Thügida" in Thüringen analysiert, die sich hier nicht zum Massenphänomen entwickeln konnte, trotzdem gab es hier einen deutlichen Anstieg
an Gewaltaktionen gegen Flüchtlinge und Unterkünfte.
Gesamteindruck:
Das Thema „Asyl“ wir derzeit auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert und ist zum gesellschaftlichen Streitthema geworden. Umso wichtiger ist und bleibt es, rassistischer Mobilisierung
entschlossen entgegenzutreten, nicht nur auf der Straße, sondern auch in mittel- und langfristig angelegten Projekten und im Alltag.
Die Zahl der rassistischen Anschläge in Deutschland steigt monatlich. Die Diskussion über Gegenstrategien kommt kaum hinterher. Einrichtungen und Neueröffnungen von Asylsuchendenunterkünften sind
Kristallisationspunkt rassistischer Mobilisierungen und Agitation gegen Geflüchtete mit Beteiligung besorgter BürgerInnen, bei denen die extreme Rechte durchaus erfolgreich anknüpft. Hier zeigt
sich deutlich, dass rassistische und menschenverachtende Einstellungen deutlich über die Gruppe von Neonazis hinausgehen und in größeren Teilen der Gesellschaft verbreitet sind. Beispielhaft kann
hier die permanente Verknüpfung von Kriminalität mit Asylsuchenden genannt werden.
Solidarität sollte mehr als nur eine Floskel sein. Antirassistische Intervention, Zusammenarbeit und Ankopplung an Unterstützungsgruppen, welche mit den Geflüchteten zusammen Aktionen
organisieren, BündnispartnerInnen suchen, mit lokalen Medien zusammen arbeiten, Infotische durchführen. Es gibt gute und viele Beispiele, dem gesamtgesellschaftlichen Problem "Rassismus" entgegen
zu treten. Das ist heutzutage notwendiger denn je, um Ängste und Vorurteile abzubauen, so ein angenehmeres Klima im Ort oder Stadtteil zu erzeugen und den Neonazis ihre menschenverachtender
Ideologie den Boden zu nehmen.