SUCHEN. RETTEN. LEGALISIEREN.
“Sea-Watch“ leistet seit Juni 2015 Nothilfe für Flüchtlingsboote in Seenot,
fordert und forciert gleichzeitig die Rettung durch die zuständigen europäischen Institutionen und steht öffentlich für legale Fluchtwege ein.
Es gibt de facto keine legalen Fluchtwege nach Europa. Stattdessen erschwert die Politik die Einreise sogar und nimmt schockierend hohe Sterberaten in Kauf: Allein 2014 sind über 3.400 Menschen
bei dem Versuch gestorben, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Entweder, weil die Boote überladen sind, für derartige Reisen mangelhaft konstruiert sind und sinken, weil die Boote zur
Rückfahrt gezwungen werden oder weil es schlicht nicht genügend überlebenswichtige Ressourcen an Bord gibt.
2012 kam eine Untersuchung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Ergebnis, dass NATO-Schiffe Ende März 2011 einem Flüchtlingsboot vor der libyschen Küste wissentlich die notwendige
Hilfe verweigerten(1). In der Folge überlebten von vermutlich 72 Bootsinsassen nur 9, nachdem ihr Boot,
das am 25. März von Libyen nach Italien aufgebrochen war, sechzehn Tage manövrierunfähig auf dem Mittelmeer getrieben war. Das Boot wurde schließlich an die libysche Küste gespült.
Die Flüchtlinge – 50 Männer, 20 Frauen und zwei Säuglinge – stammten aus der Sahara. Als nach dem ersten Tag Essen und Trinken ausging, setzte der Kapitän des Bootes über Satellitentelefon einen
Notruf ab. Die italienische Seenot-Zentrale in Rom konnte die Position des Bootes ausfindig machen und informierte mehrere Schiffe in der betreffenden Zone.
Überlebende Flüchtlinge berichteten seinerzeit, dass einige Stunden später ein Militärhubschrauber Wasser und Kekse ins Boot warf. Dann tauchte erst nach mehreren Tagen, als bereits mehr als die
Hälfte der Flüchtlinge gestorben waren, ein Hubschrauberträger neben dem Boot auf. Nach den Berichten hatte dessen Besatzung das Flüchtlingsboot mit Ferngläsern beobachtet und fotografiert. Dann
sei das Schiff aber weitergefahren. Die Notrufsignale wurden ignoriert.
Der Europarat kam zu dem Ergebnis, dass die NATO-Kommandostellen die Notrufsignale der italienischen Behörden an ihre Schiffe, die in der Nähe operierten, nicht weitergeleitet hätten. Die
NATO-Schiffe in der Zone hätten ihre Verpflichtungen zur Seenotrettung nicht eingehalten.
“Sea-Watch“ steht vehement dafür ein, dass kein Mensch mehr bei der Einreise über die Wassergrenzen Europas sterben muss. In ihren “Search-and-Rescue“-Einsätzen (SAR) werden Flüchtlingsboote
aktiv gesucht und das Überleben der Menschen mit medizinischer Erstversorgung und durch das Aushändigen von Trinkwasser und Rettungswesten sichergestellt.
Harald Höppner hatte irgendwann im letzten Jahr die Nase voll. Als wieder mal Meldungen durch die Nachrichten gingen, dass Menschen im Mittelmeer ertrunken waren. Der Brandenburger wollte nicht
mehr reden, sondern handeln. Mit seiner Frau, ein paar Freunden und 60.000 Euro an Erspartem begann er, nach einem passenden Schiff zu suchen. Fündig wurde er in Form eines 1917 gebauten
ehemaligen Fischkutters, den der Unternehmer (Höppner betreibt in Berlin zwei Geschäfte für Möbel und Textilien aus Indien und Nepal) zum Rettungsschiff umbauen ließ. Die Mission ist keine
Rettungsmission, das Schiff ist kein Rettungskreuzer und Sea-Watch ist auch keine Rettungsorganisation, kein Verein. Die ehrenamtlichen HelferInnen sind ErsthelferInnen. Für die Erstversorgung
hat die "Sea-Watch" Ärzte, Wasser und Rettungsmaterial an Bord. Die Crew nimmt keinen Flüchtling auf - sie informiert die Küstenwache und übergibt die Menschen an größere Boote. Im Herbst
beendete "Sea-Watch" die erste Mission vor Libyen und startete eine zweite Mission mit einem Schnellboot in Griechenland.
Die Sea-Watch-Mission ist ein Trostpflaster, vielleicht aber auch ein Hilferuf, im jeden Fall aber ein Zeichen, etwas zu tun, als nur darüber zu reden und dann mit Betroffenheit darüber zu
reagieren, wenn irgendwo auf dem Mittelmeer Menschen ihre lebensgefährliche Überfahrt nach Europa beginnen und ertrinken.