PLASTIC BOMB #93
80 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.- + CD
Plastic Bomb, Postfach 100205, 47002 Duisburg
www.plastic-bomb.de
Micha hat sich nun früher als geplant aus dem P.B.-Imperium verabschiedet. Überraschenderweise kommt Firmenmitinhaber und Lehrer Sven Bock wieder ans Tageslicht und hat eigentlich nichts Neues zu
sagen, was er auch zugibt. Tja, im reifen Alter werden Menschen, Lehrer und Ex-Punker schon mal wehmütig und wollen die Vergangenheit zurückholen. Ob das gut geht?
Inhaltlich stellt Micha seine Top 15 der UK-Punkbands vor und hat zu jeder "Besprechung" eine Flasche Cider geleert. Dann wird Romano vorgestellt, der mit
Geschlechtsidentitäten spielt und mit "Metalkutte" angeckt ist. Grundsätzlich macht Romano keine Musik, um anzuecken, die Ideen dafür kommen ihm über Nacht. Romano trägt Parfüm, geht zum
Ballett und hat sich beim Frisör die Spitzen schneiden lassen. TERRORGRUPPE erklären in verkrampfter Art, warum und wieso älter und reifer werden kein Hindernis ist, ein Ventil
zu suchen, um Zerstreuung, Abwechslung oder Sex zu finden.
Basti ist schwer begeistert vom aktuellen Teil der Pork Pie-Serie "Ska-Ska-Skandal" und und macht 2 Seiten lang kostenlose Werbung für diesen. Basti hat auch THE
BOYS interviewt, die sich in China einige Sehenswürdigkeiten angeguckt haben, in Bars gegangen sind und Restaurants besucht haben. Punk-Touris, die dann doch im Staatsfernsehen einen
Auftritt hatten. Punk und Gothic? HORROR VACUI machen auf CHRISTIAN DEATH und verknüpfen Düster-Sound mit politischen Inhalten.
Chris von KOTZREIZ ist genervt und reagiert gereizt auf Ronjas/Häktors Fragen.
Seiten später versuchen Daniela und Fritzi die Punkers mit ihren Antworten nicht zu verärgern. SCHNIPO SCHRANKE haben genug gekifft und finden gut organisierte Pop-Musik schön
(Daniela) und sind auch im Studio gut vorbereitet. Maks gibt die 36. KW seines Punkrock-Almanachs wider und berichtet vom BIERSCHINKEN-Festival, indem er Fö bei jedem
Zusammentreffen eine Frage stellt, die im Vorbeigehen beantwortet wird.
Der Propagandaminister Vasco beleuchtet den Schatten der Flüchtlingsbewegung, in dem die Kolonialisierung Griechenlands, die die öffentliche Privatisierung weiter voranschreitet und sieht in
verschwörerischer Art die Politik als "willfährige Helfer der Superreichen und Konzernen".
Lars lässt Haluk die türkische Psych-Funk-Historie zusammenfassen und Philipp Meinert interviewt Oliver Polak, der mit selbstironischen und gleichzeitig
gesellschaftskritischen Humor seine Kindheit und Jugend als deutscher Jude aufs Korn nimmt. entlarvt im Interview auch die deutsche "Comedy"-Szene als kommerzielle kleine Welt, die von der Frima
Brainpool geführt/diktiert wird.
Gesamteindruck:
Es zeichnet sich ein neuer Weg ab, den das neue P.B.-Hauptquartier inhaltlich beschreitet. Ronja und Co schauen mehr und mehr über den Tellerrand und stellen vor allem politische Hip Hop-Acts vor, die mittlerweile das politische Vakuum mit Inhalt zu füllen. ANTILOPENGANG und Zeckenrap-Combos, die sich im linken Spektrum verorten und einen deutlichen Hauch von Punk in die Szene bringen. Türkischer Psych-Funk, Kabarett und Electro (Frittenbude). Mit der inhaltlichen und personellen Neuausrichtung steht das P.B. als reines Punk- und HC-Fanzine auf den Prüfstand. Und vielleicht entwickelt sich das Fanzine zu einem Kulturmagazin, das einen abwechslungsreichen Mix anbieten, gewichtige Kulturthemen wie Neuentdeckungen, Gesellschaftsanalysen, Reportagen, Kritiken und Porträts in besonderer Akzentuierung will und nicht länger auf einem zwangsjugendlichen Straßenköter-Punk-Niveau verharrt.