Alpträume. Alpträume über Alpträume. Doch der letzte war nach dem Erwachen lustig. Ich lachte laut in meinem aufgefüllten und zugestellten Kopf: war mir doch im Traum ein kleiner lebenslustiger und agiler Junge dahergekommen, der trotz eines vollkommen mit Sperma zugekleisterten Gesichts auf die Leute zuging, sie neckte und lachte, und dieses Sperma verhärtete wie Harz in seinem Gesicht, und der Vater des jungen hatte Mühe, ihm immer wieder einen kleinen spermafreien Kreis ins Gesicht zu wischen, und ich sagte im Traum: „Dein Bengel sieht aus, als wenn er beim Bukkake war.“, und alles lachte und amüsierte sich ringsum, und ich hörte vom Vater: „Da kann der Junge nichts für, das ist eine Krankheit gegen die man noch nichts machen kann.“ Und dann sah ich im Gesicht des Vaters auch schon diese Spermastreifen und Kleckse, und bei zwei, drei anderen Rumstehenden auch.
Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt Beifahrer und hatte gemeinsam mit meinem dicken Fahrer, aus dessen aufgeschwemmten Gesicht eine Hakennase hervorstach, eine Pause eingelegt, sagte zu ihm:
„Was es alles für Krankheiten gibt, unglaublich, Wahnsinn, ich finde Depressionen sind schon eine Krankheit, die direkt aus der Hölle kommt, aber das hier…“, und drehte mich zu ihm um,
erschrak, denn auch er hatte bereits die Spuren dieser merkwürdigen und unheimlichen Spermaerkrankung in seinem ohnehin schon unheimlichen Gesicht. „Du hast das ja auch schon!“, schrie ich und
wendete krampfhaft meinen Kopf aus Angst vor Ansteckung in die andere Richtung, drehte ihn nicht mehr zurück. Ich hörte irgendwoher: „Das einzige Rezept, was dagegen verschrieben wird, ist an
den Arbeitsplatz gehen und an die frische Luft!“
An meinem Arbeitsplatz waren nicht nur in diesem Traum, sondern auch in der Realität vor dreißig Jahren wirklich ziemlich entstellte Figuren am Werke, und im Traum sahen sie aus, wie sie damals
in der Wirklichkeit ausgesehen hatten, vom Leben und vom Strafvollzug gezeichnet, vom Alkohol zerstört, und dennoch wurde ihnen von der Abteilung Inneres zwangsweise Arbeit zugewiesen. Und nun
hatten sie auch noch die Spuren der Spermaerkrankung im Gesicht.
Im Traum war das Lenkrad des Lastkraftwagens auf der Beifahrerseite, ich verstand das nicht, und immer wenn ich so als Beifahrer lenkte, griff mir der Dicke mit dem zugekleisterten Gesicht leicht
ins Lenkrad. „Bleib auf deiner Seite, Spermafresse!“, schrie ich ihn dann an, und er wischte und wischte erfolglos an seinen verharzten Spermabahnen im vollgespermten Gesicht, selbst
seine Hakennase war verkleistert, nur die dicken Glotzaugen starrten entsetzt, weit aufgerissen und hervorgetreten aus all dem verdickten und verhärteten Sperma heraus.
Na, endlich mal ein Alptraum, über den ich lachen konnte und der mich nicht so beklemmend Luft abdrückend aus dem Bett jagte und erregt im zimmer nebenan im Sessel hocken ließ.
Nach jedem Alptraumblock der Nacht ging ich eine rauchen, doch diesmal hörte ich zusätzlich auch meine Frau: „Was lachst du da nebenan. Der Alptraum vorhin mit deinem Vater zu Hause in der
Kinderstube mit Mutter und Schwester war ja wohl die Hölle! Das war doch ganz schlimm. Was lachst du denn da jetzt?“
Ich hatte ihn ihr in meiner Panik ein paar Stunden zuvor bruchstückhaft zu schildern versucht, immer wieder gesagt: „Ich kann das nicht richtig beschreiben, schade, dass du im Traum nicht
dabei warst! Wahnsinn, dieser Kerl. Jetzt plötzlich im Traum ist meine Mutter die gute, ist jetzt auf einmal für mich sauber und ihre Psyche ist clean, ist auf einmal die gute und komplett
psychoclean, für mich rein und angenehm, eine gute, liebevolle Mutter, obwohl es doch immer anders war.“
„Was gibt’s denn jetzt zu lachen?! Und wieso bist du schon wieder auf?“
Ich war zugestellt im Kopf, das Gehirn fühlte sich aufgeblasen und schädelsprengend an, doch ich lachte trotzdem, drückte die Zigarette aus und ging zurück zu ihr ins Bett: „Im letzten
Alptraumblock war ein Junge mit spermaverkleistertem Gesicht, total harzhart verkleistert, und das war eine Krankheit und ich war Beifahrer und sagte gerade zu dem Fahrer mit dem ich unterwegs
war: ‚Was es nicht alles gibt, das ist ja grauenvoll, Wahnsinn.‘, drehte mich im Sagen zu ihm um und sah im selben Augenblick, dass auch er schon von der Krankheit befallen war, lauter Sperma im
Gesicht hatte. Und der Typ sah eh schon scheiße aus, wie die meisten Figuren damals auf Arbeit, was meinst du, was da damals für Gestalten rumliefen, alles von der Abteilung Inneres zugewiesene
Typen, und jetzt hatte der auch noch diese Spermakrankheit im Gesicht.“
Wir lachten und ich sagte noch: „und dann hab ich mein Gesicht abgewendet aus Angst vor Ansteckung, musste aber weiter mit ihm arbeiten und unsere Tour drehen, die Ware ausliefern, vor dem Bauch gestapelt zu den Frauen in die Verkaufsstellen schleppen, und gegen die Krankheit konnte man nichts machen, das einzige was helfen sollte war, weiterhin an den Arbeitsplatz oder spazieren zu gehen.“
Sie lachte immer wieder und mit jedem weiteren Satz von mir erneut, und ich lachte auch, immer noch, schlief trotz des Dauerdruckkopfschmerzes mit ihr zusammen ein weiteres Mal ein und fiel
sofort, noch bevor ich richtig eingeschlafen war, bereits in den nächsten Block meiner Alpträume.
„Und? was kam als nächstes?“ fragte mich meine Frau beim Aufstehen am morgen und fing im Fragen gleich wieder an zu lachen.
„Ich musste mich unter einen stinkenden Schafsbock hängen und Reiterspiele vorführen. Es ging darum, ob ich gut genug wäre, um an einem weltweiten Ausscheid teilnehmen zu können, wo ich dann,
obwohl ich ein weißer Ugander war, gleich sieben Staaten in der Disziplin vertreten sollte, Indien, Island, Kambodscha, Dänemark, den Tschad, Liechtenstein und das Königreich England, das ein
gemeinsames Königreich mit Ägypten und dem Römischen Reich bildete, und das war irgendwie schwierig, weil ich nur einen Schweizer Pass hatte, und dieser blöde, total mit verfilzten langen und
dichten Fellzotteln behangene Bock lief mit mir unterm Bauch immer gegen Leitplanken auf einer Autobahn oder so und blökte dazu unentwegt eine Melodie von der Elektroband Kraftwerk, aber nicht
die von dem endlos langen und monotonen Song Autobahn, sondern von Vitamin und Elektro Kardiogramm und dann noch Sachen von dem Album electric Café, und ich erfand in meiner Not abermals diese
drei neuen Led Zeppelin Songs, von denen ich dir schon einmal berichtet hatte, echt neue, die es von der Band nie gegeben hatte, und in englisch getextet, obwohl ich gar kein englisch kann, die
aber eindeutig und unverwechselbar den Led Zeppelin-Sound hatten, also wer das hören würde, würde denken, das ist Led Zeppelin, und im Traum waren das unveröffentlichte Songs von denen, und das
gefiel dem Bock in seinem pausenlosen Rennen gegen die Leitplanken überhaupt nicht, und in seiner Wut auf mich oder zur Strafe oder was auch immer, spritzte er stinkendes Sperma auf mich unter
seinem Bauch ab, und ich schmeckte dieses Dreckzeug auch, weil es mir in den Mund tropfte und auch in die Nasenlöcher rann, und der Bock lief einfach weiter, und ich durfte auch nicht loslassen,
musste mich weiterhin festkrallen in seiner wolle unterm Bauch, es stand ja so viel für mich auf dem Spiel, diese Teilnahme am Ausscheid, das vertreten der sieben Länder… ich hasse diese
Spermaträume, und das mit Led Zeppelin, mit diesen drei neuen Songs, die ich komponiert hatte in meinem Hirn, die hatte ich ja vorher schon mal geträumt, hatte ich dir damals erzählt, die flossen
jetzt aber wieder mit ein, bloß, ich kann sie jetzt nicht vorsingen und auch nicht aufschreiben, aber ich höre sie noch, unverwechselbar Led Zeppelin, bloß dass es die von Led Zeppelin gar nicht
gibt…“ und meine Frau lachte, fiel wieder zurück zu mir ins Bett, lachte weiter und ich stimmte mit ein. Eigentlich wollte sie den Tisch decken und sie fragte mich in ihrem lachen: „Und?
Gab’s noch einen Traumblock?“
„Ja klar, sicher, das ging immer irgendwie weiter, das läuft die ganze Nacht durch. Ich sollte Schützengräben auf dem Mond ausheben und diese Arschlöcher, die mich dazu zwangen, haben mir
aber nur ein Päckchen Zellstofftücher als Grabewerkzeug mitgegeben und eine Gießkanne, die ich mir über meinen Kopf stülpen sollte, die Öffnung total klein, und vorne dran dieser blöde lange
Gießer, wie so ein Arm, die Kanne gehörte zu einer Art Astronautenanzug, zur Sauerstoffversorgung, und als ich mir die Gießkanne überstülpte, weil die Luft knapp wurde, die Luft da irgendwie
anders schmeckte, unappetitlich und ganz merkwürdig sättigend, krochen Würmer, so eine Art Spermawürmer aus dem Gießkannenhals auf mich zu, und dann hörte ich in so einer Art Funkmeldung unter
der Kanne den Befehl: „Schützenlöcher für die Spermawürmer graben, nicht für dich!“, und ich rief der blechern klingenden Funkmeldung zu: „Roger. Habe verstanden. Nur für die Würmer! Und was ist
mit meinem Sperma? Ende!“
Und dann klapperte es merkwürdig in der Gießkanne und eine Antwort vermeldete: „Dein Sperma ist scheiße! Nur die Spermawürmer zum Schutz in Schützenlöcher eingraben!“
„O.k. Roger und over.“, hatte ich zurückgefunkt und die Spermawürmer guckten mir mit gelb abgestandenen Augen in meine Augen und spritzten mir eine sprechende Flüssigkeit ins Gesicht die
brennend sagte: „Beeil dich!“, und ich zückte die Zellstofftaschentücher und schabte mit ihnen auf dem knochenharten Mondboden rum, löste tatsächlich mit meinem weichen Schaben harte Splitter
heraus, die gleich in die Höhe schwebten und dann plötzlich wie Geschosse durch die Gießkanne schlugen und in einigen Spermawürmern stecken blieben, obwohl die eigentlich unter der Gießkanne
hätten geschützt sein sollen, doch die Spermawürmer stellten sich nur tot, und immer wenn sie meinten, sich von mir unbeobachtet zu fühlen, zwinkerten sie sich gegenseitig in entstellten Fratzen
schmunzelnd zu und ich hörte über Funk: „O.k. eigenes Sperma verwenden!“, und dann holte ich meinen Schwanz raus, spritzte auf den Mondboden ab, und mein Sperma vergrub sich von selbst in der
felsenharten Mondkruste, und die Mondfelsenkruste verwandelte sich in Schaumgummikrustenmatten, dann in dicke ballen Löschpapier und wieder zurück in Fels, welcher meinem Sperma am besten bekam,
wo es am besten eindringen und sich verschwindend vergraben konnte… und ein erneuter Erguss kehrte sich vom Boden um, drang durch die Gießkanne und meine Samenfäden schlugen auf die zwinkernden
Spermawürmer ein, bis sie ihr zwinkern einstellten, aber dann kamen…“
„Komm, lass uns erstmal frühstücken, willst du zuerst ins Bad, oder soll ich?“ stoppte mich meine Frau.
„Geh du mal zuerst.“ sagte ich, und als sie aufgestanden war, drückte mir mein Druck im Kopf die brennenden Augen zu, und obwohl ich sie immer wieder aufschlug, befreite mich erst meine
Frau Augenblicke später aus einem nächsten mich schon wieder verbeulenden Traumblock.
J. Landt