Zusammen mit ihrem Lebenspartner Malcolm McLaren eröffnet Vivienne Westwood 1971 in der Kings Road 430 einen kleinen Laden namens „Let it Rock“ – es wird die Keimzelle der
Punk-Bewegung.
Der Laden wird in den Folgejahren mehrfach umbenannt: „Too Fast to Live, Too Young to Die“, „Sex“, „Seditionaries“ und seit 1980 „World’s End“. McLaren und Westwood verkaufen zunächst Accessoires
aus der Sado-Maso-Szene: Es wimmelt von Lack und Leder, Peitschen und Masken. Er bringt die Ideen hervor, sie setzt diese in Kleidung um.
Zunächst verarbeitet Westwood Konfektionsware, appliziert Hühnerknochen, färbt, kürzt, zerreißt, verziert die Stücke mit Ketten von Toilettenspülungen, um ihnen einen aggressiven und lieblosen „Do-it-yourself“-Look zu geben. McLaren lässt als Manager der SEX PISTOLS die Band von Westwood designte Kleidung anziehen. Bei jedem Auftritt werben die Punker nun für Westwoods Mode; wer ihre Mode mag, landet unweigerlich bei der Musik dieser Band. Auch die Polizei ist Stammkunde im „Sex“. Es gibt mehrere Razzien, einmal werden McLaren und Westwood verhaftet, weil sie „eine unsittliche Entblößung öffentlich zur Schau gestellt haben“. Die Rede ist von einem T-Shirt, das den bezeichnenden Namen „Two Naked Cowboys“ trägt und zwei Westernhelden mit entblößten Penissen zeigt. Die Publicity ist unbezahlbar.
Jamie Reid entwarf für die SEX PISTOLS die Cover und Plakate.
Ein beliebtes Stilmittel war bspw. die Foto-Collage, die Künstler*innen wie Jamie Reid, Winston Smith, Gee Vaucher für die Gestaltung von Plattencover anwendeten. Eine
Technik, die sich viele Künstler*innen selbst aneigneten. DIY, also das selber machen-Prinzip, wurde dann sehr wichtig im Punk, in der Produktion von Fanzines, Musik und Kunst.
Das vielleicht prägnanteste Coverdesign der Punk-Ära schuf Jamie Reid 1977 für „God Save The Queen“, die zweite Single der Sex Pistols. Er verfremdete dazu ein Porträtfoto, das der renommierte
britische Fotograf Sir Cecil Beaton von Elisabeth II. aufgenommen hatte - und überklebte Mund und Augen mit dem Schriftzug „God Save The Queen - Sex Pistols“.
Die Single sorgte für einen Aufschrei der Empörung in Großbritannien - obwohl Reid ursprünglich ein noch viel drastischeres Design geplant hatte: Die Königin mit Sicherheitsnadel in der Nase -
und Hakenkreuzen in den Augen.
So erschütternd die Majestätsbeleidigung für viele Briten war - handwerklich hinterließ das Cover keinen besonderen Eindruck. Das grob gerasterte Gesicht der Queen, die
unbeholfen herausgerissenen Papierfetzen, die ohne Rücksicht auf Schriftart zusammengeflickten Worte - all das sah aus, als hätte es ein aufmüpfiger Schüler in der großen Pause am Kopierer
zusammengebastelt. Und doch sollte ausgerechnet diese Plattenhülle fast drei Jahrzehnte später vom Musikmagazin „Q“ zum „besten Plattencover aller Zeiten“ gekrönt werden.
Provokativ waren die Plattencover und Plakate der Bands: Die Buzzcocks etwa bewarben ihre Single „Orgasm Addict“ mit einer nackten Frau, die statt eines Kopfes ein Bügeleisen hatte - und deren Brüste von lächelnden Frauenlippen geschmückt waren. Verantwortlich dafür war Linder Sterling, die schon Grafikdesign studierte, bevor sie mit dem Cover bekannt wurde.
Gee Vaucher entwarf als Illustratorin und Collagekünstlerin in den 80er Jahren für das Anarcho-Punk-Kollektiv CRASS Plattencover, Stencils, Newsletters. Ihre Arbeit
hatte einen starken Einfluss auf die Protestkunst, genauso wie auf die Punk- und Anarcho-Ästhetik ihrer Zeit. Sie nutzte ihre surrealistische Collagenart und die Schablonentechnik auch für
politische Botschaften, die sie in ihren Werken vermittelte und um einen gesellschaftlichen Wandel zu erreichen, denn sie legte in verstörenden Bildern das Übel der modernen Zivilgesellschaft
offen und kritisierte Konsumwahn, Kapitalismus, Dekadenz, Herrschaft, Autoritäten.
Der Do-It-Yourself-Look, den Jamie Reid, Winston Smith, Gee Vaucher, Linder Sterling und etliche andere Selfmade-Designer*innen in den siebziger Jahren auf Postern, Flyern und Plattenhüllen von
Punk-Bands ins Leben riefen, war aus der Not geboren: Geld für aufwendige Artworks gab es schlicht nicht. Lange vor den Tagen von Personal Computer und Photoshop mussten sie sich mit einfachsten
Mitteln wie Zeitungsschnipseln, Klebstoff und Fotokopierern behelfen - und schufen einen Designstil, dessen Einfluss bis heute ungebrochen ist.
Winston Smith entwarf Anfang der 80er Jahre zahlreiche Plattencover, Flyer und Collagen für die DEAD KENNEDYS. Seine Arbeitsweise ähnelte die von Jamie Reid. Von Hand ausgeschnittene und geklebte Buchstaben aus Zeitungen und Bilder, die zu einer Collage zusammengeführt werden. Dafür sammelte er Magazine und Zeitschriften und verknüpfte mit seinen Collagen zahlreiche provokante politische Aussagen, um die/den Betrachter*in, aber auch die moderne Gesellschaft mit ihrer scheinheiligen, verlogenen Moral zu konfrontieren. Das von ihm entworfene Bild „Idol“ (bereits im Original 1977 entworfen), wurde auch für die Mini-LP „In God we trust, Inc,“ verwendet und zeigt Jesus am Kreuz, das mit Dollarnoten ummantelt ist. Das Album wurde in England verboten und von der religiösen Rechten in Amerika verdammt und in der „Hall of Shame“ aufgenommen.
Zudem entwarf Winston Smith das DK-Logo und auch das berühmte Alternative Tentacles-Label von DK-Sänger Jello Biafra.
Auch Raymond Pettibon verband Kunst und die (Punk)Musik. Er begann in den späten 70ern als Bassist der Vorgängerband der Hardcore-Heroen von Black Flag. Doch auch seit er selbst nicht mehr als Musiker aktiv ist, bleibt er seiner Szene verbunden. Sein Artwork für das Label SST ist stilbildend für diese Zeit: schwarz-weiße Tuschezeichnungen mit einer klaren Kontur, versehen mit knappen Texten, welche immer wieder Verkommenheit und Desillusionierung ausdrücken. Harte Bilder, die eine Art Archiv der Subkultur sind: ein Abbild der dunklen Seite des amerikanischen Traums.