Das Gefühl des Aufbruchs und der ästhetischen Freiheit
Die Geschichte der Punk-Subkultur beinhaltet die Geschichte des Punk-Rock, die Ideologie, Mode, bildende Kunst, Literatur, Tanz und Film. Eine Reihe von philosophischen und künstlerischen Bewegungen nahmen Einfluss und waren Ausgangspunkt für die Punk-Bewegung. Radikale Authentizität ist die notwendige Basis für die Freisetzung kreativer Energien. Das galt für Punk, Kunst und Musik, gleichermaßen. Punk und Kunst und umgekehrt schließen sich nicht aus. Im Gegenteil.
Sie finden zueinander, inspirieren sich gegenseitig. In New York war die Nähe von Andy Warhol zur Punk-Szene mitprägend für eine Pop- und Punk-Art-Kultur. In Düsseldorf war es die Nähe zwischen
Kunsthochschule und dem Ratinger Hof, in Berlin der Einfluss von Punk auf die JUNGEN WILDEN. Unter dem Begriff der „Neuen Wilden“ oder auch „Jungen Wilden“ wird im Allgemeinen die deutsche
neoexpressive Kunst der 1980er Jahre zusammengefasst, die sich in Berlin, Hamburg und Köln zentrierte. Der Begriff der „Neuen/Jungen Wilden“ ist problematisch, zumal er sich nicht auf eine „wilde
Kunst“, sondern vielmehr auf „wilde Künstler“ bezieht - eine Alternativbezeichnung der Strömung. Da aber Subjektivität zu einem grundlegenden Kennzeichen der „Neuen Wilden“ wurde, charakterisiert
das „Wilde“ im Gegenzug auch ihre Malerei.
Vor allem im Umfeld von Kunsthochschulen erblühte eine Avantgarde, die sich durch künstlerische Vehemenz, genreübergreifendes Experimentieren und den Wunsch nach Selbstorganisation auszeichnete.
Diesem Leitgedanken verschrieben sich Bands wie Einstürzende Neubauten, Deutsch Amerikanische Freundschaft, Ornament und Verbrechen, Der Plan, Palais Schaumburg, Die Tödliche Doris oder
Freiwillige Selbstkontrolle.
Es lässt sich also an mehreren Stellen eine Verbindung zwischen Punk und der Kunstwelt herleiten, die sich auch in eine gemeinsame Szene mischten oder sich nicht ausschlossen.
In ihr fand Punk und Kunst neue Ausdrucksformen. Musik, Kunst und Performance wie es Gruppen wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN oder DIE TÖDLICHE DORIS aufgriffen. Punk-beeinflusste Kunst und
Kunst-beeinflusster Punk bündelten eine Reihe von Aspekten innerhalb des Arbeitsprozesses in der Punk- und Kunstgeschichte. Provozieren, Schockieren, eine Ästhetik der Hässlichkeit, Collagen
anlegen, Sound- und Filmschnipsel einfügen, Dilettantismus, Ironie…
Der anarchische Punkgeist greift schnell um sich. Als handele es sich um eine schon seit langem dringend erwartete Botschaft, griffen Musiker*innen, Künstler*innen, Modemacher*innen, Fotograf*innen, Filmemacher*innen die Ideen auf und ließen sich zu eigenen künstlerischen Aktivitäten inspirieren. "Do it yourself" lautete die Devise. Sei was du sein willst und fühle dich frei. Das klingt beinahe schon wieder hippiesk.
«To me, punk rock is the freedom to create, freedom to be successful, freedom to not be successful, freedom to be who you are. It's freedom.» Patti Smith
1975 veröffentlichte Patti Smith „Horses“ und legte damit den Grundstein für die aufkommende Punk-Bewegung, verknüpfte es doch künstlerische Radikalität mit visionären poetischen Inhalten. Als die Platte rauskommt, steht Rock'n'Roll schon längst nicht mehr für Protest oder ein Dagegen-Sein. Rock'n'Roll ist angepasst. Genau das will Patti ändern. Sie ist zu der Zeit bereits in der New Yorker Clubszene bekannt, neben Künstlern wie Blondie oder den Ramones. Allerdings nicht als Musikerin, sondern als Dichterin. Und genau so muss man Patti Smith auch sehen: als singende Rock'n'Roll-Poetin. Patti Smith sorgt mit einfachen Worten für gewaltige Bilder im Kopf des Zuhörers. Bilder von Sex, Anarchie, Selbstmord, Aliens. Eine homosexuelle Vergewaltigung geht auf einmal in feuerspeienden Pferden auf. „Horses“ ist genau die Art von rohem Art-Rock, der zum Vorbild für die spätere Punk- und New-Wave-Bewegung wird.
Seit den Anfängen der Punk-Bewegung mischte sich Musik mit dem Bereich der bildenden Kunst. Im Jahr 1978 initiierten Marc H. Miller und Bettie Ringma mit „Punk Art“ eine besonders historische
Ausstellung, die den bildenden Künstlern und den Punk-Ethos gewidmet war und einen großen Beitrag für die Künste in Washington DC lieferte. Diese Ausstellung sollte später als die erste Punk
Kunstausstellung bekannt werden(1).
Neben der Ausstellung mit Skulpturen, Bilder und Fotos, wurden auch Videos, Filme gezeigt. Parallel zu dieser Ausstellung gab es einen 28-seitigen Begleit-Katalog mit dutzenden Interviews und
Künstler*innen-Porträts (u.a. Alan „Suicide“ Vega und Andy Warhols Kommentare zu Punk). Des Weiteren gab es ein Symposium über die Bedeutung von Punk und Kunst.