OX #124
132 DIN-A-4-Seiten; € 5,50.- + CD
OX-Fanzine, Postfach 110420, 42664 Solingen
www.ox-fanzine.de
Joachim Hiller und David Bowie haben was gemein: Musik, die keine Hintergrundbeschallung ist. Okay, das ist weit hergeholt, aber en gros ist auch das aktuelle OX vollgepackt mit Informationen,
die im Stile der "Tagesschau" und der "Tagesthemen" gekennzeichnet ist, soll heißen:
Es gibt Schlagzeilen im Sekunden-, respektive 1/4-Seitentakt und ausführlichere Gespräche rund zum Thema Musik. Doch zuvor gibt es Neues aus der Therapiezeit mit Alex Gräbeldinger und Tom van Laak. Während es für Alex in der "Irrenanstalt" nichts mehr zu tun gibt, verharrt Tom mit seinen Phobien und Alkoholexzessen auf dem immergleichen Level zwischen Abstürze und rhetorischen Fragen, die diese versuchen zu erklären. Auch Marten von TURBOSTAAT erklärt, warum das was er tut, nicht Arbeit ist und er für die Arbeitswelt nicht kompatibel ist. FJØRT ergänzen den Post-HC mit dunklen, düsteren Tönen, Worten und Wortfindungen (Geistschwein vs. Schnaiserkitt). BILLY CHILDISH ist Künstler und weniger Musiker, mag die Musikszene nicht und ist interessiert an der deutschen Sprache, das am 2. Weltkrieg und an der Aussprache von Adolf Hitler liegt, die in der britischen Arbeiterklassenkultur veräppelt wurde. THE BABOON SHOW sind SozialistInnen auf Lebenszeit, verehren Che Guevara und verachten den Kapitalismus. THE CASUALTIES lieben es immer noch bunt und laut. YUPPICIDE sind privat und beruflich sehr beschäftigt und WOLF DOWN fühlen sich mit der Energie von Punk verbunden. Der Artikel über Mark Reeder ist ansatzweise gut, ist er doch ein vielseitiger Musiker, Produzent, Autor und weiß-der-Teufel-was, darf jedoch nur seine Lieblingsplatten vorstellen. Dabei bietet seine Biografie doch so viel Potential für ein ausführliches Interview. HC Helge und auch Björn Fischer vom Plastic Bomb kuscheln jetzt mit Joachim und wühlen in der Oldie-Kiste: ANTI-SYSTEM und SACRILEGE sollen zu mehr "Popularität" (sic!) verholfen werden. Und Kent Nielsen nähert sich langsam aber sicher seinem Finale und wird vielleicht doch noch ein Tänzer. Erstaunlich, wie detailliert er seine Erinnerungen widergibt und Situationen beschreibt, die die dänische Punk- und HC-Szene auch unter seiner Mitwirkung aus den Jahren 1978 bis 1988 geprägt hat.
Gesamteindruck:
Gut gefällt mir, dass zusätzlich zu den wenigen ausführlichen Interviews eine "Timeline" die Disco- und Bandbiografie grafisch darstellt. Die Masse an ausgesuchten Bands und Personen bietet viel Lesestoff mit quantitativen Merkmalen und Kriterien. Dafür gibt es aber auch einen breit gefächerten Querschnitt in der Vorstellung aktueller Punkbands, die die Grundlage im OX liefert. Spannen wird es hingegen, wenn außerhalb des Musikgenres Personen oder Projekte vorgestellt und interviewt werden (Billy Childish, Myanmar goes democrazy), die aber im keinen Verhältnis zu den vielen Interviews stehen. Das OX bietet aber immer noch eine ausreichende Grundlage für musikrelevante Themen zu Punk, HC und ist eine hilfreiche Orientierungshilfe in einem immer unübersichtlicher werdenden Musikmarkt, die wesentlichen Aspekte herauszustellen.