STADTMANDAT #8
72 DIN-A-5-Seiten; €1,50
stadtmandat-ol@web.de
Nach 3 1/2 Jahren meldet sich Jan "Böller" mit seinem Fanzine zurück, nicht ohne die wesentliche einschneidenden Erlebnisse aus dieser Zeit zu reflektieren und uns mitzuteilen. Zwischen scheitern
und des "In sich gehens" hat Böller neue Energie in sich gespürt und wurde unlängst als "Böller, der Lebemann" bezeichnet. Grund genug also, die zahlreichen Projekte, an denen Böller beteiligt
und mitverantwortlich ist, mitzuteilen. Böller teilt zudem mit, dass er sich im Bereich Film ausprobieren und auch literarisch betätigen will.
Jan engagiert sich seit Jahren in antirassistischen Fußballinitiativen und stellt in diesem Kontext die Ultra-Kultur von TeBe Berlin vor, interviewt die Zero Ultras, die
sich nach 1 1/2 Jahren wieder aufgelöst haben. Die ironischen Aktionen ("Hooligänse", Sektion Stadionwurst) werden selbstkritisch aufgearbeitet und zeigen die Möglichkeit, mit bestimmten Themen
anders umzugehen. Auch in der TeBe-Fanszene gab und gibt es rassistische Vorfälle, die kurz geschildert werden. Gleichzeitig wird die Initiative Fußballfans gegen Homophobie vorgestellt.
Der von Böller und anderen Fußballfans gegründete Verein "VfB für ALLE e.V." wurde im letzten Jahr mit dem 2. Platz des Julius Hirsch-Preises ausgezeichnet.
Böller skizziert das soziale, anti-diskriminierende Engagement des Vereins anhand der inhaltlichen Arbeit mit Geflüchteten, die Auseinandersetzung mit den Themen Flucht und Migration.
Böller dokumentiert die Aktivitäten. Jan interviewt den Fanbeauftragten des VfB Oldenburg, Raimund Kropp, der die Aufgaben erläutert und praktische
Fallbeispiele schildert und Kommunikation auf allen Ebenen einfordert. Raimund erkennt die nicht zu unterschätzende Gefahr einer erstarkten rechten Fankultur und spricht sich klar für
eine Nulltoleranz der "menschenverachtenden Plattitüden" im Stadion aus.
Des Weiteren berichtet Jan über die Schicksale jüdische Fußballspieler des VfB Oldenburg und die Auswirkungen durch die Machtübernahme der NSDAP auf ebendiese und dem
Fallbeispiel von Leonard Hirschtick, dem Gründungsmitglied des VfB Oldenburg, der 1943 im KZ Auschwitz ermordet wurde. Einen großen Teil des Zines nimmt Jans Rückblick
auf seine Berührungspunkte zum Verein VfB Oldenburg und der Ultra-Kultur ein, die er ausführlich schildert. In diesem Kontext berichtet Jan über die vielen antirassistischen
Aktionen und solidarische Arbeit, die Gründung einer weiteren Ultra-Gruppe, was sich in der geballten Form liest wie ein Jahresbericht. "Kein Stadtmandat ohne Berichterstattung vom
Oldenburger Filmfest". Jan besucht diverse Filme, sein Highlight war und ist der Film "Ich bin tot macht was draus", der seiner Meinung nach "mit anarchistischem
Witz und vielen witzigen Ideen daherkommt". Fast unbeholfen und oberflächlich kommt dann das Interview mit DISCO//OSLO rüber, was irgendwie so gar nicht zum übrigen Inhalt passt.
Gesamteindruck:
Die aktuelle Ausgabe bietet inhaltlich sehr viel Fußball, ein klein wenig Punk, Film und viel Politik im regionalen Kontext. Das zeichnet das Zine aus und ist mittlerweile auch ein Qualitätsmerkmal. Insbesondere die vielen fußballbezogenen Artikel und Interviews weisen einen hohen politischen Stellenwert auf, belegen Jans antirassistisches und soziales/solidarisches Engagement, was auch für nicht Fußballinteressierte lesenswert ist. Der Inhalt vermittelt aber auch theoretisches Wissen, Bildung und praktische Arbeit als produktives Zusammenspiel zwischen Forschung und Praxis.