AIB #110
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Der AIB-Schwerpunkt thematisiert (erneut) rechte Bruderschaften, Neonazis, die in Männerbünde aktiv sind, die „mit dem Style und Habitus von Motorradclubs (MCs)“ konform sind.
Zur Zeit existieren in Deutschland Dutzende derartige Bruderschaften mit insgesamt vielen hundert Mitglieder. DAS AIB konsterniert, dass „das Modell und Label der Bruderschaft bedient
augenscheinlich die Bedürfnisse vieler Neonazis, die der Jugendkultur und dem Bewegungsaktivismus entwachsen und in ihrer eigenen Szene nach Distinktion trachten“.
Neue Mischszenen entstehen am Rande von kriminellen Rockerclubs, Hooligans und Neonazis entstehen. Häufig nennen sich die neuen Gruppen Bruderschaften oder „Brotherhood“. Untereinander ist nicht
mehr vom „Kameraden“, sondern vom „Bruder“ die Rede. Für die Bruder-Vereinigung werden sogenannte Emblems / Patches entworfen, Abzeichen, die den Träger als deren „Präsidenten“, „General“
(Brigade 8) oder „Leitwolf“ (Hardcore Crew) ausweisen“ und „die Exklusivität der Gruppe deutlich machen sollen“. Der Style und der Habitus wird vom Organisationsaufbau eines Motorradclubs
kopiert. Die Zugehörigkeit als charakteristisches Identifikationsmodell stellt etwas Höheres, etwas Erhabeneres dar. „Ein Sehnsuchtsort, aufgeladen durch den Pathos des Lebensbundes. Sie
kennzeichnet das Bedürfnis nach einer Gemeinschaft, die Kontinuität und Ordnung verspricht, die exklusiv, unverbrüchlich, familiär, überschaubar und frei von Widersprüchen ist und in deren Räumen
Männerkult und elitäres Gehabe ohne Einschränkungen gelebt werden können.“
Neonazis sehen in den Strukturen der Rockerszene nicht nur einen Sehnsuchtsort, sondern können sich mit den Idealen (Stärke, Ehre und Loyalität) identifizieren.
Gesamteindruck:
Das AIB evaluiert das Thema aus #87 (Thema: Neonazis in der Rockerszene). Ein Blick in soziale Netzwerke zeigt auf, dass sich „knallharte Rechte“ in PEGIDA, Hooligan-Netzwerke, Bürgerwehren zu
erkennen geben. Am Beispiel von „Brigade 8" zeigt das AIB auf, wie das Identifiaktionsmodell funktioniert. Ein Männerbund, der eine soziale und politische Einheit darstellt, Loyalität verlangt
und wenig Fluktuation und Widersprüche zulässt. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass Neonazis im Rockermilieu gut vernetzt und doch fernab von Aktionsbüros, Freien Netzen und NPD sind und Schutz
vor Repressionen erfahren, da die Gruppen oft in keine polizeilichen Kategorien passen. Auch antifaschistische Gruppen hatten und haben Einschätzungsprobleme. Einfacher ist es wenn
offensichtliche Codes und Verknüpfungen mit extrem rechten Organisationen zum Vorschein kommen. So klebte sich ein „Brigade 8“-Anhänger nicht nur Hakenkreuze an die Kacheln seiner Küche, sondern
einer ließ sich das Clublogo gleich mit einem Schnellfeuergewehr auf den Hinterkopf tätowieren. Auch Anlehnungen an die konspirativ agierende „Hammerskin Nation“ (HSN) zeigen sich, dann verwenden
Brigade-Anhänger zwei gekreuzte Hämmer, die deren Logo ähneln. Hooligans passen ebenfalls gut ins prollig-aggressive Erscheinungsbild. Einer von der „Brigade 8“ aus Hannover zeigt sich auf einem
Foto Arm in Arm mit dem Sänger der Szeneband „Kategorie C“.
Angst vor Strafverfolgung und Verboten scheinen die „Bruderschaften” bisher kaum zu haben. Offen militant ist dementsprechend ihre Symbolik: Pistolen, Sturmgewehre und gekreuzte Handgranaten
prägen die Selbstdarstellung.
Die „Bruderschaften” versuchen sich mit den großen Klubs gut zu stellen, erhofft man sich doch, so etwas mehr von deren Mythos der Unantastbarkeit abzubekommen.