HUMAN PARASIT #14
100 DIN-A-5-Seiten; €4.-
humanparasit@web.de
Älter werden ist scheiße! Bäppi reflektiert seine Vergangenheit und verdeutlicht anhand von Beispielen Widersprüche und schlussfolgert - vielleicht auch als Maßnahme, die seine veränderten
Verhaltensweisen rechtfertigen - dass "Älter werden gar nicht so schlimm ist, wie ich das immer gedacht habe!" Werte wie Saufen, Kotzen, Rebellion und Aufbegehren sind Wellness, Kultur, Bio essen
und sauber machen gewichen. Aus einem Punker ist ein konservativer bürgerlicher Mensch geworden. Mon Chérie statt Hansa Pils.
Dafür hat Mike von ABRUPT/BOMB ALL RECORDS gut gefrühstückt und könnte von jedem €5 abnehmen. Mike hat 2 Jobs, hat Probleme mit einer
"Kategorisierung von allem" und erklärt den Hintergrund und Bezug zu ausgewählten ABRUPT-Texten. BEATPOETEN sind 10 Jahre unterwegs und präsentieren die schönsten und
schillerndsten Geschichten in Auszügen, kurzen Sätzen, die zusammenhängend die Faszination der "Bewegung und die Ausflüge" skizzieren. Lachhut von CHOREA HUNTINGTON ist manchmal
ein hässlicher Ehrgeizling und auf dem Weg der Besserung, während Fulke im Nightliner Bud Spencer-Filme gucken würde. Es hat den Anschein, als ob Bäppi mit jeder Ausgabe nicht nur über
(eine neue) Beziehung philosophiert, sondern auch umgezogen ist. Hannover ist auch nur eine vorübergehende Station, hat Bäppi doch vor, seine bio-landwirtschaftlichen Produktions- und
Verkaufsmodalitäten auf dem Land zu verfeinern. Bis dahin stellt er die Lokalitäten in Hannover vor, in denen punk sich wohl fühlen kann. FCKR heißen FICKER und lassen wie
KMPFSPRT einfach die Vokalbuchstaben weg. Zippel kackt nach der 1. Zigarette und schläft viel und wünscht sich einen richtigen Briefverkehr und -wechsel.
Der Heftschwerpunkt thematisiert "Punkvideos" mit Interviews zu Bands, die auf youtube ein Video zum Song gedreht haben bzw. erklären den Hintergrund zum Video. Darüber hinaus
werden mit RILREC TV und KESSELPUNKS Punkrock Youtube-Kanäle vorgestellt, die doch recht unterschiedlich gestaltet und präsentiert werden. Fanzinekollegen erklären und stellen ihre
Lieblingsvideos vor, Niclas von THE BABOON SHOW describes his sense of producing a video-clip und Kay Øzdemir (u.a. Clips für PASCOW, THE BABOON SHOW) erklärt den Prozess eines Videodrehs.
Bocky reflektiert die ehemalige schöne bunte PUNKROCK!-Fanzinewelt und wirkt nach dem Aus entspannter und zufriedener.
Gesamteindruck:
Das Human Parasit Fanzine nimmt immer noch einen großen Stellenwert in Bäppis Leben ein, auch wenn er das Interesse am Medium Fanzine (zeitweise) verloren hat. Bäppi kann sich immer weniger
begeistern, was sich auch auf den Inhalt auswirkt. Denn alles, was ihm nicht gefällt oder seinen Ansprüchen nicht genügt, wird schlecht gemacht oder ignoriert. Diese Denk- und Arbeitsweise wirkt
arrogant und narzisstisch, was sich vor allem darauf bezieht, dass Bäppi sein Medium und Wirken hervorhebt und als Maßstab nur gut findet, was seinen Vorstellungen entspricht. Das ist weniger
konstruktiv, denn egoistisch und subjektiv. Denn Bäppi macht in seiner Kritik keinen Vorschlag zur Verbesserung, ist unsachlich und bevormundet bspw. andere Fanzinemacher_innen, die bitte nur das
machen sollen, was Bäppi gefällt.
Das von Bäppi und Turbotorben in Kooperation geführte Interview mit HEADSHOX wirkt uninspiriert und der Versuch, zu provozieren scheitert an klischeebezogene Vorurteile (Die Bremer Punks sind
elitär), mit denen sie die Band konfrontieren. Im Wesentlichen ist die aktuelle HP-Ausgabe inhaltlich sehr abwechslungsreich und vom Layout/Artwork herausragend gestaltet. Bäppi legt viel Wert
auf eine grafische Vielfalt, die jeweiligen Artikel und Interviews individuell in Szene zu setzen und verzichtet auf ein immer wiederkehrendes Gestaltungsmuster. Das Schwerpunkt-Thema ist zum
Glück ausführlicher geworden und umgesetzt, als von ihm zunächst geplant. Wobei mich persönlich youtube-Videoclips wenig interessieren und auf mich keine Faszination ausüben. Anarchie und Alkohol
schon eher. Kritische Betrachtungen zum Drogenkonsum im Hier und Jetzt und die Suche nach Strategien im täglichen Umgang mit Drogenkonsum ist leider nur eine unscheinbare Randnotiz und Beilage,
böte dieses Thema doch eine kontroverse Debatte und Stoff für Erklärungsmuster und Verhaltensweisen, warum Alkohol dazu beiträgt, eine ungleiche Verteilung von Gewalt und Druck
aufrechtzuerhalten, wie Punks Alkoholkonsum und Anarchie rechtfertigen und warum Punk-Bands dies propagieren...