LOTTA #63
68 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
www.lotta-magazin.de
Die extreme Rechte ist fasziniert vom Militärischen. Soldatische Pflichten und Tugenden wie Gehorsam, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft gelten als Idealbild, militärische Formen finden sich in
extrem rechte Strukturen wieder und immer werden paramilitärische Gruppen gebildet. Der Schwerpunkt thematisiert die verschiedenen Facetten des extrem rechten Militarismus.
Jan Karneiken beschäftigt sich mit den Remilitarisierungsbestrebungen in der BRD während des Kalten Krieges und die Einflussnahme der extremen Rechten in der Bundeswehr. In ihrer Historie gibt es
immer wieder nachweisbare Skandale, die einen direkten Bezug zum NS herleiten lassen. NS-Lieder, Sieg-Heil-Rufe, fehlende Distanzierung zum NS-Regime. Heute geht es der extremen Rechten "nicht um
einen Abbau struktureller Gewalt und die Förderung gewaltarmer Strukturen und Verfahren zur Konfliktbearbeitung" und wähnt sich in einen fortwährenden Überlebenskampf der Völker. Das Militär
dient als "Schule der Nation" und Neonazis sahen die Wehrpflicht als Möglichkeit, den Umgang mit der Waffe zu lernen. Studien haben ergeben, dass ein Fünftel eine national-konservative
Einstellung hegt. Jan prognostiziert, dass Angesichts der jüngsten Erfolge der AfD und völkisch-nationalistischer Mobilisierungen ist damit zu rechnen, dass "national-konservative Positionen, die
auch eine Militarisierung der Bundeswehr einfordern und zivile Maßstäbe für das Berufsbild des Soldaten in Frage stellen, auch sichtbarer wieder von Bundeswehrangehörigen formuliert
werden."
Lucius Teidelbaum knüpft an diesem Artikel an und erkennt ein nicht ungetrübtes Verhältnis zwischen der extremen Rechten und der Bundeswehr. Sie ist unzufrieden mit dem Zustand, mit der
Abschaffung der Wehrpflicht und den Modernisierungsmaßnahmen. Die AfD setzt sich für einen Militarismus der alten Form und die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein. Kaum verwunderlich, dass sich
in ihren Reihen allerhand Militärs tummeln.
Klaus-Wilhelm Habichtt porträtiert den deutschen Offizier Christian E.O. Millotat und seine verfassten Schriften und Bücher, die u.a. in rechten Verlagen und Magazinen erschienen. Die
Traditionspflege und das Traditionsverständnis sollen aufrechterhalten und weiter entwickelt werden. Das wird auch in den verschiedenen Publikationen propagiert, die Jan Raabe analysiert. DMZ und
DM Zeitgeschichte sind am Kiosk zu haben und lassen eine geschichtsrevisionistische Ausrichtung erkennen. Die DMZ widmet sich einer Themenpalette, die sowohl die Bundeswehr und moderne
Waffentechnik als auch die Wehrmacht und die Waffen-SS abdeckt. Während das Magazin dabei einerseits aktuelle wehrpolitische Themen nüchtern behandelt, verbreitet es andererseits beschönigende
Artikel über die Streitkräfte des „Dritten Reiches“. Die Wehrmacht wird verherrlicht und präsentiert andererseits insbesondere jungen Neonazis ein historisches Ideal für deren eigene
Lebensgestaltung.
Gesamteindruck:
Der MAD bearbeitet 230 rechte Verdachtsfälle. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linke) hervor. Demnach gab
es im Jahr 2015 insgesamt 149 neue Hinweise auf "Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten" im deutschen Militär.
Insgesamt mussten im vergangenen Jahr allerdings nur 19 Soldaten aufgrund solcher Vorgänge vorzeitig ihren Dienst bei der Bundeswehr beenden. Nur in vier Fällen will der MAD tatsächlich
Rechtsextremisten in der Truppe identifiziert haben. Dabei handelt es sich um einen NPD-Funktionär, einen zivilen Wachmann, der ebenfalls Mitglied der NPD ist, einen Zeitsoldaten mit einer
rechtsextremistischen Tätowierung und einen freiwilligen Wehrdienstleistenden, der gleichzeitig Mitglied in einer extrem rechten Kameradschaft war. Sie wurden nach Angaben des
Verteidigungsministeriums inzwischen aus dem Dienst entlassen oder in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
In anderen Fällen konnten Soldaten nach Disziplinarstrafen und Bußgeldzahlungen ihren Dienst fortführen. Neonazis und eine rechte Einstellung sind in der Bundeswehr keinen Einzelfälle. In der
Bundeswehr glauben viele Neonazis ihre Wertevorstellungen von Führertum, Kameradschaft, Pflicht und Gehorsam verwirklichen zu können. Die Bundeswehr kommt ihnen dabei entgegen, da sie zum einen
ähnliche Feindbilder konstruiert, die es zu bekämpfen gelte. Früher war dieses Feindbildkonstrukt „der russische Kommunismus“ (Feindbild der Altnazis), heute kämpft die Bundeswehr gegen den
realen oder angeblichen „islamischen Terrorismus“, was dem ausländerfeindlichen „Türken“-Konstrukt der Neonazis sehr ähnlich ist. Bewegungen und Parteien wie PEGIDA, AfD suggerieren den Ruf nach
einem starken Staat, um das deutsche Volk zu retten. In Zeiten, in denen das offen diskutiert wird, haben es nicht nur Neonazis leichter, diese Art Selbsthilfe außerhalb der Bundeswehr zu
leisten. Für sie gilt aber die Bundeswehr nach wie vor, als ein Instrument, um sich gegen die vermeintlichen Nutznießer des sozialen Rechtsstaats wie Asylanten, die Arbeitslosen,
Sozialhilfeempfänger zu wehren. Was im Schwerpunkt fehlt sind Berichte und Analysen zu Wehrsportgruppen militanter Neonazis, Aktionen diverser "Reenactment"-Gruppen und Neonazis als Söldner.
Eigene Kapazitäten reichten dafür nicht und es konnten leider keine GastautorInnen hierzu gefunden werden.