Die Ausprägung von Körpergefühl, KörperSelbstbild & Handlungspotenzialen Jugendlicher sowie gesellschaftlich geltende Schönheitsnormen sind Resultat kultur- und genderspezifischer Sozialisationserfahrungen. Ein sehr hoher Anteil von – insbesondere weiblichen – Jugendlichen ist mit dem eigenen Körper unzufrieden. Körper(de)formierende Verhaltensweisen im Sinne von BodyModification sind sowohl bei weiblichen als auch männlichen Jugendlichen als Körperpraxen zunehmend verbreitet.
Dabei sind soziale und genderspezifische Attributionen und Stigmatisierungen im Umgang mit Körper und Körperlichkeit von zentraler Bedeutung. Die Kategorien Schönheit und Attraktivität werden im
Kontext sozialer Inszenierung und Modifizierung des Körpers – (un)abhängig von Geschlechtergrenzen – zu existentiellen Maßstäben und werden für Jugendliche zu einem zentralen Kriterium sozialer
In- bzw. Exklusionserfahrungen. Dabei stellen sich Fragen der Variabilität bzw. Verschmelzung von Männlichkeit und Weiblichkeit, von Mensch und Technik und weiterer Kategorien, die auf der Folie
theoretischer Körperdiskurse diskutiert und hinterfragt werden. Dabei wird erörtert, inwiefern die Konstruktion des Körpers der Konstituierung von (Gender)Identitäten dient, wenn mit dem Körper
als variable formbare Größe gehandelt wird. Das Phänomen des Bodyismus, dem Streben und intentionalen Agieren um Perfektionierung und Makellosigkeit des genderisierten Körpers wird dem Wunsch
nach Einzigartigkeit und Individualität gegenüber gestellt.
In pädagogischer Hinsicht zielt die Reflexion der Instrumentalisierung des Körpers auf einen bewusst positiv-reflektierten Umgang mit Körperlich- und Befindlichkeiten und damit auf eine
nachhaltige Stärkung sozialer Handlungskompetenzen sowie Förderung gesellschaftlicher Partizipationschancen Jugendlicher.
Vor allem Frauen definieren sich anhand der eigenen Ansprüche und des Bildes, das um sie herum entstanden ist, ob heute oder vor 100 Jahren. Ein enger Zusammenhang besteht zwischen Mode und
Körperbildern. Die heutigen Models stellen nur einen kleinen Prozentsatz der möglichen Körperformen und Figuren dar und trotzdem gelten sie für viele Personen als das Maß aller Schönheit. Mode
ist nicht nur Kleidung, sondern auch ein Statussymbol und maßgebend für zukünftige Körpertrends.
Ein gesunder, fitter Körper ist zumindest das Idealbild von Ärzten und Ernährungsexperten. Doch bei steigender Anzahl an Essstörungen wie Magersucht, Bulimie und einer hohen Rate schwer
übergewichtiger Menschen erscheint ein idealer Körper wie ein erlösendes Bild, das nie zu erreichen ist. Einige Umfragen ergeben, dass nur zehn Prozent der befragten Frauen in Deutschland sich
selbst schön finden und 46 Prozent fühlen sich durch den Druck der Medien gezwungen, ihren Körper zu verändern. Deshalb werden in Zukunft extreme Körper vermehrt als Ideale angesehen und dank
Mode und Medien eine weite Verbreitung finden. Ein Gegentrend normaler Körperideale ist zwar vorhanden, hat jedoch noch keinen großen Anklang in Medien und Werbung gefunden.
Eine große mediale Aufmerksamkeit haben Communitybasierte kommerzielle Plattformen wie SuicideGirls erlangt, deren Models eine gewisse Popularität erreicht haben. Die Community versucht sich als
Gegenpart zu Pornographie-AnbieterInnen zu inszenieren. Tatsächlich werden die meisten tätowierten/gepiercten Models unbekleidet und in erotischen Posen fotografiert. Mitbegründerin Selena Mooney
sah das Projekt in der Gründungsphase 2001 mehr als Kunstprojekt denn als Geschäft, während Mitgründer und Ex-Freund, Sean Suhl, die Community sehr wohl als moderne Playboy-Version verstand. Aus
welchem Blickwinkel mensch diese „Untergrund-Pornografie“ auch sehen mag, legen die BetreiberInnen Wert darauf, das feministische Image hervorzuheben und die Rolle wie die Selbstbestimmtheit der
Models und das Konzept, das einen selbstbewussteren und weniger angepassten Frauentyp in den Vordergrund zu stellen.
Ehemalige Models betonten, der feministische Anspruch, den die Website erhebe, sei nur Fassade, hinter den Kulissen unterscheide sich SuicideGirls wenig von anderen Erotikwebsites. Die
fotografierten Models sind letztendlich nur eine tätowierte Variante von Playboy oder Penthouse mit dem Unterscheidungsmerkmal von Körpermodulationen. Der Fokus liegt auf nackte Haut und Erotik,
die Models selbst werden zu Produkten degradiert. Während Frauen als zahlende Mitglieder frei darin sind, welche Fotos sie einstellen, gelten für bezahlte Suicide Girls bestimmte
Mindestanforderungen. Die Sets müssen nackte Brüste und Hintern zeigen; die Fotos, auf denen diese Körperteile zu sehen sind, müssen im ersten Drittel des Sets auftauchen. Vorzugsweise sollten
die Mädchen weit mehr als die 40 Fotos einreichen, die zu einem Set gehören, wobei die Entscheidung, welche Fotos in welcher Reihenfolge online gepostet werden, den WebsitebetreiberInnen
obliegt(1).
Selbstbestimmung sieht anders aus.
Im Herbst 2016 kamen die Burlesque-Tänzerinnen der SuicideGirls erstmalig für insgesamt sieben Shows nach Deutschland. Über fünf Millionen BesucherInnen zählt die Seite im Monat und es überrascht
nicht, dass viele MusikerInnen und KünstlerInnen immer wieder SuicideGirls für Auftritte / Videos o.ä. buchen. So sagt Dave Grohl von den Foo Fighters zum Beispiel: «Das beste an den SuicideGirls
ist, dass sie dem gängigen Pamela Anderson – Schönheitsideal komplett widersprechen.» Aber, stimmt das wirklich? Tattoos signalisieren eine Lebenseinstellung, aber auch eine bestimmte
Persönlichkeitsstruktur und gelten in bestimmten Subkulturen mittlerweile als Schönheitsideal. Tattoos dienen somit der Identifikation, sie signalisieren die Zugehörigkeit zur Gruppe.
Jennifer Weist aka Jennifer Rostock zeigt sich im aktuellen Video, „Hengstin“, splitterfasernackt vor einer kargen Wand(2).
Die Kamera nur wenige Zentimeter von ihrem Schritt entfernt.
«Ich glaube nicht daran, dass mein Geschlecht das schwache ist, ich glaube nicht, dass mein Körper meine Waffe ist», heißt es in dem Song. Eigentlich will sich die Band mit dem Song für die
Rechte der Frauen einsetzen. Nackt und mit einem wütenden Text funktioniert das offenbar besser. Erotik, nackte Haut und Feminismus ist ihrer Meinung nach kein Widerspruch. Das sehen viele
Facebook-User anders: «Ich mag Jennifer Weist, aber sie nutzt in dem Video doch genau das, was sie versucht zu kritisieren», schreibt ein Facebook-Nutzer.