Shakey Sue ist Sängerin bei THE HELLFREAKS(1) und arbeitet als sogenanntes „alternative model“. Shakey Sue hat mit der ersten Besetzung von THE HELLFREAKS Psychobilly gespielt, war selbst jedoch nie ein großer Fan dieses Genres. «It’s nice and sweet, but if I want to have sweet thing I cuddle my cats!» beantwortet sie eine Anfrage auf ihrem tumblr-Profil(2)nach der Ursache für den Rockabilly-Einfluss in der Musik. Tatsächlich bevorzugt sie laute und wilde Musik und findet, dass es im Rockabilly nichts Neues zu entdecken gibt. Vielleicht auch ein Grund für den kompletten Stilwechsel, den sie und die neu formierte Band mit dem neuen Album „Astoria“ repräsentieren(3).
Das Thema „Horrorpunk“ war offenbar ausgereizt. Mal geht es Hardcore lastig in die Vollen, dann nehmen sie sich gekonnt zurück und lassen schon fast poppige Klänge erklingen, um im nächsten
Moment wieder voll aufzudrehen. Die Gitarren spielen mal dreckig mal wunderschöne melodische Riffs, die Drums prügeln den Beat hoch und der Bass hebt den Druck der Songs auf das passende Niveau
damit Shakeys Gesang noch kräftiger, oder auch mal sanfter daher kommen kann. Der neue Sound ähnelt Bands wie die frühen THE DISTILLERS.
Shakey Sue ist ein Riesen-Fan von SuicideGirls. «Ich finde das Konzept einfach super! Und der Gedanke hat mich auch immer gereizt da mitzumachen. Aber irgendwie bin ich einfach nie dazu gekommen.
Wahrscheinlich, weil für mich meine Musik immer an erster Stelle stand.» Das Modeln ist für sie wie ein Hobby. Es macht ihr Spaß, ist aber auch ein gut bezahlter Job. Ihre größte Leidenschaft ist
aber die Band und die Musik. Wenn sie die Wahl hätte, würde sie sich immer für das Singen in einer Punkrock-Band entscheiden.
"Punk ist eine Herzensangelegenheit!"
Shakey Sue, mit der Neubesetzung der Band ist nicht nur der Psychobilly, sondern auch das ehemalige Aushängeschild, das bandytypische Horrorpunk-Image, verschwunden. Was waren denn die
Gründe für diesen radikalen Kurswechsel?
Die Band ist mittlerweile 7 Jahre alt. Überraschenderweise wurde auch ich exakt 7 Jahre älter und nach so einer langen Zeit hatte ich einfach keine Lust mehr mich zu
wiederholen. Ich habe zwar noch immer ein Faible für Psycho und Horrorpunk, aber musikalisch gesehen ist Psychobilly im Gegensatz zu Rockabilly zwar abwechslungsreich, bietet aber noch immer
nicht die Freiheiten, nach die ich mich schon seit längerem gesehnt habe.
Textlich gesehen ist Horrorpunk ja sowieso der blanke Horror! Es ist ein Märchenerzählen der etwas groteskeren Art: ich hatte da meinen Spaß und ich konnte mich austoben. Aber nun möchte
ich diese einzigartige Chance, dass mir so viele Leute zuhören, für Gedanken nutzen, die mir wirklich am Herzen liegen. Ich denke nicht damit die Welt verändern zu können – aber wenigstens möchte
ich bewusster damit umgehen, dass ich gehört werde.
«...wenn ich es nicht gelernt hätte, mich auf eine Aufgabe zu fokussieren, selbst wenn es woanders in meinem Leben „brennt“, wäre ich schon längst untergegangen.»
„Vielleicht müssen wir das loslassen, was wir waren, um das zu werden, was wir sein werden.“ Ist der Imagewechsel auch ein Lernprozess, die Vergangenheit loslassen zu können? Warum ist
das wichtig?
Das ganze Bandleben ist ein Lernprozess! Aber auch mein Privatleben ist mit einer Achterbahnfahrt zu vergleichen: ich musste schon in viel zu jungen Jahren Träume aufgeben und
von Null anfangen. Das ist mit dieser Band nicht anders: vor 2 Jahren hatten wir ja sogar so ein großes Tief, dass wir unser offizielles Ende bekannt gaben – doch ein Jahr darauf hat sich ein
Traum erfüllt und wir waren auf Tour in Kalifornien. So kann es kommen!
Am schwierigsten ist aber tatsächlich der menschliche Aspekt: Musiker kommen, werden zu deinen Freunden oder sogar zum engsten Vertrauten und ohne es kontrollieren zu können, stellen äußere
Umstände alles auf den Kopf und du stehst wieder alleine da. Das härtet einen auf jeden Fall ab - macht dich dafür noch dankbarer für das Gute und noch empfindlicher für das Böse. Man lernt seine
eigenen Grenzen immer genauer kennen.
Das „alte“ hinter dir lassen...ist das für dich auch Voraussetzung, überhaupt erst etwas Neues anfangen zu können? Kannst du dich also nur so voll und ganz auf das einlassen, was jetzt
ist?
Es ist schwierig darauf allgemeinen zu antworten. Ich persönliche lebe generell ein Leben für zwei. Bedeutet, dass ich mich gleichzeitig mit so vielen Sachen beschäftige, dass,
wenn ich es nicht gelernt hätte, mich auf eine Aufgabe zu fokussieren, selbst wenn es woanders in meinem Leben „brennt“, wäre ich schon längst untergegangen.
Einen Schlussstrich ziehe ich nur dann, wenn ich mir absolut sicher bin, dass die Sache nicht mehr zu retten ist. Dann aber ohne Wenn und Aber. Im Leben der Hellfreaks war dieser Schlussstrich
die Trennung von unserem alten Gitarristen im Jahre 2014. Dieser zu spät gemachter Schritt hat fast die Existenz der Band gekostet. Dieser war daher nicht für die Veränderung, sondern für das
Überleben nötig.
Du hast jauf deinem tumblr-Profil geschrieben, dass du nie großer Psychobilly-Fan warst. Trotzdem hast du in diesem Genre und mit der alten Besetzung lange musiziert. War das für dich
also eher Mittel zum Zweck, ein Kompromiss, um überhaupt Musik zu machen?
Ich habe nie ausschließlich Psychobilly gehört, das stimmt schon. Aber ich war und bin schon immer ein Rock-Szenenkind gewesen. Hardcore, Punk, Metal, Psycho, Surf, Grunge …
was auch immer: wenn es gut ist, ist es gut, egal wie wir es nennen. Das Label ist mir in dem Sinne egal.
Daher war das auch kein Kompromiss. Wenn du so eine Musik machst, machst du das nie aus Kompromiss – denn es liegen Genrebedingt so viele Steine im Weg, dass dich nur die Leidenschaft selber
vorantreibt. Zu der Zeit wollte ich das genauso wie es war. Es war schön und gut, aber nun geht es mit neuem Schwung weiter.
Du hast weiter geschrieben, dass du es magst, neue Dinge zu entdecken, aber dass es gerade im Rockabilly nichts Neues gibt. Woran machst du diese Erkenntnis fest?
Was ist guter Rockabilly? Guter Rockabilly ist authentisch. Guter Rockabilly macht das rebellische Gefühl der ’50-er Jahre aus. Guter Rockabilly macht den Spirit und den Sound
früherer Zeiten aus. Da gibt es keinen Platz für eine moderne Denkweise, keinen Platz für neue Ideen, keinen Platz für Veränderungen oder frischen Wind – denn in dem Moment ist es kein Rockabilly
mehr, nur noch eine Neo-Version davon. Ich verstehe daher die Herausforderung des Genres und verstehe auch, dass Rockabilly seinen Zauber hat, der viele in den Bann zieht. Ich gucke da aber in
der Musik einfach lieber nach vorne und nicht nach hinten.
Im übrigen hatte gerade die Abneigung der (in jetziger Zeit) „konservativen“ Denkweise Psychobilly ins Leben gerufen und deswegen habe ich diesen so gefeiert! Aber um ehrlich zu sein, stelle ich
auch hier momentan ein „feststecken“ des Genres fest, welches mir etwas Angst macht. Ohne Akzeptanz für was Neues, kann sich ein Genre nicht weiterentwickeln.
Denkst du, Punkrock ist eine offenere, experimentierfreudigere Community und was für Möglichkeiten findest du hier im Gegensatz zum Psychobilly?
Ich denke Punkrock ist lebensechter und daher denke ich, dass diese Subkultur auch für mich angemessener ist. Punk ist einfach viel größer und daher die Mutter vieler
Sub-Genres. Aber frag mich in 7 Jahren wieder – ich kann ja nie wissen, wohin der Weg mich führt.
Du betonst oft und gerne, dass für dich die Musik an erster Stelle steht. Welche Anforderungen stellst du dir und auch an die Bandkollegen? Bist du eine Perfektionistin?
Das hört sich vielleicht etwas komisch an, aber ich bin fest davon überzeugt, dass ich zu absolut gar nichts Talent habe. Alles, was ich erreicht habe, ist das Ergebnis harter
Arbeit. Mir ist aber bewusst, dass ich diese Einstellung aus dem Sport habe. (Ich bin mit Geräteturnen aufgewachsen und war später in der Trampolin-Nationalmannschaft).
Zudem schwimme ich in einem wahnsinnig großem Becken: wie viele Leute wollen denn etwas mit ihrer Musik erreichen? Millionen! Wie sollte man daher erwarten, aus der Menge herauszuragen, wenn man
nicht absolut alles dafür tut? Und das ist eigentlich nur das Minimum – danach darf man erst auf etwas Glück hoffen, um es zu schaffen.
Allerdings erwarte ich so eine Hingabe nicht ansatzweise von meinen Bandkollegen. Es gibt natürlich ein Minimum, ohne dem eine Zusammenarbeit nicht funktionieren kann, aber mein wichtigstes
Anliegen ist, dass wir einander immer unter jeden Umständen mit Respekt behandeln.
Die Stimme eines Menschen ist ein äußerst mächtiges Instrument. Sie bestimmt den ersten Eindruck und transportiert Persönlichkeit. Was machst du, um deine Stimme zu optimieren?
Ich nehme mir viel Zeit für Kritik, wohl mehr als für Lob, nehme mir diese zu Herzen, stelle mir dies als Aufgabe und nehme Gesangsunterricht. Ich versuche, mir meine Schwächen
bewusst zu machen, sie zu erkennen und versuche, an diesen gezielt zu arbeiten.
Bei den neuen Songs kann mensch sehr gut heraushören, dass du hart am Gesang gearbeitet hast. Deine Stimme klingt voluminöser, dynamischer, ausdrucksstarker als auf den früheren
Aufnahmen. Wie lange beißt du dich an etwas fest, um mit dir selbst zufrieden zu sein?
Das ist sehr unterschiedlich. Aber beim Thema Gesang bin ich noch weit von dem Punkt entfernt, wo ich sein möchte. Aber mit unserem neuen Album bin ich dem Ziel doch einen
großen Schritt näher gekommen. Bei so einer Aufnahme ist es meistens der Zeitdruck, der mir hier und da einen Strich durch die Rechnung macht. Manche Songs gingen wie geschmiert, bei anderen lief
ich mit Tränen in den Augen aus dem Studio, weil es einfach nicht klappen wollte. Aber letztendlich hat man in einem Studio meist nicht den Luxus, die Aufnahmen endlos in die Länge zu ziehen. Das
kann schon an den Nerven knabbern.
Shakey Sue, kommen wir zu einer anderen Obsession, was du selbst als Hobby bezeichnest. Du hast ja schon sehr früh angefangen, zu modeln? Wie ist es dazu gekommen?
Das ging bei mir so mit 17-18 Jahren los. Ich wurde in Ungarn von einer namhaften Werbe- und Videoproduktionsfirma entdeckt. Ich habe mich nicht dafür beworben und es kam mir
nie in den Sinn so was zu machen – ich wurde einfach als Zuschauerin bei einem Konzert in einem kleinen Rockabilly-Laden angesprochen. So kam eines zum anderen: Ich habe mit der Zeit meine Fühler
ausgestreckt und bekam mehr und mehr Aufträge. Das ging ein paar Jahre so, als mir dann die Lust verging. Ich konnte mich mit den Arbeiten nicht mehr identifizieren, es störte mich, dass ich fast
immer in die Pin-Up Rolle gesteckt wurde. Ich hatte einfach keine Lust mehr, mich in diese Rolle drängen zu müssen. Bis ich nach Berlin gezogen bin! Da hatte ich dann die Möglichkeit, als
Model wirklich das zu machen, worauf ich Lust hatte.
Wer bucht dich oder für was wirbst du als Model?
Momentan nehme ich nur noch Shoots an, von den ich selber überzeugt bin, dass es hier um Kunst geht – und nicht um das Knipsen. Wo ich fühle, dass der Fotograf mit seinen
Bildern etwas ausdrücken möchte, einen eigenen Style hat, mit dem ich mich identifizieren kann. Mal wild, mal düster, mal trashig. Richtungen, die für mich nach Freiheit schreien und nicht den
konventionellen Weg gehen wollen. Aber ich stand schon für Weinmarken bis Kleidermarken wie EMP vor der Kamera.
Du labelst dich als alternatives Model? Was ist darunter zu verstehen?
Für mich bedeutet der Begriff, dass jemand eine sehr charakteristische Präsenz und einen gesunden Hauch des Außergewöhnlichen innehat, mit einer kleinen Portion an Freakness im
Vergleich zur heutigen Gesellschaft. Menschen, dessen pure Erscheinung selber ein Statement ist. Die nicht deswegen gebucht werden, weil sie verstellt werden können. Menschen die im Gegensatz zum
Gewohnten eine alternative Schönheit bieten.
Als Model hast du nichts geleistet, außer schön zu sein. Findest du diesen Vorwurf gerechtfertigt?
Schöne Menschen gibt es sehr viele. Die Leistung ist es, aus denen herauszuragen. (wenn man denn das überhaupt möchte, natürlich). Aber ein gutes Model ist bei weitem nicht nur
schön. Es gehört weit mehr dazu: schauspielerisches Talent, Körperkontrolle, hohes Level an Selbsterkennung.
Ist der Job des Modelns ein Privileg und welchen Einfluss hast du auf die Arbeit?
Wieso sollte das ein Privileg sein? Ein Job wie jeder andere. Wenn du denkst, dass du beim Photoshoot mehr Wert bist als irgendwer im Raum, empfinde ich das als eingebildet.
Jedes Shooting ist das Ergebnis von Teamarbeit. Egal, ob ihr gerade zu zweit seid, oder ob dich eine Crew mit 20 Personen umgibt.
Ich habe sehr viel Einfluss auf die Arbeit, da ich nicht auf dieses Einkommen angewiesen bin. Ich kann mir daher nach Lust und Laune aussuchen, was ich mache oder was ich nicht mache
Ist dir dein Outfit, Mode, wichtig? Welche Auswirkungen hat es, den Modeljob zu idealisieren und warum sollte mensch das nicht tun?
In der Hinsicht kann ich es nicht leugnen – ich bin typisch Frau. Ich habe Spaß an Klamotten und verbringe damit gerne Zeit und ja, ich denke, dass Kleider als wichtiges
Werkzeug des Selbstausdrucks dienen. Aber mit den Jahren ändern sich die Prioritäten: zum Beispiel existieren nicht diese Umstände, die mich auf der Bühne nochmals in ein Korsett zwingen könnten.
Da ist es mir tausendmal wichtiger, ohne Einengung singen zu können. Auf der anderen Seite können mich ein paar neue Jeffrey Campbell Schuhe immer wieder glücklich machen! Bezüglich deiner
zweiten Frage: bei dem was ich mache, gibt es nichts zu idealisieren.
Alternative Models wie Emily Pollution, Mel Riot, Victoria van Violence haben ja auch einen Punk-Hintergrund. Was qualifiziert dich denn für diesen Job? Reicht es aus, sich die Haare zu
färben und sich zu tätowieren, um alt. Model zu werden?
Was für mich der Begriff bedeutet und was für mich dazu gehört, habe ich euch ja bereits ausgiebig erläutert. Was mich dazu qualifiziert seid ihr! Als ich in Berlin wieder mit
Shoots anfing, habe ich das eigentlich allein für mich machen wollen. Ich habe nie damit gerechnet, dass ich damit so viele begeistern kann.
Was verstehst du unter Schönheit?
„Schön ist dasjenige, was ohne Interesse gefällt.“
Als Model bist du auch ein Statussymbol, beschränkt auf das Äußere. So wirst du präsentiert. Was empfindest du, wenn du auch als Objekt vieler Männerfantasien herhalten musst?
Das hat mit dem Modeln gar nichts zu tun – das hat mit Bekanntheitsgrad zu tun. Man darf nicht auf die Bühne, vor die Kamera, aber man darf nicht einmal Selfies auf Social
Media Plattformen über sich teilen, wenn das einen stört. Das gehört nun mal dazu. Wer damit nicht klar kommt, darf nichts machen, was in irgendeiner Form Aufmerksamkeit erregt. Take it tor leave
it.
Warum ist für dich der Modeljob nicht anti-feministisch, frauenunterdrückend?
Etwas ist unterdrückend, wenn dein Wille gebrochen wird. Dafür gebe ich aber keinen Platz vor der Kamera. Bilder entstehen für die Ewigkeit, heutzutage erst recht. Wer damit
nicht umgehen kann und wer dessen Verantwortung nicht bewusst ist, ist tatsächlich fehl am Platz. Auf der anderen Seite: zu denken, dass Fotografen so etwas vorhaben, ist auch ein Vorurteil, über
dass ich Seiten schreiben könnte, wie falsch es ist, diese zu haben.