AIB #112
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Im Editorial wird ein Gefährdungspotential skizziert, in dem Angriffe von türkischen NationalistInnen auf linke MigrantInnen und Minderheiten häufen und stärker wahrgenommen werden. Neben den
"Grauen Wölfen" oder die Ülkücü-Bewegung („Bewegung der Idealisten“) gibt es viele türkische FaschistInnen, die sich hauptsächlich auf den Kampf gegen die kurdische Bewegung auch in
Deutschland konzentrieren, aber darüberhinaus kaum für weitere politische Praktiken in Erscheinung treten.
Seitdem wahrscheinlichen und gescheiterten Putschversuch in der Türkei ist ein großes Erstarken nationaler Kräfte zu beobachten, im Zuge dessen eine repressive Kurdenpolitik betrieben wird. Aber
auch im Zuge der Armenien-Resolution des Bundestages gegen türkischstämmige Abgeordnete eskalierten die Spannungen in Morddrohungen und Sanktionen.
Der AIB-Schwerpunkt beleuchtet u.a. die Grauen Wölfe und den türkischen Nationalismus, der sich seitdem gescheiterten Putschversuch in einen nationalen Rausch der Ekstase befindet. Kemal Bozay
skizziert die Auswirkungen des gescheiterten Putschversuches, die in der Konsequenz eine gnadenlose Verfolgungsjagd auf AnhängerInnen der Gülen-Bewegung zur Folge hatte. Bozay stellt fest, dass
"die sozialen und politischen Entwicklungen in der Türkei die politische Orientierung der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland stark beeinflussen". Die extrem rechte Ideologie stützt sich
auf den ausgeprägten Rassismus "gegenüber allen nicht-türkischen Bevölkerungsteilen sowie eine anti-demokratische Grundhaltung". Tatsächlich erfahren extrem rechte türkische Organisationen neuen
Aufwind, um das "europäische Türkentum" zu mobilisieren.
Ein weiterer Artikel beschreibt und analysiert das Netzwerk der „Ülkücü-Bewegung“, das von sogenannten Idealistenvereinen über Sportclubs bis hin zu Motorradgangs reicht. Bei der
„Ülkücü-Bewegung“ handelt es sich um eine stark identitätsstiftende Bewegung. Ihre Anhänger idealisieren die türkische Nation in ihrer politischen, territorialen und kulturellen Ausprägung. Hinzu
kommt die Betonung islamischer Werte. Die Vorstellung einer Untrennbarkeit von türkisch-nationalen und islamischen Bestandteilen wird als „Türkisch-Islamische Synthese“ bezeichnet. Die
„Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (ADÜTDF), der nach aktuellem Kenntnisstand zahlenmäßig stärkste Block innerhalb der bundesweiten „Ülkücü“-Szene,
bezeichnet den „Grauen Wolf“ unkorrekterweise hartnäckig als nationales Symbol der Türken, vergleichbar mit dem deutschen Bundesadler. der Verwendung des „Grauen Wolfs“ als Symbol für die
eigene politische Überzeugung verbreitete sich unter den MHP-Anhängern der „Wolfsgruß“. Der „Wolfsgruß“ wird auch zur Provokation des politischen Gegners eingesetzt, beispielsweise bei
Demonstrationszügen von Anhängern der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK). Eine weitere rechte Symbolik stellen die drei Halbmonde dar. Die Symbolik der Drei Halbmonde hat ihren Ursprung im
Osmanischen Reich und dient den UltranationalistInnen als Identifikation und Glorifizierung der türkischen Vergangenheit. Es ist vor allem bei jugendlichen AnhängerInnen der Ülkücü-Bewegung
sichtbar, die das „cCc“ auf Häuserwände sprühen, tragen es als Kettenanhänger und Ringe oder lassen es sich auf den Körper tätowieren.
In Deutschland sind Zusammenschlüsse zwischen AnhängerInnen der Ülkücü-Bewegung und der Neonazi-Partei DIE RECHTE zu beobachten, die bspw. im April 2016 gemeinsam gegen die PKK demonstrierten.
Gesamteindruck:
Auch wenn es keine dauerhaften Bündnisse zwischen türkischen und deutschen Rechten entstehen, ähneln sich die politischen Ziele, wenn es um den Umgang mit ihren Feinden geht. Hierzu gehören zum einen die Minderheiten in der Türkei, wenn sie in den Augen der Ülkücü türkischen Interessen entgegenstehen. Das sind ethnische Gruppen wie KurdInnen, GriechInnen und ArmenierInnen, aber auch religiöse Gemeinschaften wie JudInnen oder ChristInnen. Als Hauptfeinde gelten dabei zurzeit die KurdInnen. Alle KurdInnen, die sich zum Kurdentum bekennen, werden undifferenziert als Anhänger der 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK) oder als TerroristInnen und VerräterInnen angesehen. Vor diesem Hintergrund ist es aus antifaschistischer Perspektive wichtig, sich mit linken KurdInnen zu solidarisieren und wie es Euferates K. von der HDP Berlin zusammenfasst, "sich nicht voneinander abzugrenzen und die Kräfte zu bündeln, sich besser zu vernetzen und gemeinsam auf die Straße zu gehen". Das Schwerpunkt-Thema ist zunächst auch dafür geeignet, sich mehr Wissen über türkische FaschistInnen anzueignen.
Mehr Infos über Graue Wökfe/Ulkücü-Bewegung:
http://www.nrweltoffen.de/wissen/publikationen/UElkuecue-Broschuere.pdf
http://www.mik.nrw.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/gw_ohne_01.pdf