AIB #113
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Das AutorInnen-Kollektiv thematisiert die neue rechte Bewegung, die im letzten Jahr aktiv und vielseitig auf den Straßen aktiv war. Alexander Häusler erkennt darin eine Dynamik, die
geprägt ist von rechtspopulistischen Wahlerfolgen, starker Mobilisierungsfähigkeit für rechte Straßenproteste, Anstieg rassistischer Gewalttaten, erklärt den Begriff der sozialen Bewegung und
benennt rechte Bewegungsakteure wie Hooligan-Netzwerke, Parteien, Think Tanks und Magazine und sieht ein symbiotisches Protestverhalten im Kontext der flüchtlingsfeindlichen Bewegung von PEGIDA
und AfD, in der sich ein nationalistische Opposition formiert, die eine Phase der "Normalisierung" des Rechtspopulismus einläutet.
AktivistInnen der "Identitäre(n) Bewegung" haben am 28.08.2016 den Brandenburger Turm erklommen. Ein Artikel analysiert die Inhalte und Ausrichtung, erklärt ihre Zielgruppen und die Hintergründe
der subversiven Aktionen. Die "Identitären" sind keine sich formierende Bewegung, sondern eine von wenigen neurechten AkteurInnen betriebenes "Perpetuum Mobile" (ein sich ständig bewegendes), das
von bildhaften, symbolischen Selbstinszenierungen lebt. Dagegen hilft, ihre Ikonographie zu dekonstruieren, also nicht ihre symbolische Bildsprache abzubilden, sondern "konsequent an den
ideologischen Kontexten und Inhalten der Gruppe zu argumentieren und diese zu dechiffrieren".
Andreas Kemper dechiffriert die NS-Rhetorik des AfD-Politikers Björn Höcke, der einschlägiges NS-Vokabular und völkische Propaganda in seinen Äußerungen/Reden benutzt.
Als eine zentrale Klammer der völkischen Protestbewegung gilt die "Merkel muss weg"-Demonstration. Die Zusammensetzung prägten insbesondere sportlich gekleidete Männer in den 30ern und 40ern,
nicht wenige mit szenetypischen Modemarken wie „Thor Steinar“ oder „Yakuza“, das Bild. Neben etlichen selbsternannten „Bürgerbewegungen“ waren Akteure der „Identitären Bewegung“, einzelne
Vertreter der AfD und hier insbesondere der „Patriotischen Plattform“, „Reichsbürger“ und AnhängerInnen der rechten Friedensbewegung zugegen, aber auch langjährig bekannte Neonazis aus
altbekannten Organisationen wie der „Kameradschaft Northeim“ um Torsten Heise, Hamburger Neonazi-Zusammenhänge um den ehemaligen „Blood & Honour“-Aktivisten Torben Klebe oder
ParteiaktivistInnen von „Die Rechte“, NPD oder „Der III. Weg". Der Fachautor Felix Korsch hat den völkischen Widerstandsdiskurs in einem sehr gewinnbringenden Aufsatz als Vigilantismus ( Form der
Selbstermächtigung) beschrieben.
Gesamteindruck:
Seit längerem ist im Zusammenhang mit der extremen Rechten von einer neuen rechten die Red. Unklar ist ihre Bedeutung. Das Schwerpunkt-Thema skizziert Aspekte eines zunehmenden Selbstverständnisses mit der Symbiose aus Intellektuellen, konsensorientierten und aktionsorientierten Modellen, Theroriedebatten und Provokationen. Bezeichnenderweise spielt die NPD kaum noch eine Rolle, wenn es um den Zusammenschluss um einen inhaltlichen Dissens zwischen Traditionalisten und Modernisierern geht. Wirkungsfähig sind Demonstrationen von PEGIDA, sowie die AfD, die ihre Vision einer "kulturellen Hegemonie" zu realisieren versuchen und damit Erfolge erzielen. Aber wenn es eigentlich um neurechte Bewegungen und Bewegungsformen gehen soll, bleibt festzuhalten, dass es eigentlich keine gibt. Auch wenn sich einige wie die "Identitären" von extremen Positionen abzugrenzen versuchen, suchen sie einen Ort von politischen Begegnungen und Kooperationen. In der Diskursdebatte ist es notwendig, die Aussagen, Inhalte zu analysieren und entlarvend zu kommentieren, um gegen eine zunehmende Annäherung an konservative Lager zu intervenieren.