Kampf um den Hambacher Forst
- Protest gegen Natur- und Umweltzerstörung
Seit Jahren campieren Umweltaktivisten im Hambacher Forst, um gegen die Rodungspläne des Energiekonzerns RWE zu protestieren.
Der Hambacher Forst(1), den mensch Mitteleuropas letzten „Urwald“ nennen könnte, wird für Europas größten Klimakiller – RWE - gerodet. Dafür werden ganze Dörfer und die
Gesundheit von Menschen zerstört. Um all das zu verhindern, wurde der Wald seit dem 14. April 2012 von KohlegegnerInnen besetzt und im November von 600 PolizistInnen in vier Tagen geräumt.
Seitdem gab es immer wieder Neubesetzungen am Rande des Hambacher Forstes auf einer Wiese. Der Wald wurde mehrmals besetzt und wieder geräumt. Seit Ende April 2014 läuft nun schon die vierte
Waldbesetzung. Junge Menschen aus ganz Deutschland und den Nachbarländern leben in Baumhäusern, die bis zu knapp 25 Meter hoch in den Buchen und Eichen ragen. Neben dem Erhalt des Waldes geht es
den BesetzerInnen um die Frage wie wir in Zukunft wirtschaften wollen, wenn wir nicht das Klima dieser Erde opfern wollen. Die AktivistInnen beteiligen sich zudem an anderen effektiven und
direkten Aktionen(2).
Die Besetzung des Waldes soll ein Akt des „re-empowerments“ der lokalen Bevölkerung sein. Der „Besatzungsmacht“ RWE soll die scheinbare Legitimität entzogen werden, mit der sie diese Region
fremdbestimmt und rücksichtslos die lokalen und globalen Lebensgrundlagen zerstört. Stattdessen sollen von nun an alle Menschen kooperativ entscheiden können, was in diesem Wald passieren soll.
Dieser Raum soll wirklich für alle offen zugänglich sein und auf der Basis eines gleichberechtigten Umgangs genutzt werden. Dazu ist es notwendig, dass die anwesenden Menschen hinterfragen,
welche Rollenbilder und Handlungsweisen sie reproduzieren und inwiefern sie Herrschaft ausüben oder indirekt unterstützen. „Wir erachten es als wichtig, dass wir uns gemeinsam bemühen,
sexistische, rassistische und andere diskriminierende Verhaltensweisen abzubauen und zu intervenieren, falls wir diese doch beobachten.“(3)
Bei der Entscheidung für die Besetzung ist den AktivistInnen bewusst, dass sie die recht schmale Bandbreite rechtsstaatlich erlaubten Protestes überschreitet. Aus zwei Gründen haben sie sich
dennoch dazu entschieden: Erstens, weil eine zu große Kluft existiert zwischen dem, was hier legal ist und dem, was sie als legitim betrachten. Wenn RWE den Wald zerstört, um Braunkohle abzubauen
und zu verbrennen und damit sowohl die regionalen Lebensgrundlagen zerstört, als auch das Weltklima und die Gesundheit der Menschen bis in den Großraum Köln hinein, dann ist das zwar
rechtsstaatlich legal. Trotzdem können die AktivistInnen, wie sie es auch drehen und wenden, keine Legitimität dafür erkennen: „Wenn wir diesen Wald besetzen, ist das zwar nach den herrschenden
Gesetzen nicht legal. Ihre Legitimität bezieht die Aktion aber daraus, dass sie versucht, der Wald- und Weltzerstörung durch RWE etwas entgegenzusetzen.“
Die Besetzung des Hambacher Forstes ist eine direkte Aktion, die sich dem Unrecht direkt in den Weg stellen will. Sie soll aber auch mehr sein: Nämlich ein Ort, an dem sich Menschen mit verschiedensten Hintergründen treffen und vernetzen können. Menschen, die bisher nur gemeinsam hatten, dass sie gegen Braunkohle aktiv sind, können hier zusammenkommen und sich austauschen über die sonstigen Verhältnisse, die sie unterdrücken. Über diesen Austausch kann und soll eine Vernetzung und eine Organisierung entstehen – für den weiteren Widerstand, aber auch darüber hinaus.
Bislang haben AktivistInnen 35 sogenannte Waldspaziergänge organisiert und durchgeführt. Unter dem Motto „Rote Line - bis hierhin und nicht weiter!“ ziehen rot gekleidete DemonstrantInnen - ein Bündnis aus NaturschützerInnen, Bürgerinitiativen und Kirchen - an der Rodungskante entlang. Am 15.02. 2017 zogen bis zu 1.500 Menschen eine symbolische rote Linie und forderten RWE auf, hat Tagebaubetreiber RWE aufgefordert, keine weiteren Bäume mehr zu fällen und den alten Wald zu bewahren. Auch politischen Entscheidungsträgern solle mit der Aktion klar gemacht werden, dass „die Grenze des vertretbaren Kohleabbaus erreicht ist und der Restbestand des Waldes erhalten bleiben muss“, forderte die Bürgerinitiative „Buirer für Buir“(4).
„RWE wird in diesem Jahr noch viele rote Linien sehen, die Führung ist der Auftakt“, so der Aachener Naturführer und Waldpädagoge Michael Zobel (5), der mit der Aktion
bereits den 35. Protestspaziergang im Hambacher Forst organisiert. Der Forst sei unter anderem wegen der großen Areale mit Eichen und Hainbuchen für ganz Europa von Bedeutung. „Das war einmal der
größte Wald im Rheinland. Jetzt stehen davon nur noch 10 Prozent“, so Zobel. „In jeder Rodungssaison von Oktober bis Februar werden rund 70 Hektar gefällt. Das sind 100 Fußballfelder.“
RWE will das Abholzen des Waldes im Herbst 2017 fortsetzen.
Der Energiekonzern RWE spricht indes von einer Eskalation der Gewalt im Hambacher Forst und macht die „sogenannten AktivistInnen“ dafür verantwortlich. Der Energiekonzern hat nach eigenen Angaben
mehr als 130 Straftaten zur Anzeige gebracht und 30 Gewalttaten gegen eigene Mitarbeiter gezählt. „Dass durch Rechtsbrüche Industriebetriebe an ihrem Weiterbetrieb gehindert werden sollen, ist
nicht hinnehmbar“, teilte RWE mit. Es handle sich bei den Protestierenden um GewalttäterInnen, die bewusst die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nehmen würden. Wie die Zukunft der
AktivistInnen aussieht, ist seit Anfang Dezember 2016 ungewisser denn je. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat entschieden, dass das Camp illegal ist. Es bestätigt damit die Entscheidung des
Kreises, dass alle Bauten auf dem Grundstück entfernt werden müssen.
Mehr Infos:
Anmerkungen:
(1) Der Hambacher Forst oder Bürgewald oder die Bürge ist ein nach dem Ort Hambach benannter, ursprünglich 5.500 Hektar großer Wald. Seit 1972 gehört Hambach zur Gemeinde Niederzier im
nordrhein-westfälischen Kreis Düren. Der Forst liegt zur Hälfte im Kreis Düren und im Rhein-Erft-Kreis. Zuständig als Untere Forstbehörde ist das Forstamt Eschweiler. Das ursprüngliche Waldgebiet
musste weitgehend dem Braunkohletagebau Hambach weichen.
(2) Direkte Aktion ist ein Überbegriff für viele politische Aktionsformen. Es geht darum, direkt in politische Ereignisse einzugreifen. Die jeweiligen Betroffenen handeln selbst, ohne Macht an
InteressenvertreterInnen abzugeben. Bestes Beispiel für eine direkte Aktion im herkömmlichen Sinne ist die Besetzung des Hambacher Forstes. Mensch muss aber nicht gleich einen ganzen Wald
besetzen. Direkte Aktionen können problemlos in den Alltag integriert werden, z.B. wenn in Form von „Guerilla Gardening“, also wildem, klandestinem (heimlichem) Anlegen von Gärten, die eigene
tristgraue Stadtumgebung bunter gestaltet wird.
(3) alle Zitate aus: „Mit Baumhäusern gegen Bagger“: http://hambacherforst.blogsport.de/images/HambacherForstBuch.pdf
(4) http://www.buirerfuerbuir.de/
(5) http://naturfuehrung.com/