Der neuerliche Fall Franco A., der verdächtigt wird, einen rechtsterroristischen Anschlag geplant zu haben wirft derzeit viele Fragen auf, die bis tief in
die Strukturen der Bundeswehr reichen. In dessen Kaserne im französischen Illkirch hatte das Jägerbataillon 291 einen Raum mit gemalten Wehrmachtssoldaten in Heldenposen ausgeschmückt und
Kameradschaftsabende gefeiert.
Doch dieser "Skandal" ist keineswegs ein neues Phänomen innerhalb der Bundeswehr.
Franco A. ist mitnichten ein Einzelfall, das Problem ist die Bundeswehr selbst. Die Geburt der Bundeswehr aus dem Geist des Verdrängens, Verschweigens, Leugnens und Schönfärbens wirkt bis heute
nach. Noch immer tragen Kasernen die Namen von Wehrmachtsgenerälen (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kasernen-umbenennung-historiker-richten-appell-an-von-der-leyen-a-974540.html),
noch immer üben Weltkriegsveteranen und Bundeswehrsoldaten in Traditionskameradschaften und beim Gedenken an ihre toten Kameraden den Schulterschluss, noch immer werden Lieder aus der Nazi-Zeit
gesungen und überzeugte Nationalsozialisten als Helden verehrt.
Die Bestrebungen der Verteidigungsministerin von der Leyen, das Verhältnis der Bundeswehr zur NS-Vergangenheit neu zu bestimmen, beschränken sich freilich auf die Oberfläche, auf die Ebene der
Bundesregierung, des Verteidigungsministeriums, der Militärführung.
Noch unkritischer ist der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit allerdings dann, wenn bei der Traditionspflege nicht die Bundeswehr selbst, sondern Kameradschaftsverbände Regie
führen. Noch immer gibt es eine Reihe von Zusammenschlüssen von Teilnehmern des letzten Weltkriegs. Mit der soldatischen Traditionspflege als Hauptschwerpunkt ihrer Aktivitäten wirken sie bis in
die Bundeswehr, aber auch in die militante NS-Szene hinein.
In Organisationen wie dem Bund deutscher Fallschirmjäger (BdF), dem Kameradenkreis der Gebirgstruppe oder der "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger" sind Wehrmachtsveteranen genauso Mitglied
wie ehemalige und aktive Bundeswehr-Soldaten. Die Traditionspflege der Bundeswehr lässt sich nicht in einem einfachen Schwarz-Weiß-Bild erfassen. Es findet sich ein weites Spektrum von
Verhaltensweisen, das von Distanzierung und Instrumentalisierung über Ignoranz bis zur Verherrlichung von Kriegsverbrechern reicht. Die Bundeswehr übt immer noch eine Anziehungskraft auf die
extreme Rechte aus. Hierarchien, Waffen, Männlichkeit, Kameradschaft, Uniformen haben Symbolkraft, sind Eigenschaften, mit denen sich die extreme Recht identifizieren kann.
Offenkundig finden beim „Bund“ eher Männer und Frauen mit rechten Einstellungen ihre „Heimat“. Verhältnismäßig selten werden dagegen Zwischenfälle mit einem neofaschistischen Hintergrund
bekannt, an denen Soldaten beteiligt sind.
So ist der eigentliche Skandal nicht das Bekanntwerden des Falles Franco A. im Kontext von "Rechtsextremismus in der Bundeswehr", sondern der Umgang von Soldaten mit der Wehrmacht, der
Traditionspflege und die mangelnde Aufarbeitung bzw. Analyse einer Verknüpfung rechter Organisationen und Heimatverbände zur Bundeswehr. Es gibt hochrangige Offiziere der Bundeswehr, die nach
ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst sich politisch bei rechtskonservativen bis neofaschistischen Organisationen und Zeitungen einbringen.
Die extreme Rechte und die Bundeswehr ist immer noch ein vernachlässigtes Feld der Forschung.