LOTTA #66

LOTTA #66
LOTTA #66

LOTTA #66
68 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
www.lotta-magazin.de
Regelmäßig berichtet das LOTTA-Redaktionskollektiv über Bands, Konzerte und Veröffentlichungen aus der Rechtsrock-Szene und findet es erneut an der Zeit, die Auseinandersetzung damit in den Mittelpunkt zu stellen.

Tobias Hoff erkennt "widersprüchliche Wahrnehmungen" in der Rechtsrock-Szene und fragt nach ihrer Bedeutung für die neonazistische Szene. In NRW hat sich ein "Kreis an Musikern und Bands (mit einem internationalen Bekanntheitsgrad) herauskristallisiert". Einzelne Musiker sind in verschiedenen Bandgeflechten aktiv, es gibt kaum neue, junge Rechstrock-Bands und eine regionale Zuordnung fällt schwer. Der Markt hat sich auf einige wenige Labels konzentriert, die meist auch den Vertrieb übernehmen. Der Bereich der Konzerte habe sich stark verändert, sind nicht mehr konspirativ organisiert, sondern finden in bekannten Immobilien statt. Die Zunahme an Events ist vor allem mit der Partei DIE RECHTE verknüpft, die als Veranstalter von Liederabenden in Erscheinung tritt. Diese sind einfach zu organisieren. Die Rechstrock-Sznen altert, wird professioneller und richtet sich an die zahlungskräftige Klientel.
Jan Raabe skizziert die Jugendkulturen in der extremen Rechten. Anfang der 1990er Jahre war alles einfach: Zum Outfit eines Rechtsextremen gehörten schwere Stiefel, Glatze und Bomberjacke. Diese "Klassiker" gibt es heute zwar auch noch. Aber die Zeit ist vorbei, in der Neonazis eindeutig zu erkennen sind. Während sich viele jugendliche Nazis im neuen, hippen Outfit wohl fühlen, sind sie für die breite Öffentlichkeit unsichtbar. Durch die Öffnung hin zu andern Jugendkulturen konnten sich rechte Symbole auch außerhalb der (geschlossenen) Szene verbreiten. So sieht mensch auf Demos der extremen Rechten eben auch Jugendliche in HipHop-Kleidung, mit langen Haaren, mit Piercings, Tattoos, einem modischen Kinnbart wie es in der Metal- bzw. Hardcore-Szene beliebt ist. Jan fragt ob die Ausdifferenzierung eine neue Gefahr darstellt. Einerseits birgt die Unsichtbarkeit des Erscheinungsbildes weniger Gefahr einer Repression, offen bleibt, ob IDENTITÄRE BEWEGUNG ihren eigenen Stil durchzusetzen vermag oder ihre Inhalte.
Torben Heine skizziert am Fallbeispiel der Band SMART VIOLENCE, wie diese am klassischen Skinhead-Kult mit deutlichen Bekenntnisse und Bezügen zur neonazistischen Ideologie festhält, wenig mit neueren musikalischen Entwicklungen anfangen kann und ihre Live-Darbietungen bei HAMMERSKINS-Konzerten stattfinden.
Andreas Meyer geht der Frage nach, welche Bedeutung Netzwerke und Organisationen im Nazi-Rock haben. Es zeigt sich, dass ein Kern von alten Blood&Honour-Aktiven weiterhin ein Netzwerk mit Bands, Labels und Konzerten spannt. Viele Hammerskins sind an deutschen Labels beteiligt, ihre Strukturen sind gut "abgeschottet" und schwer zu erahnen.
Matthias Roth widmet sich dem NS-Rap, zeichnet die relativ junge Geschichte nach. Der Nazi-Rap-Untergrund hat in dem Rapper Julian Fritsch aka Makss Damage zudem eine aggressive Galionsfigur gefunden. Feinde hat Julian auch in den eigenen Reihen zu befürchten, gibt es nicht gerade wenige, die NS-Rap ablehnen. Die Szene ist überschaubar und Matthias erkennt trotz der kleine Szne mit wenigen NS-Rappern die Stärke im Nutzen sozialer Netzwerke, wo nicht nur treue AnhängerInnen, sondern auch Menschen mit Mainstream-Hörgewohnheiten ködern ließen.

Gesamteindruck:

Rechtsrock spielte und spielt eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung und Vernetzung der internationalen extrem rechten Szene. Besonders herausragende Merkmale sind dabei die enge Verzahnung von produzierenden und vertreibenden Unternehmen von rechter Rockmusik mit der Szene sowie die Funktion des Rechtsrocks als Einstiegsdroge. Wichtigste Erkenntnis ist, dass sich der Rechtsrock ausdifferenziert hat. NS-HC, NS-Rap. Liedermacher, NS-Black Metal. Es ist wichtig, rechte Musik nicht zu verharmlosen oder die Rolle von Musik in der extremen Rechten zu unterschätzen. Nicht zuletzt hat die Aufarbeitung des NSU Komplexes gezeigt, dass rechte Musik ein Nährboden für die Radikalisierung von Neonazis sein kann. Deshalb sollten Prävention und Aufklärung gestärkt werden. Kinder und Jugendliche müssen für Strategien der rechten Szene sensibilisiert werden, sind sie besonders anfällig, gerade, wenn rechte Akteure versuchen, in Jugendkulturen anzuknüpfen und ihre Botschaften in Videos auf soziale Netzwerke posten und auf den ersten Blick nicht klar zuzuordnen sind.