HEITER BIS WOLKIG
Manifest - Punkrock OperA in drei Akten LP/CD
Mad Butcher Records(LP)/Weser Label(CD)
Facism, Racism, Authority....Fuck off! So einfach könnte punk das Manifest auf den Punkt bringen und zusammenfassen. Aber was die Spaßguerilla, bestehend aus Marco und Micha, hier konzipiert hat, ist schon etwas ganz Besonderes. Das Konzeptalbum "Manifest" erscheint als Do-LP in deutscher und englischer Version, inklusive zweisprachigem Reclam(e)-Heftchen.
Elf von SLIME und Klaus der Geiger zeigen sich u.a. neben Marco für die tollen Kompositionen verantwortlich. Elf hat auch alle Gitarren eingespielt, und immer wenn er diese spezielle melodische rock and rollige Punkmelodie erklingen lässt, bekomme ich Gänsehaut. Ob es früher seine St. Pauli-Hymne ("St. Pauli leuchtet nur hier") war oder die Grundmelodie bei "Das ist deine Zeit" von DIE MIMMI'S, so ist es hier der Riff in "Forever Punk", der meine Augen zum Leuchten bringt. In nahezu identischer Besetzung hat die Crew früher auch das C.I.A.-Album "Codename Freibeuter" eingespielt. Und Jacke hat für dieses Album erneut einen hervorragenden Sound abgemischt, der alle Parts detailliert herausfiltert.
Am Besten ist, du hörst das Album laut und liest dabei das Reclam(e) Heftchen in typisch gelber Aufmachung mit allen Texten, Anmerkungen und Überleitungen zum nächsten Kapitel. Des Weiteren ist dieser Reclam(e)-Ausgabe eine rote angehängt, die - ebenso typisch Reclam - als Farbgebung für eine fremdsprachige Ausgabe (hier die englische Fassung) gilt. Und so erfahren wir auch die zusammenhängende Geschichte, den Inhalt der punk rock operA in drei Akten:
"Der elegische Opener Forever Punk thematisiert rockig hymnisch das HbW-Dauerthema Deutschland, einig Zombieland, kraftvoll-zornige Songs wie Barbarei, Kein Vaterland und Angepisst reflektieren kritisch und wortgewaltig moderne Erscheinungsformen der politischen Kultur.
Im zweiten Akt nimmt uns die Kunstfigur PAN mit auf seine abgedrehte satirische Reise durch den niveauwidrigen TV- und Medien-Dschungel (Scheiss auf TV, Hirntod), und HbW rocken weiter mit krasser Kirchenkritik (Opus Dei) hin zu harter Nationalismusschelte (Nationalstolz).
Im dritten Akt überschlagen sich zunächst wütende Verse im titelgebenden skandierten MANIFEST, dann bündelt sich in brecht´scher Balladenmanier gerechtigkeitsorientierte globale Gesellschaftskritik im überladenen Track legal illegal scheißglobal, die sich schließlich zynisch-utopisch im Finalsong Anarchie auflöst."
Die gelungene Umsetzung einer tollen Idee, die im Wesentlichen mit vielen Parolen und Zitaten spielt (bspw. "Legal-Illegal-Scheißglobal") und bekannte Phrasen aufgreift und in Versform einen ganz anderen Sinn ergeben lassen: "(...kein Mensch darf Freiwild für eure Böhsen Onkelz sein. Für euren Heimatscheißverein, wollen wir kein Freiwild sein!"; Kein Vaterland. Marco und Micha verstehen es gut, einfache Worte zu finden, die eine besondere Wirkung entfalten. Mit den genannten Oberthemen benennen sie die gesellschaftliche und politische Verhältnisse auf eine recht profane, aber auch humorvolle, bisweilen kabarettistische Art und Weise, die die Aussagen, die Positionen überspitzt und mit bei einigen Akzentuierungen auch clownesk grandios würzt, die den Inhalt weniger wutentbrannt oder brandgefährlich machen, sondern auf skurrile Art mit scharfer Zunge und Gemeinheiten formulieren. Schelmisch und anarchisch. Das MANIFEST ist ein musikalischer Vortrag der besonderen Art, der politische Aktionskunst, Denk-Kunst und angepissten Punk zu einem Event verknüpft, das auch als Bühnenstück funktioniert und im Mai seine Uraufführung im Kölner Kunst-Freistaat ODONIEN hatte.
Kunst, Performance und Punk wird nicht die Welt retten, aber gesellschaftliche Fragen voranbringen und die Blickrichtung verändern. Und jetzt ist Schluss mit lustig.