AIB #115
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
https://www.antifainfoblatt.de/
Welche Beziehungen hat die europäische extreme Rechte zu Russland? Im aktuellen Schwerpunkt werden "FreundInnen" der russische Eliten, Kooperationen zwischen rechte Parteien und die rechte Szene
in Russland, die am Aufbau neuer Strukturen arbeitet.
Es gibt keinen Systemkonflikt mehr zwischen Positionierungen der europäischen Rechte mit Positionen Russlands, das als autoritäres Regime gegen Schwule, Lesben und das mit einer restriktiven
Einwanderungspolitik gegenüber Muslimen vorgeht. Marine Le Pen und die Front National bekam finanzielle russische Wahlkampfhilfe. Drei Millionen Euro soll sich Marine Le Pen für ihren
Front-National-Wahlkampf von Russland geborgt haben. Die französische investigative Plattform Mediapart veröffentlichte ein Dokument mit den entsprechenden Informationen.
Auch Frauke Petry ist nach ist nach Moskau zu einem Treffen mit hochrangigen russischen Politikern gereist. Darunter war auch der radikale Rechtspopulist Wladimir Schirinowski. Moskau selbst
unterstützt die AfD wegen ihrer prorussischen Positionen. Und nicht zuletzt findet die Partei erfolgreich Zugang zu Russlanddeutschen. Diese befinden sich auf AfD-Kurs wie ein Artikel analysiert.
Das Bündnis der "Russlanddeutschen in der AfD" ruft im Netz zur "Liebe zum deutschen Vaterland" auf, mit einer Werbung, die größtenteils auf Russisch verfasst ist. Mittlerweile gibt es
russischstämmige Abgeordnete in der AfD. Ein weiterer Aspekt ist die unter Russlanddeutsche weit verbreitete Islamophobie, die von russischen Medien mit Falschmeldungen und Propaganda geschürt
wird: Der Fall der damals 13-jährigen Russlanddeutschen Lisa aus Berlin-Marzahn, die, wie russische Medien behaupteten, von einem Flüchtling verschleppt und vergewaltigt worden sei, brachte im
Januar vergangenen Jahres zeitgleich AussiedlerInnen in ganz Deutschland auf die Straße.
Ein weiterer Artikel beschreibt die Sympathien der extremen Rechten für die Ukraine. Die Beteiligung der extremen Rechten auf dem Maidan hatte mit der ultranationalistischen „Swoboda“ als
„Oppositionspartei“ seit Beginn der Proteste Ende November 2013 einen wichtigen Akteuren. Swoboda bezieht sich in ihrer rassistischen und antirussischen Ausrichtung eindeutig auch auf die
„Organisation der Ukrainischen Nationalisten“ (OUN-B) unter Stepan Bandera. Die OUN-B hatte zunächst mit Nazideutschland kooperiert. Die einst – typisch für extrem rechte Parteien –
euroskeptische Swoboda hat während der vergangenen Jahre schrittweise immer klarer Position für eine EU- und NATO-Mitgliedschaft der Ukraine bezogen. Dagegen haben die unterschiedlichen
Teilorganisationen des Rechten Sektors verschiedenartige und im Allgemeinen skeptischere Sichtweisen auf die EU. Ein Paradox, denn diese Parteinahme widerspricht an und für sich dem Weltbild der
Ultranationalisten: die offiziellen Werte und Prinzipien der EU sind zumindest implizit, wenn nicht gar explizit antinationalistisch. Die ambivalente, moderate bzw. positive Haltung der
ukrainischen extremen Rechten zur EU und NATO weicht deutlich von der typischen Position vergleichbarer Organisationen innerhalb der EU ab. Was die europäische extreme Rechte mit ukrainischen
extremen rechten Gruppen verbindet sind Sozialkonservatismus, Traditionalismus, kultureller bzw. biologischer Rassismus, explizite Homophobie, populistischer und integraler Nationalismus,
selektive Geschichtsbilder usw.
Gesamteindruck:
Wie ist dieser neue Aspekt in den Beziehungen zwischen Europa und Russland zu verstehen? Russlands Agenda, Europa sollte dazu gedrängt werden, sich von den USA zu distanzieren entspricht der Agenda der extremen Rechten in Europa und vertritt genauso ein konservatives Gesellschaftsmodell, unter anderem die Achtung traditioneller sozialer und religiöser, und somit auch politischer Hierarchien, Bewahrung eines konventionellen Familienmodells, Stärkung der Rolle eines starken Staates. Die extreme Rechte und Russland haben sich nicht nur angenähert, sie ist Teil einer "Kameradschafts"-Strategie des Kreml mit der europäischen extremen Rechten. Die Bereitschaft der meisten, wenn auch nicht aller Bewegungen der extremen Rechten, sich dem politisch korrekten Mainstream anzuschließen (Marie LePens Front National ist hier das deutlichste Beispiel) spielt den Bemühungen des Kreml in die Hände, diese Verbindungen auf der europäischen Bühne salonfähig zu machen. Innerhalb nur weniger Jahre ist es Moskau gelungen, Russophilie und Euroskepsis zusammenzubringen und Russland als Gegenstück zu Brüssel zu positionieren. Das ist für europäische Parteien attraktiv, die sich als Opfer der EU-"Technokratie" wahrnehmen und nach neuen Verbündeten suchen, um gegen den gegenwärtigen "Mainstream" und die EU-Austeritätspolitik zu wettern und die "Ränder" zum Widerstand gegen das "System" aufzurufen.