Extrem rechter Aktivismus wurde lange Zeit überwiegend als „reine Männersache“ betrachtet. Frauen wurden in der Regel lediglich als passive Begleiterinnen und Unterstützerinnen wahrgenommen. In den letzten Jahren hat sich jedoch der Blick für die zunehmende Präsenz aktiver Frauen in diesem Milieu verschärft. Dabei finden auch Frauen eine extrem rechte Ideologie interessant. Denn ein rassistisches oder nationalistisches Weltbild vermittelt einem selbst ein Überlegenheitsgefühl. Dementsprechend stehen auch bei Frauen z.B. "ausländerpolitische" Fragen im Vordergrund bei ihrer Hinwendung zu extrem rechten Gruppen oder Parteien.
Als Erklärung, warum Frauen sich dem Rechtsextremismus zuwenden, gibt es verschiedene Ansätze. So untersucht Birgit Rommelspacher(1)die These der Deprivation: Demnach
sind Frauen generell verunsicherter als Männer und fühlen sich in ihrem Leben bedrohter. Diese Verunsicherung, kombiniert mit Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen, führt dazu, dass
Frauen die erlittene Benachteiligung auf Kosten eines anderen (Schwächeren) ausgleichen wollen, quasi eine Art Entschädigung fordern. Somit kann der „Ausländer“ zum Prototyp des
Vergewaltigers werden, der deutsche Vergewaltiger wird dann einfach als „krank“ abgestempelt, um sich so als „gesund“ und „deutsch“ aufzuwerten.
Aber es gibt auch eine spezifische Attraktivität für Frauen: Die Ideologie ermöglicht es ihnen, sich einen exklusiven Platz, eine originäre Rolle zuzuweisen – nämlich Nachwuchs zu gebären und zu
erziehen und dadurch unersetzlich zu sein für den „Fortbestand des deutschen Volkes“. Extrem rechte Frauen können sich sozusagen als "Hüterinnen der weißen Rasse" fühlen.
Für manche Frauen ist eine solche Vorstellung vielleicht sogar entlastend. Denn die moderne Doppelrolle in Beruf und Familie ist im Alltag ja gar nicht so leicht umzusetzen. Der Spagat zwischen
Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung gelingt oft nur unter Stress und Schwierigkeiten oder auch gar nicht. Wenn dann eine Ideologie sagt: Du brauchst gar nicht berufstätig zu sein, du bist auch eine
ganz tolle Superfrau, wenn du dich ausschließlich auf die Familie konzentrierst, das ist sogar besser – dann kann das durchaus attraktiv sein.
Renate Bitzan(2)unterscheidet hier drei Haupttypen. Erstens die eben beschriebene, ganz klassische Rolle, vor allem anderen gesunden, "rassereinen" Nachwuchs in
möglichst großer Zahl zu gebären.
Der zweite Typus ist eine etwas modernisierte Form, wo Frauen nicht nur Mütter sein, sondern auch öffentlich-politisch auftreten sollen. Hier wird nach wie vor die Differenz zu den Männern
betont, aber Frauen sollen, bitteschön, ihre Sichtweise auch in den politischen Prozess einspeisen dürfen.
Und dann gibt es noch einen dritten Typ extrem rechter Frauen, die durchaus Kritik üben an sexistischen Strukturen sowohl in der Gesellschaft als auch innerhalb der Szene. Bei ihnen ist punktuell
sogar von Emanzipation bis hin zu Feminismus die Rede ("sexismuskritischer Nationalismus").
In dem von Bitzan mitbegründete Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus haben sich neben Bitzan politisch aktive Frauen respektive Sozialwissenschaftlerinnen verschiedener Fachrichtungen
wie Kirsten Döhring und Renate Feldmann zusammengeschlossen, die auf diesem Gebiet arbeiten. Im Mittelpunkt ihres Engagements steht „die Verknüpfung der Perspektiven und
Ergebnisse von Forschung und Politik“. 2005 hat dieses Netzwerk eine facettenreiche Aufsatzsammlung publiziert.
"Braune Schwestern?"(3)beschäftigt sich mit vier zentralen Fragen: Welche Rolle spielen Frauen in der extremen Rechten? Wie sieht das rechte Frauenbild aus? Kann man von einer
Frauensolidarität in der rechten Szene sprechen? Knüpfen rechte antisexistische Argumentationslinien an feministische Denkansätze an? Die Existenz eines homogenen rechten Frauenbildes bzw. einer
einheitlichen Selbstwahrnehmung rechter Frauen wird von den Autorinnen durchweg verneint. Vielmehr fänden sich in der extremen Rechten eine Vielzahl unterschiedlicher, sogar sich direkt
widersprechender Vorstellungen hinsichtlich der Rolle der Frau. Zugespitzt ausgedrückt stehe am einen Ende des Spektrums ein traditionelles und am anderen ein emanzipiertes Frauenbild. Sehe
ersteres die Rolle der Frau primär als Mutter und als Ergänzung des Mannes, erkenne das zweite der Frau den Status eines eigenständigen und gleichberechtigten Menschen zu. Unbestreitbar sei
jedoch, dass die rechte Szene in weiten Teilen von Männern dominiert werde und von deren meist sexistischer Weltanschauung geprägt sei.
Renate Bitzan beschäftigt sich in Forschungsprojekten, Vortragsreihen und Publikationen intensiv mit dem Thema Frauen und Rechtsextremismus, wie etwa in ihrem Buch „Selbstbilder rechter
Frauen. Zwischen Antisexismus und völkischem Denken“, das im Jahr 2000 erschienen ist. Nach Aussage von Bitzan beziehen sich die meisten extrem rechten Frauen auf die Bezugsgrößen
Volksgemeinschaft, Rasse und Nation, und weniger auf Geschlechterideologien, wobei die einzelnen Lebensentwürfe durchaus unterschiedlich aussehen können. Rechte Frauen sind Mütter, verbreiten ein
biologistisches Frauenbild und "häkeln für’s vierte Reich"; solche oder ähnliche Bilder von rechten Aktivistinnen sind äußerst populär. Gegen die Vorstellung eines einheitlichen Bildes
von rechten Frauen setzt Renate Bitzan in der Buchveröffentlichung ihrer Dissertation ihre Ausgangsthese. Die inhaltlichen Positionen, so Bitzan, sind nicht einheitlich, sondern
im allgemeinen Verständnis des Geschlechterverhältnisses genauso unterschiedlich wie auch in speziellen sozialen und frauenpolitischen Fragen.
Ein besonderes Augenmerk legt die Autorin auf die Überschneidungen zwischen rechtsextremen und feministischen Diskursen, mit dem Ziel, empirisches Material für eine Diskussion über die
Konsequenzen solcher Überschneidungen zur Verfügung zu stellen. Dazu untersuchte sie über 500 Artikel von 170 Autorinnen in sechzehn als rechtsextrem eingestuften Zeitschriften aus den Jahren
1985 bis 1993.
Für Bitzan ist die wichtigste Frage, wie viel Toleranz die Szene wirklich für Frauen mit moderneren Lebensentwürfen aufbringt, die mehr beinhalten als ausschließlich Mutterschaft. Die
extrem rechte Religionswissenschaftlerin Sigrid Hunke(4)versuchte 1987 in einem Aufsatz, eine Höherwertigkeit des nordischen Menschen systematisch mit der Forderung nach
einer egalitären Geschlechterstruktur zu verknüpfen. Kurz gesagt schrieb sie, der nordische Mensch sei evolutionsmäßig der höchst entwickelte und deshalb prädestiniert dazu, die
Gleichberechtigung von Mann und Frau umsetzen zu können. Sie berief sich dann auf angebliche Traditionen in germanischer Frühzeit, als die Frauen hochgeschätzt worden seien; die Unterdrückung der
Frauen habe erst mit der Christianisierung begonnen. Das ist historisch alles nicht belegbar.
Gibt es einen rechten Feminismus?
Spätestens mit der Beteiligung Beate Zschäpes an den begangenen Morden des Nationalsozialistischen Untergrundes musste uns bewusst werden, dass Frauen längst keine untergeordnete Rolle im
Rechtsextremismus spielen. Sie sind aktiv dabei und vertreten eigenständig ihre Meinung. Extrem rechte Frauen engagieren sich politisch und tun dies unabhängig von rechten Männern.
Birgit Rommelspacher nutzt im Jahr 2001 den Begriff eines „rechtsextremen Feminismus“ im historischen Kontext und setzt diesen dann später in Zusammenhang zum liberalen, also
gleichheitsorientierten Feminismus. Für Rommelspacher ist ein extrem rechter Feminismus keine neue Erscheinung. Beispielhaft führt sie die „oppositionellen Faschistinnen“ an, die in der
Zeit des NS-Regimes die Gleichstellung der Frau in Bezug auf die deutsche Vormachtstellung betonten.
Sie betont, dass sich eben diese feministischen Forderungen nicht nur gut in die biologische „Rassenideologie“ des Rechtsextremismus einfügen, sondern sie sogar untermauern. Dies geschah durch
die Annahme rechter Frauen, Geschlechterungleichheit und Patriarchat sei ein Produkt nicht-nordischer Rassen und demnach nicht natürlich. Als Beispiel für einen „rechten Feminismus“ führt sie -
genau wie Renate Bitzan - Sigrid Hunke an.
Besonders interessant im Hinblick auf einen „extrem Feminismus“ ist ein
Leitartikel des Mädelring Thüringen(5)aus dem Jahr 2007. Der Titel des Artikels lässt aufhorchen: „Nationaler Feminismus – ein Paradoxon?“
Quellentext: Leitartikel „Nationaler Feminismus – ein Paradoxon?“, Webseite des MRT, www.maedelring.tk, 8.1.2007 (nicht mehr existent)
„(...) unser Leitsatz: ‚Deutsche Frauen wehrt euch – gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit!’(...) die Frau von heute ist nicht nur Hüterin der Familie
und des Heims, sondern auch gleichwertige Mitgestalterin des öffentlichen Lebens, das alle Lebensbereiche und Berufsfelder gleichermaßen beinhaltet.
(...) Wir wollen natürlich nicht den Fehler machen, ein Frauenbild zu schaffen, dass sich von seiner naturgegebenen Aufgabe – dem Mutterdasein loslöst. Aber im
Gegenzug wollen wir eine übertriebene Stilisierung der Mutterrolle vermeiden. (...) Genauso sind wir Frauen eigenständige Individuen, die sich durch selbständiges Handeln auszeichnen und nicht
wie fälschlicherweise noch heute zu oft im nationalen Widerstand behauptet über die Mutterrolle. (...) Nationaler Feminismus voran!“
„Mädelring Thüringen“ hatten ihren Arbeitsschwerpunkt, wie auch ihre Nachfolgeorganisation „Free-Gender“ , in der Stimmungsmache gegen sogenannten »Genderterror«.
Sowohl das Bild von Weiblichkeit, mit dem die Gruppen arbeiten, als auch ihre Aktionsfelder sind enorm unterschiedlich. Während einige das Bild völkischer Mutterschaft propagieren, inszenieren
sich andere deutlich als aktive Kämpferinnen für die nationale Sache. Dies geht meist einher mit ihren Arbeitsschwerpunkten. Inhaltlich lassen sich fünf hauptsächliche Themenfelder ausmachen:
- Brauchtumspflege
- Kulturarbeit
- Hilfsorganisationen für Inhaftierte
- Frauenthemen in schon bestehende Gruppierungen einbringen
- Frauen als gleichberechtigte Kämpferinnen etablieren.
Inzwischen gibt es aber deutlich weniger Bestrebungen von Frauen, sich eigenständig zu organisieren. Als noch bestehende Gruppen sind hier der „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), die „Gemeinschaft
Deutscher Frauen“ (GDF) und die „Düütschen Deerns“ zu nennen. Der Trend geht jedoch eher dahin, dass Frauen sich aktiv in gemischtgeschlechtliche Zusammenhänge einbringen.
Die Verknüpfung von Sexismus und Rassismus ist – wie mensch an der skizzierten Band-breite ideologischer Positionen zum Geschlechterverhältnis und der Vielfalt und Widersprüchlichkeit gelebter
Frauen- und Geschlechterbilder in der rechten Szene sehen kann – nicht zwangsläufig oder automatisch gegeben. Folglich müssen sich auch politische Gegenstrategien auf den Kernpunkt der extremen
Rechten, den rassistischen und menschenverachtenden Konsens der ethnisch definierten „Nationalen Volksgemeinschaft“ konzentrieren und dabei nicht außer acht lassen, dass Frauen und Mädchen unter
dieser Ideologie genauso radikal denken und vehement agieren wie ihre männlichen „Kameraden“.
Auch Frauen und Mädchen sind Nazis und selbst aktiver und denkend wie handelnder „Teil“ der extremen Rechten, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt…
Anmerkungen:
(1) Birgit Rommelspacher war Professorin für Psychologie mit dem Schwerpunkt Interkulturaliät und Geschlechterstudien
(2) Renate Bitzan promovierte 1998 über den Geschlechterdiskurs von Autorinnen rechtsextremer Zeitschriften, war im Jahr 2000 Mitgründerin des "Forschungsnetzwerks Frauen und
Rechtsextremismus".
(3) Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten. Unrast Verlag 2005. 142 Seiten. ISBN 978-3-89771-809-8. 14,00 EUR. Reihe: Antifaschistische Texte, Band 12.
(4) Sigrid Hunke war eine deutsche Religionswissenschaftlerin, Germanistin, gilt als Kritikerin des Christentums bei gleichzeitiger Bewunderung für den Islam und das Arabertum sowie als
Vordenkerin der Neuen Rechten.
(5) Der Mädelring Thüringen war eine der wenigen reinen Mädelkameradschaften, nach eigenem Bekunden auf der Website „ein Zusammenschluss aktiver nationaler Sozialistinnen, die den
Befreiungskampf, speziell in Thüringen, unterstützen möchte(n)“. Als Logo verwendete der Mädelring eine Kombination von Midgardschlange und Schwarzer Sonne als „Symbol für die reiche Kultur der
europäischen Völker“.