OX #136
132 DIN-A-4-Seiten; € 5,90.- + CD
OX-Fanzine, Postfach 110420, 42664 Solingen
www.ox-fanzine.de
Ein Hauch von Sommer weht mit dem toll fotografierten THE BABOONS-Cover in die winterliche Stube und sorgt mit den kühlen Farbtönen Milchweiß, Stahlblau, Altrosé, Silbergrau, Mintgrün, Himbeerrot
und Himmelblau für Heiterkeit und Weite.
Nach den üblichen Standards um Cover-Ikonen, Punkplatten-Classics, Punk-Art, hier: Various Artists, und den meiner Meinung unnötig vielen Kolumnen, schleicht sich auch in Tom van Laaks Tagebuch
eines Verlierers eine Routine ein, die wenig Neues preisgibt. Sein Alltag ist geprägt und bestimmt von physischen wie psychischen Abhängigkeiten und ihre Folgen. Und so wird sein Satz "Aber was
erzähle ich dir die alten Geschichten, du kennst sie ja alle" zum Synonym für langweilige Routine, die schon länger kein "Aha"-Erlebnis mehr liefert.
Joachims Fragen an THE BABOON SHOW merkt mensch seine Begeisterung an, was auch für das neue Album zutrifft. Doch neben dem Kuschelkurs wird es erst mit der Frage zur Baboon'schen Begeisterung
für Kuba und den Sozialismus spannend, da Joachim und Band unterschiedlicher Auffassung sind. Alex Pascow hat die Band seit "Punkrock Harbour" auf den Schirm und seitdem gibt es eine
geschäftliche wie freundschaftliche Beziehung zur Band, die mit Arbeit verbunden ist, aber "immer zielgerichtet ist und Spaß macht". VORWÄRTS geht es auch mit der Schweizer Punkband im Film
"Lasst die Alten sterben", die aus dem Nähkästchen plaudern, während Pizzabäcker Kevin Cole (THE TURBO AC'S) mit den Auswirkungen der Hurrikans auf Puerto Rico im September zu kämpfen hat.
TURBONEGRO demontieren ihren eigenen Mythos und betrachten ihr neues Album als ein Relikt, als Kommentar zur gegenwärtigen Diskussion um Künstliche Intelligenz und Roboter.
BLUTTAT werden indes in Kolumbien abgefeiert, was die Band in Erstaunen versetzt. Björn Wagner begleitete die Band und skizziert ein skurriles, bizarres Bild im Umgang einer Band, die von ihren
Fans wie Rockstars in den Olymp gehoben wird "und alle wollen sie anfassen, Autogramme, Fotos".
Triebi Instabil sorgt dann für das Highlight im aktuellen Ox: ein Special über italienischen 80er Jahre HC. Bands wie NEGAZIONE, CHEETAH CHROME MOTHERFUCKERS, DECLINO, KINA, UPSET NOISE, IMPACT,
INDIGESTI, EU'S ARSE, RAW POWER hatten einen erheblichen und maßgeblichen Anteil an die Weiterentwicklung von Punk/HC in Deutschland und sorgten vor allem in Süddeutschland für positive Einflüsse
und Impulse, hinsichtlich einer wachsenden DIY-Szene mit neuen Bands, neuen Labels, Mailorder, Zines etc, aber auch einen neuen Style (Bandanans, Jeans, Turnschuhe), die die selbstzerstörerische
"Schneller-Lauter-Härter"-Fraktion vor neuen Herausforderungen stellte. Im 1. teil reflektieren Bandmitglieder über ihre Anfänge, Einflüsse, linke Freiräume und über die legendären Chaostage
1984, zu denen sich eine italienische Reisegruppe aufmachte und dadurch im Verlauf ein erster Kontakt zwischen italienischen und deutschen HC-Punks zustande kam.
Gesamteindruck:
Wieder einmal bewahrheitet sich, dass die spannendsten, aufregendsten und wirkungsvollsten Aspekte im Punk da entstehen, wenn biographische Methoden angewandt werden und Menschen ihre
individuelle Lebensgeschichte erzählen oder/und selbst als Teil einer Subkultur Gegenstand der sozio-kulturellen Forschung werden. Denn hier können die LeserInnen Zeitgeschichte erfahren,
vorausgesetzt der Ablauf erfolgt bspw. in einem narrativen Interview, wo relevante Abschnitte ausführlich thematisiert und wiedergegeben werden. Das Italien Punk/HC-Special ist hier ebenso ein
positives Beispiel wie auch der Artikel über Bev Davies, die mit ihren Fotos und dazugehörige Erklärungen persönliche Einblicke/Anekdoten zu Rolling Stones, Motörhead, The Clash, D.O.A. u.a.
liefert.
Alles andere ist eine Überdosis Infos zu Bands, die gerade eine Platte veröffentlicht haben oder im seltenen Fall mal ausführlicher befragt werden.