Für Björn Höcke von der AfD ist das Lied der Deutschen ein Sehnsuchts- und Freiheitslied, „denn unsere Einigkeit als Volk ist bedroht durch eine erzwungene Multikulturalisierung und unser Rechtsstaat wird zerstört durch die Verfassungsbrüche der Regierung.“
Da klingt die Forderung der Gleichstellungsbeauftragten des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, nach einer Änderung der Nationalhymne wie eine Kriegserklärung. Schließlich sei die Heimat bedroht, die ganze Nation in Gefahr und das deutsche Lied soll ein geschütztes Gut bleiben, ein unabdingbares Bollwerk einer „stolzen Kulturnation“.
Hier noch einmal das Original:
Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand;
Blüh' im Glanze dieses Glückes,
blühe, deutsches Vaterland!
Aus „Vaterland“ soll Rose-Möhrings Forderung nach „Heimatland“ werden, aus „brüderlich mit Herz und Han“ „couragiert mit Herz und Hand“.
Auch Bündnis 90/Die Grünen haben sich für eine geschlechtergerechte Änderung der Nationalhymne ausgesprochen. Konkret stört sich die Partei an den Begriffen „Vaterland“ und „brüderlich“. Katrin
Gröing-Eckardt und Cem Özdemir warben daher für einen neuen Text. Statt der Begriffe „Vaterland“ und „brüderlich“ soll es einfach „Land“ und „geschwisterlich“ heißen.
Höcke, Poggenburg und Co bringen sich schon mal in Stellung. Schließlich will die AfD, dass in deutschen Kinos vor jeder Filmvorführung die Nationalhymne erklingen muss, inklusive der 1. Strophe
(„Deutschland, Deutschland über alles!“). Wer dem nicht nachkommt, wird mit einem Popcorn-Verbot belangt oder - schlimmer noch - muss das AfD-Wahlprogramm auswendig lernen.
Dabei gibt durchaus Länder auf dieser Erde, in denen mensch eingesperrt wird, wenn mensch die Fahne oder Hymne seines Landes ironisiert wie in Russland, der Türkei oder China.
Die AfD hat sich für ihren Vorschlag Indien zum Vorbild genommen. Kinofans müssen sich hier vor Beginn eines jeden Blockbusters aus den gemütlichen Kinosesseln erheben. Nach einer Entscheidung
des Obersten Indischen Gerichtshofes sind KinobetreiberInnen verpflichtet, vor jeder Filmvorführung die Nationalhymne zu spielen und die indische Flagge zu zeigen. Die Entscheidung des Gerichts
hat im südlichen Indien am letzten Wochenende bereits zu 12 Festnahmen geführt. In einem Kinosaal in Chennai weigerte sich eine Gruppe von sechs jungen Leuten aufzustehen und machte Selfies
während der Zeremonie. Das rief die bürgerliche Moralpolizei auf den Plan: Andere KinobesucherInnen forderten die Gruppe auf sich zu erheben und riefen nach ihrer Verweigerung die Polizei. Laut
Polizei verprügelten außerdem Rechtsradikale acht KinobesucherInnen in Chennai, die sich die Hymne im Sitzen angehört hatten. Laut Gesetz kann VerweigerInnen eine 3-jährige Haftstrafe drohen.
Soweit sind wir hierzulande noch nicht. Und es gibt durchaus friedvolle Alternativen. Im Rausch der deutschen Wiedervereinigung schunkelte mensch zu dem für die Wiedervereinigung komponierten
Stück „Wind Of Change“ oder sang in dieser Zeit auch gerne „Looking for Freedom“ von David Hasselhoff, der damit die Singlecharts nach der Wiedervereinigung anführte. Die Deutschen meinten
fälschlicherweise, es ginge in dem Lied um ein Volk, das nach Freiheit strebe. Tatsächlich handelt das Lied von einem Vater-Sohn-Konflikt.
Und auch die AfD scheint nicht ganz verstanden zu haben, dass die deutsche Nationalhymne entstanden ist im und inspiriert vom Ausland, vertont nach einer Melodie eines ausländischen Monarchisten,
geschrieben von jemandem, der alles andere als staatstreu war. Zeit also, für eine echte Alternative!