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Femme Rebellion

Femme Rebellion ist ein D.I.Y. Musikfestival, das Musiker_innen und Musikinteressierten jeglichen Geschlechts einen open space zur Verfügung stellen möchte, um mit den bisher immer noch geltenden sexistischen Rollenverteilungen in der Musikszene zu brechen.

Der Name des Festivals ist inspiriert durch das Neska Rock („Mädels Rock“), einem kleinen baskischen Festival, 100% D.I.Y., dessen Ziel es ist aufzuzeigen, dass MusikerInnen kein bestimmtes Geschlecht haben müssen, und durch die Femme Rebellion Tour, bei der die beiden gemischtgeschlechtlichen spanischen Bands Milenrama und Penadas por la Ley, durch Spanien ziehen, um andere gemischte Bands mit ihrer Idee anzustecken und so einen sexismusfreien Raum im Musikkontext entstehen zu lassen.
Gerade in der Punkszene, wo schon seit langem über Sexismus diskutiert wird, ist es in der Praxis immer noch nicht selbstverständlich, dass Gleichberechtigung wirklich praktiziert wird. Daher wollen wir zusammen mit allen, die sich von unserem Anliegen angesprochen fühlen, beginnen einen Raum in Musikzusammenhängen zu erkämpfen, in dem es eines Tages keine Hierarchien und keinen Sexismus mehr gibt.
Marta ist nicht nur eine der OrganisatorInnen des Femme Rebellion Fesitvals, sondern trat 2017 auf dem Festival zusammen mit Schlagzeuger Ronnie als Duo MATRONE auf und präsentierte einen faszinierenden Mix aus treibenden Beats, verstörenden Samples und energischen Riffs.

«Meine Weiblichkeit fühlt sich keineswegs durch Queer oder Transgender bedroht, sondern nur bereichert!»

Marta, siehst du dich als politisch motivierte Musikerin oder als feministische Aktivistin?
    In erster Linie sehe ich mich als Mensch, der mit 3 Brüdern in ein sehr konservatives Spanien groß geworden ist, und immer ein Konflikt mit vorgesehene Rollen in der Gesellschaft hatte...vor allem wenn diese bewirken, das jemand als minderwertig eingestuft wird.

Du fühlst dich der Punk-/HC-Subkultur zugehörig. Was findest du hier für Möglichkeiten, sich auszudrücken?
    Eigentlich habe ich mich nie in eine bestimmte Szene gesehen, denn ich möchte auch da keine Rollen erfüllen müssen. Aber in der Tat fühle ich mich dort am wohlsten, wo Menschen sind die für seine Idealen kämpfen, insbesondere die, die am unkonventionellesten Wünsche und Ziele haben und dadurch Schwierigkeiten bekommen, Gleichgesinnte zu finden. Das macht, wenn es sich zum Positiven entwickelt, sehr kreativ. Das beeindruckt mich und gibt mir Elan, um selber weiter für meine Ideale zu kämpfen.
Davon findet man sehr viele in der Punk/Hc Subkultur, zum Beispiel im Form von D.I.Y.

Was war für dich der Beweggrund, das Femme Rebellion Festival neu aufzulegen?
    Ich bin in der 80er als Musikerin und danach auch noch als Tontechnikerin in einem, wie gesagt, damals sehr konservativen Spanien groß geworden. Es war für mich verdammt schwer, mich als solches ernst zu nehmen, wo meine ganze Umgebung es höchstens als niedlich oder abartig sah, dass ich E-Gitarre spiele oder mich an Tonpult wage. Eine Laune oder so was. Für mich war es am Anfang undenkbar zuzugeben, dass ich es ernst meinte, denn ich war ja „nur eine Frau und die machen so was nicht“. Ich sehnte mich nach Vorbilder und habe sie überall gesucht. Es gab nicht viele. Mittlerweile hat sich das ganze ein bisschen verbessert, aber ehrlich gesagt, dafür, dass es 30 Jahre später ist, ist immer noch erschreckend wenig passiert.
Ich möchte gerne andere Menschen, die jetzt in diesem Anfangsstadium sind, einen Raum geben, wo sie Kraft tanken können, damit es weiter geht und es eines Tages nicht mehr nötig ist, solche Veranstaltungen aus diesem Grund zu organisieren.

Homophobie und Sexismus sind in dieser Gesellschaft leider noch viel zu sehr verbreitet. Musik und Texte spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Inwiefern kann eine Musikveranstaltung mithelfen, diese Aspekte in die jeweilige Szene zu tragen und zur Auseinandersetzung mit diesen Problemen anzuregen?
    Ich glaube die Auseinandersetzung ist ja da, sobald man darunter leidet. Eine Musikveranstaltung ist in meine Augen eine gute Möglichkeit Menschen mit Stärke aufzuladen, damit sie dagegen besser ankämpfen können. Durch die Musik und der Fakt, dass so viele andere Menschen gleich ticken (sonst wären die wohl nicht da), auch wenn man es ihnen vielleicht gar nicht direkt ansieht, kann man sich stark und zugehörig fühlen. Ich glaube tatsächlich daran, dass Veranstaltungen wie das Femme Rebellion Steine ins rollen bringen können.

Denkst du, dass es viel talentierte und ambitionierte MusikerInnen gibt, die angst haben, auf die Bühnen zu gehen, rauszugehen oder sich verleugnen, nur weil Heterosexualität als einzig legitime Sexualität gesehen wird?
    Ich denke, dass es leider, obwohl unsere Gesellschaft angeblich so fortschrittlich ist, eine Menge Menschen gibt, die ihre Kraft daran verlieren, in meinen Augen unnötige Kämpfe mit sich selber und mit Stereotypen führen. Unnötig, weil diese Kämpfe in der Theorie schon gewonnen worden sind. Ich kapiere nicht, warum die Gesellschaft diesen Menschen trotzdem so viele Steine im Weg legt. Wenn jemand sich als Frau, Mann, Trans, Genderlos, oder was auch immer fühlt, dann ist es einfach so. Warum muss man so viel Kraft damit verschwenden anderen davon zu überzeugen, dass das in Ordnung ist?!
Dadurch haben diese Leute oft nicht mehr die Kraft dazu, sich ihrer Kreativität zu widmen, Talente auszuleben und gehen unter. Auf der Bühne zu gehen bedeutet unter anderem sich zu zeigen und anderen die Chance zu geben, dich unter die Lupe zu nehmen und über dich zu urteilen. Dabei wird auch gerne kommentiert und kritisiert und nicht selten sind auch sehr merkwürdige Gestalten unter den Richtern. Da braucht man oft eine sehr dicke Haut!
Ein Traum von mir wäre, dass wir diese Probleme endlich hinter uns lassen und uns konstruktivere Projekte widmen könnten.

Das Femme Rebellion Festival ist angelehnt an die Riot Grrrl Bewegung. Was ist von dieser radikalen Bewegung geblieben und wie hat Riot Grrrl dein Leben verändert?
    Die Riot Grrrl Bewegung hat mir endlich ein Platz gegeben, wo ich mich „normal“ fühlen könnte! Bands wie L7, Babes in Toyland oder Girlschool und vor allem: Wendy O´Williams!
 Starke Frauen, die das tun was sie wollen, rumschreien und dabei auf alle Konventionen scheißen! Was für ein Traum!
Es ist vielleicht normal, dass solch eine Revolution in Schübe funktioniert, und jetzt ist der nächste Schub dran. Insofern: War schon mal ein geiler Anfang!

Marta (li.), Ronnie (re.): MATRONE
Marta (li.), Ronnie (re.): MATRONE

Der etablierte Typus des „angry young man“ darf sich auf den Bühnen dieser Welt wälzen und seinen Frust herausschreien, er gilt als begehrenswert und wild. Frauen, die diese Gefühle öffentlich zum Ausdruck bringen, haftet dagegen noch immer das Negativ-Image der hysterischen Ziege an. Hast du den Eindruck, dass Frauen immer etwas radikaler sein müssen, um sich Gehör zu verschaffen und (feministische) Solidarität zu erlangen?
    Klar! Ich selber ertappe mich immer noch manchmal in Situationen, wo ich Sachen annehme, die nicht annehmbar sind, nur weil es schon immer so war. Gerade gestern redete ich mit einen sehr guten Technik-Kollegen, der empört war über eine Geschichte einer gemeinsamen Kollegin: Nicht lange her, war sie als Tontechnikerin auf Tour mit einer semi-bekannten Band. Als sie bei einem Festival ankamen, fragten die Techniker vor Ort, wo deren Techniker wäre. Als sie alle auf sie zeigten und sagten „Sie ist das“, lachten die herzlich und meinten: „Nee, im Ernst jetzt, wo ist er?".
Laut meinem Kollegen hätte sie die alle richtig zur Sau machen sollen, damit es ihnen peinlich ist für den Rest seines Lebens, dass sie im Jahr 2016 immer noch so sexistisch unterwegs waren.
Meine Reaktion (gestern): Na ja, wenn wir uns immer sofort aufregen würden, wenn so was passiert (was ziemlich oft ist), dann würden wir nicht mehr die „Technikerinnen“ sein, sondern auch noch die Zicken-Technikerinnen...das habe ich GESTERN gesagt!!! Bin ich bescheuert, dass ich mich darum einen Kopf mache?!?!?!  Der/die nächste ist echt dran!!! Hahahaha, also passt auf!

Marta, der Name des Femme Rebellion-Festivals ist inspiriert durch das Neska Rock („Mädels Rock“), einem kleinen baskischen Festival, dessen Ziel es ist aufzuzeigen, dass Musiker_innen kein bestimmtes Geschlecht haben müssen.
Die feministische Forderung nach safe spaces, reine Frauen-Räumen haben Ausschlüsse produziert. Die Debatten um Transpersonen, Intersexualität und Queer-Feminismus sind ganz schön pikant und werfen die Fragen auf, ob „Queer“ den Feminismus verunsichert und ob die Auflösung von Geschlechtlichkeit und Geschlechterrollen die Verunsichtbarung von Weiblichkeit ermöglicht und schafft. Welchen Nutzen, welche Möglichkeiten siehst du in dieses diskursives Debatten?
    Ja, das Neska Rock, wo ich mit meiner damaligen Band MISFIRED gespielt habe, zusammen mit MILENRAMA (aus Katalonien) und Penadas por la Ley (aus Baskenland), die das Femme Rebellion Tour Konzept hatten, dass bei jeder Band, die mit auf Tour spielt, auch Frauen dabei sein müssen, hat mich unheimlich inspiriert. Man kann tatsächlich mit kleinen Ansätzen was ändern.
Ich persönlich habe immer gedacht, dass dieser Kampf von uns allem zusammen gekämpft werden muss, denn wir alle profitieren davon. Indem wir niemandem aus geschlechtlichen, rassistischen oder ähnlich idiotischen Gründen ausschließen bereichert das Ganze ungemein!
Meiner Meinung nach gibt es eh mehr als 2 Geschlechter, und das ist eine Sache, die jeder einzelne für sich wissen und ausleben sollte. Ich bin kein Freund von Stempel oder Bezeichnungen, aber wenn man Frau und Mann als so was wie 2 Extreme sieht, und davon ausgeht, dass alle Menschen unterschiedliche Anteile von beiden hat, und niemand das reine eine ist, dann hat es ja keinen Sinn sich drüber zu streitenn wer was ist, oder?
Angst um seine Geschlechtlichkeit sollte keineR haben, wenn man sich klar ist, als was man sich fühlt. Meine Weiblichkeit fühlt sich keineswegs durch Queer oder Transgender bedroht, sondern nur bereichert!

Auch in der Punk- und HC-Subkultur begegnen uns teilweise sehr konservative Rollenbilder und Wertevorstellungen. Wie lautet dein Gegenentwurf und an wen ist dieser anzuwenden?
    Es gibt immer noch so viele altmodisch denkende, da wo man es am wenigsten erwartet!
Man denkt, dass jemand, der sich die Haare grün färbt oder tolle Sprüche auf seinen T-shirt trägt, es besser wissen sollte, oder wenigstens mehr von Stereotypen befreiter sein sollte, aber man findet so  viele Leute darunter, die noch die Meinung seines Opas, ihrer Omas vertreten! Das sind nicht nur Männer! Ich habe auch mit vielen Frauen die bescheuersten Gespräche geführt! Es gibt auch queer und transgender Leute, die darunter leiden, dass sie selber mit sehr konservativen Ansichten beladen sind: OBWOHL SIE DER LEBENDE BEWEIS DAFÜR SIND, DASS DIESE ANSICHTEN SCHWACHSINNIG SIND!
Ich denke, an diesen Leuten sollte man das anwenden. Es hilft nur vormachen, zeigen, dass es geht, und darüber reden. Immer und immer wieder, auch wenn man manchmal keinen Bock mehr hat.

Was kotzt dich an der Punk-/HC-Szene in Deutschland am meisten an?
    Die Pseudo-Korrektness. Viel über Wörter streiten und dadurch die Taten vergessen. Neeervt.

Nur hinsehen reicht nicht, um gegen Sexismus, Homophobie, Vorurteilen und tradierte Geschlechterrollenvorstellungen vorzugehen. Was ist - bezogen auf Musikszenen - wichtig, um Ausschlüsse und Diskriminierungen zu vermeiden?
    Immer dafür offen sein, das man es noch besser machen kann. Niemals aufhören zu lernen, hinzugucken und zuzuhören. Zu versuchen, Nachteile auszugleichen.

Was denkst du, kannst du mit Musik bewirken?
    Ich kann Menschen das Gefühl geben, dass die nicht allein mit ihren Zweifeln und Gefühlen sind. Ich kann ihnen einen Ventil anbieten, womit sie Frust los lassen können, indem sie diesen  ausschreien und austanzen. Hat mir auch immer geholfen.

Wie geht es nach dem Femme Rebellion Festival weiter?
    Wir werden weiterhin eine Menge Spaß haben und es werden immer mehr Bands kommen, die uns zeigen, was noch alles geht! Ich freue mich schon auf das nächste Festival! Die Familie wächst...